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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Euripides zum Abend (1396 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 06.05.2009 um 17:24 Uhr (Zitieren)
πολλὰ δ' ἁέλπτως κραίνουσι θεοί.
καὶ τὰ δοκηθέντ' οὐκ ἐτελέσθη,
τὦν δ' ἁδοκήτων πόρον ηὖρε θεός.


Euripides, Medeia V. 1416-1418

(Die anlautenden α müßten allesamt einen Spiritus lenis tragen.)
Re: Euripides zum Abend
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 06.05.2009 um 18:58 Uhr (Zitieren)
@Γραικίσκε:
Ich schwöre halt auf Multikey --> ἀέλπτως.... ἀδοκήτων....;-)
Aber wieder schöner Textauszug....

Die Götter bewirken (vollführen) unerwartet vieles (viele Dinge)......

Mehr verrate ich nicht :-)

Re: Euripides zum Abend
Ὑληβάτης schrieb am 06.05.2009 um 19:29 Uhr (Zitieren)
Interessant ist, was immer wieder auftaucht:
θεός, nicht mehr θεοί!
Herodot hat das auch manchmal.
Re: Euripides zum Abend
Ὑληβάτης schrieb am 06.05.2009 um 19:35 Uhr (Zitieren)
Zum Abend ist der Spruch sehr schön. Damit kann ich schlafen gehen - so in dreieinhalb Stunden.
Danke auch dafür.
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 09:17 Uhr (Zitieren)
Interessant ist, was immer wieder auftaucht:
θεός, nicht mehr θεοί!

Man sollte das m.E. aber nicht als Proto-Monotheismus auffassen. Der Gedanke des Euripides ist doch der: Die Götter (!) tun vielerlei ... und jetzt kommen typische Fälle, und die Einzelfälle gehen aber doch jeweils von einem Gott aus. Deshalb nun der Singular.
Übrigens ist es der unbestimmte Fall ("ein Gott"), nicht der mit dem bestimmten Artikel ("der Gott"), wie es gut monotheistisch wäre.
Ich paraphrasiere das einmal so:
"Die Götter halten immer Überraschungen für uns parat. Am einen Tag verschafft Dir ein Gott sechs Richtige im Lotto; am anderen Tag bewirkt ein Gott, daß dich deine Frau verläßt."

Meines Wissens ist es erst in der Spätantike (3. Jhdt. p. Chr. n.) dazu gekommen, daß all die verschiedenen Götter als Verkörperungen eines einzigen Gottes gesehen wurden. Der konnte dann Sol (Invictus) oder Isis genannt werden oder.
Diese religiöse Variante nennt man wohl Pan[b]en[b]theismus. Spätes Heidentum und frühes Christentum näherten sich hier einander theologisch an.

Eine mögliche Ausnahme oder - wenn man so will - Widerlegung meiner These könnte der Zeus-Hymnus des Aischylos sein, den man sich darauf einmal genauer anschauen müßte:
Zeus, wer er auch sein mag, ist ihm dies
Lieb als Nam’ und steht ihm an,
Ruf’ ich so ihn betend an.
Nicht beut mir sich sonst Vergleich -
Alles wäg’ ich prüfend ab -
Außer Zeus selbst, wenn ich Grübelns vergebliche Last soll
Wälzen mir von Seel’ und Herz.

Auch von dem, der vordem war in Macht,
Allem Kampf trotzt’ und Gefahr:
Keiner spricht von dem - Er - war!
Und der drauf erstand, des All-
siegers Faust ward er gewahr.
Zeus aber freudigen Muts im Siegeslied feiernd,
Faßt des Denkens Kern man ganz,

Zeus, der uns der Weisheit Weg
Leitet, der dem Satz: „Durch Leid
Lernen!“ vollste Geltung leiht.
Klopft anstatt des Schlummers an das Herz
Reugemut Mühsal an: selbst sich Sträu-
benden kommt Besonnenheit.
Götter geben solche Gunst, Ge-
waltherrn auf des Weltensteuers Thron.

(Aischylos, Agamemnon V. 160-183)

Ist dies schon ein - früher - Schritt in Richtung Monotheismus?
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 09:25 Uhr (Zitieren)
Weil das Wort so schön ist, will ich's mal richtig schreiben:
Panentheismus (nicht zu verwechseln mit Pantheismus)
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 09:29 Uhr (Zitieren)
Ich vermute, das "en" in "Panentheismus", ist als ἕν aufzufassen, oder? --> Alles (alle Götter) ist (sind) ein Gott!
Re: Euripides zum Abend
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 07.05.2009 um 14:55 Uhr (Zitieren)
So habe ich den Begriff gefunden:
Panentheismus (ein Gott ist existent und existiert in allen Dingen)
πάν -> alles
ἐν -> in (m.Dat.)
Θεῷ (Dat.Sg.) -> einem Gott

Re: Euripides zum Abend
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 07.05.2009 um 15:31 Uhr (Zitieren)
Kleiner Schreibfehler –> πᾶν ....
πᾶν ist Neutrum, so dass "alle Götter" nicht sein kann...
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 16:15 Uhr (Zitieren)
Aber worin läge dann der Unterschied zwischen Pantheismus und Panentheismus?
Meine Vermutung ging dahin, daß πᾶν, was klarerweise "alles" bedeutet, doch "alle Götter" bzw. "alles Göttliche" meint.
Wie gesagt, sonst verstehe ich den Unterschied nicht mehr.
Ich werde auch mal weiter recherchieren, insbesondere danach, woher ich diese oben dargestellte Theorie vom spätantiken Panentheismus überhaupt habe. Ich vermute: Jan Assmann.
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 16:30 Uhr (Zitieren)
Ich bin mal gespannt, ob Ὑληβάτης seinen "Monotheismus-Tendenz-Verdacht" bei Euripides aufrecht erhält.
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 16:38 Uhr (Zitieren)
Barthelet: Wörterbuch der Religionen:
Panentheismus, die philos. Lehre, daß "alles in Gott" ist, ohne daß er doch darin aufginge.
Pantheismus, [...] bezeichnet das Ineinanderfließen von "All" d.h. Welt oder Natur und "Gott". Wird Gott als das All aufgefaßt, so spricht man zutreffender von Theopanismus; wird umgekehrt das All zum Gott erhoben, besteht die Gefahr, daß der P. in Naturalismus und Mateiralismus, einen "höflichen Atheismus" (Schopenhauer) umschlägt; auf alle Fälle steht der P. im Gegensatz zum Theismus, der als Entgegensetzung von Mensch und Gott Religion zu lebendiger Geschichte macht. [...]
Re: Euripides zum Abend
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 07.05.2009 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Jetzt haben wir schon die Definitionen.....muß mich aber noch genauer damit beschäftigen.....
Vielleicht weiß unser Griechischlehrer Ὑληβάτης mehr dazu....
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 19:03 Uhr (Zitieren)
Ich habe jetzt gefunden, wo ich den Gedanken herhabe:
Jan Assmann: Moses der Ägypter. München/Wien 1998 (Hanser Vlg.), S. 76 ff.

Den Begriff "Panentheismus" muß ich in diesem Zusammenhang zurückziehen.
Der griechische Begriff für die höchste, allumfassende Gottheit ist Ὑυψίστος (Hypsistos, der Höchste).
"Er besteht in dem Glauben an ein Höchstes Wesen, das in seiner Natur nicht nur die Myriaden bekannter und unbekannter Gottheiten umgreift, sondern über diesen jene drei oder vier Götter, die, im Kontext der verschiedenen Religionen, die Rolle des Höchsten Gottes spielen (gewöhnlich Zeus, Sarapis, Helios und Iao = Jahweh). Dieses Wesen wird als Hypsistos, "Höchster", angerufen oder auch mit der weitverbreiteten 'Ein-Gott-Formel' Heis Theos."
Assmann zitiert eine Zeremonie im Papyros Leiden (I 384):
Ich rufe dich nochmals an
wie die Ägypter: Phno eai Iabok,
wie die Juden: Adonaie Sabaoth,
wie die Griechen: König, der über alle herrscht,
wie die ägyptischen hohen Priester: Verborgener, Unsichtbarer, der alle erblickt,
wie die Parther: OYERTO (Großer auf der Erde), Herr über alles.

Dies ist, wie gesagt, eine spätantike Idee.
Wir haben keinen Grund, sie Euripides auch nur im Ansatz zu unterstellen.
Re: Euripides zum Abend
Βοηθός Ἑλληνικός schrieb am 07.05.2009 um 19:17 Uhr (Zitieren)
ὁ θεός im Singular...Ich denke, dass wir da aufpassen müssen. Da ist nicht immer nur ein Gott gemeint, siehe Auszug aus PAPE unter ὁ θεός:
Bei Homer sowohl plur. als sing. , so daß bei letzterem nicht immer an eine bestimmte Gottheit zu denken, wie etwa an Zeus, sondern an die über den Menschen waltende höhere Gewalt, Gottheit...
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 07.05.2009 um 19:26 Uhr (Zitieren)
Die Sache ist knifflig ... zumal die Erläuterung bei Pape ja noch weitergeht.
Bemerkenswert ist, daß Euripides das Wort ohne Artikel verwendet.
Ich bin gespannt, was Ὑλαβάτης dazu sagt!
Re: Euripides zum Abend
Ὑληβάτης schrieb am 08.05.2009 um 08:53 Uhr (Zitieren)
Holla, da bin ich gerade mal länger als einen Tag nicht da, und muss mich solch kniffligen Fragen stellen.
Ich war schon mit Γραικίσκος Vorschlag zufrieden, den ich hier zitiere:
Die Götter (!) tun vielerlei ... und jetzt kommen typische Fälle, und die Einzelfälle gehen aber doch jeweils von einem Gott aus. Deshalb nun der Singular.


Ich wollte Euripides (und Herodot) keinen Monotheismus unterstellen, doch es fällt immer wieder auf, dass ein allgemeines θεός aus dem Nichts auftaucht - bei beiden. Aber wie gesagt, Γραικίσκος hatte mich schon überzeugt!
Re: Euripides zum Abend
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2009 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Interessant finde ich die Entstehung des εἷς θεός-Gedankens aus dem Heidentum heraus in der Spätantike schon. Aber dazu vielleicht ein andermal.
 
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