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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Auferweckung eines Toten (144 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 23.03.2024 um 11:27 Uhr (Zitieren)
Apuleius, Metamorphosen II 27-29:
27. [...] Schau, da hatte sich unterdessen schon nach den letzten Trauer- und Klagezeremonien der Tote auf die Straße bewegt und wurde nach Sitte und Brauch, Standesperson die er war, im öffentlichen Leichenzug über den Markt geleitet. Da kam ein schwarz gekleideter Greis gelaufen, zerraufte voll Trauer in Tränen sein würdiges graues Haar, drang mit beiden Händen auf die Bahre ein und rief mit gehobener, freilich von ständigem Schluchzen behinderter Stimme: „Bei eurem Gerechtigkeitssinn, liebe Herren, beim Geist der Gemeinschaft [per pietatem publicam], steht einem ermordeten Bürger zur Seite und ahndet streng eine beispiellose Tat an der nichtswürdigen Verbrecherin da! Denn die und niemand sonst hat den armen jungen Mann, den Sohn meiner Schwester, einem Ehebrecher zuliebe und aus Erbschleicherei mit Gift umgebracht!“ So zeterte der Alte mit jämmerlichen Klagen jedermann die Ohren voll.

Inzwischen tobte das Volk und ließ sich, wahrscheinlich wie die Tat war, leicht von der Schuld überzeugen. Man ruft nach Feuer, sucht um Steine, ermuntert die Jüngsten, das Weib totzuschlagen. Sie jetzt schwor mit erkünstelten Tränen bei Gott und der Welt die heiligsten Eide und leugnete ein derartiges Verbrechen ab.

28. So rief denn der Greis: „Die Wahrheit zu entscheiden, wollen wir der göttlichen Vorsehung [divina providentia] überlassen. Hier ist der Ägypter Zatchlas, ein Prophet erster Klasse [propheta primarius], der mit mir schon vordem gegen gute Bezahlung abgemacht hat, für ein Weilchen den Geist aus der Unterwelt zurückzuholen und diesen Leichnam als Heimkehrer vom Tod lebendig zu machen.“

Mit diesen Worten führte er so einen jungen Mann in die Mitte vor, der linnene Tücher umhatte und an den Füßen Opanken aus Palmfasern trug, mit ganz kahlrasiertem Kopf. Dem küßte er lange die Hände ab, berührte sogar seine Knie und sagte: „Erbarme dich, Priester, erbarme dich bei den Gestirnen des Himmels, bei den Geistern der Hölle, bei den Elementen der Natur, beim Schweigen der Nacht und den koptischen Krypten, bei den Nilschwellen, den Geheimnissen von Memphis und den Klappern von Pharos! Laß ihn kurz der Sonne sich freuen und laß in die für immer geschlossenen Augen ein wenig Licht fluten! Unsereiner hadert nicht und weigert der Erde nicht, was ihr gehört; aber um uns an der Rache zu erheben, flehen wir um eine kurze Spanne Leben.“

Darauf läßt sich der Prophet herbei, dem Leichnam ein bestimmtes Kräutlein auf den Mund und ein anderes auf die Brust zu legen. Dann betete er gegen Osten hin schweigend die Majestät der wachsenden Sonne an und bewirkte durch die feierliche Vorstellung, daß die Anwesenden einer gespannter als der andere ihre Aufmerksamkeit auf die Sensation richteten.

29. Ich mische mich als Teilnehmer unter die Menge und stelle mich gerade hinter der Bahre auf einen etwas erhöhten Stein. So konnte ich alles mit neugierigen Augen beobachten. Jetzt hebt sich schwellend die Brust, jetzt schlägt pochend der Puls, jetzt erfüllt Atem den Leib. Und der Leichnam richtet sich auf, und der Mann läßt sich vernehmen: „Sagt, warum führt ihr mich, der nach dem Todesbecher schon auf den Stygischen Wassern schwamm, zeitweilig ins Erdendasein zurück? Steh endlich ab, bitte, steh ab und entlaß mich in meine Ruhe!“ Diese Stimme war von dem Leichnam zu hören.
Aber der Prophet sprach in einigermaßen gesteigerter Erregung: „Willst du nicht den Leuten Zug um Zug berichten und die Geheimnisse deines Todes beleuchten? Oder glaubst du, meine Beschwörungen könnten nicht die Unholdinnen [Diras] herbeirufen, dir die schlaffen Glieder zu foltern?“ Er fährt fort von seinem Schragen aus und trägt mit einem tiefen Seufzer der Menge folgendes vor: „Schlimme Künste meiner jungen Gemahlin haben mich umgebracht: zum Giftbecher war ich verurteilt und mußte den warmen Pfühl einem Buhlen überlassen.“

Da nimmt sich die treffliche Gattin prompt die Frechheit, unverschämterweise dem belastenden Gatten im Wortwechsel zu parieren. In der Menge gibt es ein Hin und Her: uneins fordern die einen, das verworfene Weib auf der Stelle mit der Leiche des Mannes lebendig zu begraben, andere, der Erfindung eines Leichnams keinen Glauben zu schenken.
[...]

(Apuleius: Der goldene Esel. Herausgegeben von Edward Brandt und Wilhelm Ehlers. München ³1980, S. 74-79)
 
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