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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Was Pferde so fressen... (1927 Aufrufe)
Ἄλλος schrieb am 16.10.2012 um 12:37 Uhr (Zitieren)
...mitunter...

...τὸ προάστειον πᾶν ὀφίων ἐνεπλήσϑη. Φανέντων δὲ αὐτῶν οἱ ἵπποι, μετιέντες τὰς νόμας νέμεσϑαι, φοιτῶντες κατήσϑιον.

Herodot, I 78
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 16.10.2012 um 16:27 Uhr (Zitieren)
Kennt jemand die genaue Etymologie des Wortes "Schlangenfraß"? Wir sind ja heute geneigt, darunter zu verstehen, dass es sich um etwas Widerwärtiges handelt, das nur eine Schlange fressen würde. Eine kursorische Recherche legt allerdings nahe, dass es sich eher um eine Ableitung von ophiophagus bzw. den auf Herodot, Strabo und Plinius zurückgehenden Beschreibungen des nordafrikanischen Volkes der Psylli handelt, dessen Mitglieder gegen Schlangengift immun gewesen sein soll, welches sie mitunter auch aus Wunden Gebissener aussaugten. Das 19.Jhdt. macht daraus im "Magazin des Außerordentlichen in der Natur, der Kunst und im Menschenleben"(1815) Folgendes:

"[...] Die Psylli hielten die Schlangen nahe am Halse fest, vermieden dadurch ihren Biß, zerrissen sie ihres Zischens ungeachtet mit den Zähnen und fraßen sie lebendig. Das Blut floß ihnen aus dem Munde. Andere Psylli gaben sich Mühe, ihnen ihren Raub zu entreißen, und man stritt sich um diesen Schlangenfraß."

Soweit ich sehe, wandelt sich die Bedeutung erst im weiteren Lauf der Zeit in die heutige. Aber es heißt noch 1870 bei Wilhelm Oncken:

"Dem Zeitalter Herodots traut man vielleicht mehr historischen Aberglauben zu als dem des Sokrntes und der Akademie. Und in der That nimmt es sich seltsam genug aus, dass derselbe weltkundige Erzähler, der es den Athenern so verargt, dass sie sich von Pisistratos in der plumpen Falle haben fangen lassen, in der stattlichen Phye vom Hymettos die leibhaftige Göttin Athene anzubeten, seinerseits an die verschiedenen Bärte der Priesterin von Pedasia, an den Schlangenfrass der Pferde des Krösos, an die Wiederbelebung gedörrter Fische in einer über dem Feuer stehenden Pfanne u. s. w. glaubt."
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 16.10.2012 um 16:29 Uhr (Zitieren)
sollen
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 16.10.2012 um 22:15 Uhr (Zitieren)
Tja, der Kluge kann mit solchen Spezialitäten nicht aufwarten. Auch Röhrich schweigt zum Ursprung der Redensart.

Alternativ zu deinem Vorschlag, ließe sich vielleicht auch ein biblischer Hintergrund annehmen. In Hiob 20, 12-16 heißt es:

"Wenn ihm die Bosheit in seinem Munde wohl schmeckt, daß er sie birgt unter seiner Zunge, daß er sie hegt und nicht losläßt und sie zurückhält in seinem Gaumen, so wird seine Speise inwendig im Leibe sich verwandeln in Otterngalle. Die Güter, die er verschlungen hat, muß er wieder ausspeien, und Gott wird sie aus seinem Bauch stoßen. Er wird der Ottern Gift saugen, und die Zunge der Schlange wird ihn töten."

Und Lukas 11, 11:

"Wo bittet unter euch ein Sohn den Vater ums Brot, der ihm einen Stein dafür biete? und, so er um einen Fisch bittet, der ihm eine Schlange für den Fisch biete?"
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 16.10.2012 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Ja, dass die Schlange als d a s verworfene Tier des christlichen Abendlandes hier sich ex post mit
den antiken Erzählungen verbindet, liegt mehr als nahe: jedenfalls scheint klar, dass der Fraß
die Schlange selbst ist, nicht das von ihr vertilgte. Danke für die Recherche.
Re: Was Pferde so fressen...
διψαλέος schrieb am 16.10.2012 um 23:56 Uhr (Zitieren)
tja...
In den Gegenden, in denen die drei monotheistischen Religionen entstanden,
war die Schlange, neben anderen, ein giftiges Tier und somit eine lebensbedrohende Erscheinung.
Zudem erschien sie lautlos, während andere Raubtiere, die Menschen und Vieh bedrohten, vorzeitig zu erkennen waren.
Re: Was Pferde so fressen...
διψαλέος schrieb am 16.10.2012 um 23:57 Uhr (Zitieren)
ach so:
Schlangenfleisch soll übrigens vorzüglich schmecken...
(richtig zubereitet, aber das gilt ja für alle Speisen...)
Re: Was Pferde so fressen...
διψαλέος schrieb am 16.10.2012 um 23:58 Uhr (Zitieren)
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 07.08.2014 um 12:35 Uhr (Zitieren)
Das heutige Verständnis von Schlangenfraß = ungenießbares Essen scheint im ausgehenden 19. Jhdt. einer analogen Bildung zu Hunde-, Schweinefraß und Co entsprungen sein, die sich zunächst im Register der Schüler/Studenten- bzw. Soldatensprache verbreitete.

So heißt es 1911 "Unter den selbständigen Bildungen der Schülersprache wird Schlangenfraß als österreichischer Ausdruck angeführt."
Tatsächlich finden sich in den 1890ern unter den Belegen für die Verwendung des Wortes im besagten Sinne mehrere österreichische:

„Ich bin von dem Schlangenfraß aus dem römischen Magenkatarrh gar nicht herauskommen_ und d'rum war's d' höchste Zeit. daß wir uns um weibliche Küchenkräfte umg'schaut hab'n.“ (F. Radler: Der Wienerische Hanswurst, 1894),

„Weiß Gott, welchen Schlangenfraß sie mir wieder bereitet hat! Also vorwärts! . . . Halt! . . . eine wichtige Frage noch! In welches Restaurant gehen wir?“ (Wiener Almanach 1895),

„... der vorliegende Schlangenfraß sei ungenießbar“ (Die Wage: Eine Wiener Wochenschrift, 1899),


während das Kompositum sonst bezeichnet, was etwa die Pferde des Krösus vertilgten, oder – meist in zoologischen Zusammenhängen – von Schlangen vertilgt wird, ohne dass dabei ein Bezug zur Verköstigung des Menschen hergestellt wird.

Vermutlich haben die beiden Weltkriege dem Wort den Weg in den allgemeinen deutschen Sprachschatz geebnet. In Rudolf Stratz' Erinnerung zum ersten Weltkrieg liest man „Aber wir hatten ein Lesezimmer mit vielen — natürlich konservativen — Zeitungen zur Verfügung — ein Billardzimmer - einen Kasino-Speisesaal, in dem das Mittagessen der einfache Schlangenfraß war. Die Wochengerichte hießen schon: 'Toter Jude mit Zwiebeln' oder 'Alter Hund in Leichensauce'“ Dazu passt auch ebenfalls soldatischem Jargon entsprungener „Otternschleim“ (Ersatzkaffee), der nebst „Affenfett“ und „Kälberzähnen“ in den Mägen landete. Es dominiert in diesem Verständnis m.E. eindeutig der Ekel vor dem zum Vergleich herangezogenen Tier als Nahrungsmittel, während das bei Schweine- bzw. Hundefraß nicht der Fall ist – dort ist es der den Hausgenossen verabreichte Abfall der Quell der Abneigung. 1941 sinniert Ernst Jünger in den Strahlungen I: "Wie sind wir doch inzwischen weiter gesunken, und wie sind die Dinge köstlich geworden, vor denen Fromentin hier Ekel hat — das lederne Fleisch der Garküchen, der blaue Wein, der Schlangenfraß überhaupt."

Apropos Hundefraß - der geht nach einer nicht so bekannten Spruchtradition nicht einmal dem hündischen Diogenes unter die Nase:

Ἀλέξανδρος ὁ Βασιλεὺς πληρώσας ποτὲ ὀστέων πίνακα ἔπεμψεν Διογένει τῷ κυνικῷ˙ ὁ δὲ λαβὼν εἶπε˙ "κυνικὸν μὲν τὸ βρῶμα, οὐ βασιλικὸν δὲ τὸ δῶρον."[GNOM. VINDOB. 1; FLORIL. MONAC. 155; FLORIL. LEID. 145; COD. VAT. GR. 633 f. 121r; ARSEN. p. 94, 21-23; MAXIM. VIII 26].

"König Alexander füllte einmal eine Schale mit Knochen und schickte sie Diogenes, dem Hündischen (Kyniker). Der nahm sie in Empfang und sprach: Ein Hundefraß (Kynikerfraß), gewiss kein königliches Geschenk."

In der lat. Fassung liest sich das so:
"Alexander, rex Macedoniae discum ossibus refertum Diogeni Cynico misit: quem cum accepisset Diogenes: Est quidem, inquit, cibus Cynicus (i.e. caninus), sed domum minime regium."

Der Ausdruck „cibus cynicus“ hat sich nicht einmal bei bildungsbeflissenen Restaurantkritikern durchgsetzt.
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 07.08.2014 um 12:36 Uhr (Zitieren)
es
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 07.08.2014 um 12:37 Uhr (Zitieren)
durchgesetzt
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 07.08.2014 um 12:37 Uhr (Zitieren)
durchgesetzt
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 09.08.2014 um 10:31 Uhr (Zitieren)
Wenn Diogenes das Geschenk Alexanders als einem König nicht angemessen bezeichnet, so bezieht sich das wohl nicht nur auf dessen Wert.

In einem anderen Fall, da man ihm ein solches "Geschenk" machte und ihn als Hund behandelte, bestand seine Antwort darin, sich auch wie ein Hund zu verhalten:

Ἐν δείπνῳ προσερρίπτουν αὐτῷ τινες ὀστάρια ὡς κυνί˙ καὶ ὃς ἀπαλλαττόμενος προσούρησεν αὐτοῖς ὡς κύων. [Diog. Laert. 6, 46]
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 20.08.2014 um 23:15 Uhr (Zitieren)
Zitat von filix am 7.8.14, 12:35Der Ausdruck „cibus cynicus“ hat sich nicht einmal bei bildungsbeflissenen Restaurantkritikern durchgsetzt.

Das kann ja noch werden. Wird einem Ungenießbares als Wein angeboten, darf man es auch gut varronisch mit caninum prandium bezeichnen, einer Wendung, die bereits zu Zeiten Gellius' - der sie überliefert (13, 31) - außer Kurs geraten war.
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 21.08.2014 um 11:37 Uhr (Zitieren)
Das Kapitel Noctes Atticae 13,31 um einen selbstherrlichen "Philologen" mit Leseschwäche, der auf die Probe gestellt Varros Verwendung von caninum prandium interpretieren soll, spricht aber letztlich nicht von ungenießbarem Wein, sondern zunächst davon, dass c. p. eine Mahlzeit ohne Wein bezeichnete:

"prandium autem abstemium, in quo nihil vini potatur, caninum dicitur, quoniam canis vino caret" - "Ein nüchternes Mahl aber, bei welchem kein Wein getrunken wird, wird Hunde(mahl) genannt, da der Hund ja den Wein nicht vermisst."

Für den Vierbeiner ist das Menü auch ohne Weinbegleitung komplett. Varro, folgt man Gellius' Auslegung, überträgt diesen Ausdruck nun auf eine Art Wein, der in der diätisch-önologischen Systematik den Platz in der Mitte einnimmt:

"Cum igitur "medium vinum" appellasset, quod neque novum esset neque vetus, et plerumque homines ita loquantur, ut omne vinum aut novum esse dicant aut vetus, nullam vim habere significavit neque novi neque veteris, quod medium esset, et idcirco pro vino non habendum, quia neque refrigeraret neque calefaceret." - "Da er nun als Mittelwein (medium vinum) den bezeichnete, der weder neu noch alt war, und die meisten Menschen so sprachen, als gäbe es insgesamt nur entweder neuen oder alten Wein, so wollte er dadurch zum Ausdruck bringen, dass dieser Mittelwein weder die Kraft des alten noch des neuen Weins besitze, und daher überhaupt nicht als Wein gelten könne, da er weder kühle noch wärme."

Die ursprüngliche Bedeutung von c. p. für eine Mahlzeit ohne Wein scheint sich übrigens bis in Mittelalter gehalten zu haben: "Caninum prandium ministrasti - Wir haben kain wain nicht gehabt." books.google.de/books?id=5OEpZdm_Vz8C&pg=PA110
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 21.08.2014 um 13:46 Uhr (Zitieren)
Die gelliussche Auslegung des Varrozitats wird von neuzeitlichen Philologen abgelehnt:

"Varro sat. Men. 575 Büch. unterscheidet dem Mnesitheus folgend, vinum vetus, novum et medium. Novum refrigerare, vetus calefacere, medium esse prandium caninum. Schon Gellius, der uns das Fragment 13, 31, 14 erhalten hat, verstand den letzten Ausdruck nicht. Er forschte nach und erklärt dann prandium caninum für eine Mahlzeit ohne Wein und sucht hiermit die Stelle des Varro zu deuten. Alle Neueren von Erasmus an haben seine Ansicht angenommen, obwohl Gellius von § 16 an ausdrücklich nur die Resultate seiner Forschung giebt. Sollen wir diese Resultate annehmen ohne Nachprüfung? Jeder Unbefangene wird das Künstliche und Gesuchte der Erklärung des römischen Gelehrten bemerken: Der mittlere Wein ist eine Mahlzeit ohne Wein! Wir müssen vielmehr annehmen, daß prandium sowohl auf Speise als Trank anwendbar ist oder voraussetzen, daß der sprichwörtliche Ausdruck ursprünglich auf Speise angewendet, später übertragen und allgemein gebraucht wurde. Der mittlere Wein sei so schlecht, daß man ihn den Hunden vorsetze. Wir sagen auch ‚Hundefressen‘ allerdings nur von der Speise. Prandium für Fressen der Tiere, wie δαῖς bei Homer und Aeschylus, auch Plaut. Trucul. 3, 1, 2 (die andere von Georges angeführte Stelle Val. Max. 3, 7, 1 ist durch Zeugma zu erklären). Möglicherweise sind jedoch unter den canes gar keine Tiere gemeint, sondern die Cyniker, deren Bezeichnung durch canes ja keiner Belegstellen bedarf."

(Archiv für lateinische Lexikographie und Grammatik, 3. Jg., S. 68 f.)
https://archive.org/stream/archivfrlateini08wissgoog#page/n81/mode/1up

Unter vinum novum kann man wohl eine Art Federweißen verstehen, der als Erfrischungsgetränk dient (refrigerare), unter vinum vetus ausgegorenen Wein. Die Zwischenstufe fand damals offenbar keinen Zuspruch.

Zitat von filix am 21.8.14, 11:37Die ursprüngliche Bedeutung von c. p. für eine Mahlzeit ohne Wein scheint sich übrigens bis in Mittelalter gehalten zu haben: "Caninum prandium ministrasti - Wir haben kain wain nicht gehabt."

Dieses Zitat gibt keine mittelalterliche Redensart wieder, sondern entstammt einer Liste lateinischer Redensarten mit deutscher Übertragung, die einem Lateinlehrbuch von 1515 angehängt ist. Der Autor hat seiner Anthologie neben Jacob Wimpfelings Adolescentia die Adagia des Erasmus zugrundegelegt und wird mit diesem der gelliusschen Interpretation gefolgt sein.

https://archive.org/stream/zeitschriftfrde27unkngoog#page/n139/mode/1up
(2. v. u.)
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 21.08.2014 um 18:54 Uhr (Zitieren)
"Möglicherweise sind jedoch unter den canes gar keine Tiere gemeint, sondern die Cyniker, deren Bezeichnung durch canes ja keiner Belegstellen bedarf."


Das dürfte der erhellendere Ansatz sein. Denn, dass der Ausdruck so etwas wie Hundegesöff in Analogie zu Hundefraß bedeutet, scheint mir schon wegen der schlechten Verstoffwechslung von Alkohol beim Hund mit unerwünschten Folgen bis hin zum Tod zweifelhaft. Am Hundefraß hat das Tier hingegen ein zumindest mittelfristig ungefährliches Vergnügen, während der Mensch sich ekelt. Hinzu kommt, dass nach Gellius' Darstellung die auszulegende Stelle der Satire aus Varros "Wasserhund" (ὑδροκύων) stammt:
"Tum forte ego eum librum ex isdem saturis ferebam, qui hydrokyōn inscriptus est" - "Zufällig hatte ich ein Buch dieser Satiren bei mir, das den Titel Wasserhund trägt".
Die Prominenz kynischer Themen in Varros menippeischen Satiren hat ihm schon in der Antike den Titel des römischen Kynikers (cynicus Romanus) eingetragen. W. Desmond vermutet in ὑδροκύων "a reference to an abstemious Cynic". Wassertrinken ist ein in kynischen Lehren wiederkehrendes Thema:
"Many anecdotes portray the Cynics as resolute water-drinkers. Crates drank water and refused wine, and according to some reports, so did Diogenes (6.90). In one of Teles' fragments, Poverty says that she always provides for people's needs or "aren't the springs full of water?" (Stob. 3.1.98)".
Die Beziehung der Kyniker zum Wein ist vielfältig und widersprüchlich, das Spektrum reicht von Ablehnung mit dem Hinweis auf den drohenden Kontrollverlust durch Trunkenheit, die Unnatürlichkeit des menschlichen Produkts bis zum Spott über den Parasiten Diogenes, der, gefragt, welcher Wein ihm der liebste sei, antwortet: der eines anderen (i.e. jeder, den ein anderer bezahlt).

Wie passt das nun in den diskutierten Kontext?

Das von Gellius zitierte Fragment Varros behandelt mit Verweis auf den antiken Arzt Mnesitheos von Athen vorrangig medizinisch-therapeutische Wirkung der Weinarten, die nach Farben und Gärstufen eingeteilt werden:
„Non vides apud Mnesitheum scribi tria genera esse vini, nigrum, album, medium, quod vocant κιρρός, et novum, vetus, medium et efficere nigrum viris, album urinam, medium πέψιν? novum refrigerare, vetus calefacere, medium esse prandium caninum?" - „Weißt du nicht, dass bei Mnesitheos geschrieben steht, dass es drei Arten von Wein gebe: den dunklen, den hellen und einen mittleren/mittlerer Farbe, den sie κιρρός (gelborange) nennen, zudem den neuen, den alten und den mittleren/mittelalten (Wein), und dass der dunkle kräftigend wirke, der helle harntreibend und der mittlerer Farbe verdauungsfördernd? Dass der junge erfrische, der alte wärme, der mittelalte aber ein prandium caninum sei?"

Drückt die Kennzeichnung des vinum medium (in Bezug auf die Gärstufe), bei dem, so deine Vermutung richtig ist, es sich um Wein handelt, dessen alkoholische Gärung noch nicht vollständig beendet ist und der noch nicht von seiner Hefe getrennt ist, als caninum prandium aus, dass solchen nur ein Kyniker säuft, weil der alles bechert, was man ihm gratis einschenkt? Weil er fade und schwach in der Wirkung wie Wasser ist und auch von einem Kyniker, der Wein sonst ablehnt, bedenkenlos genossen werden kann?


Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 22.08.2014 um 17:15 Uhr (Zitieren)
Letzteres eher nicht. Schließlich wird der Mittelwein nicht ärmer an Alkohol als der neue sein, der dem Kyniker gemäß dieser Deutung ebenso untersagt wäre wie der alte.

Den Titel der Satire mit dem prandium caninum in Zusammenhang zu bringen, ist zwar naheliegend, aber gerade deshalb problematisch. Denn wie sollen wir die Schwierigkeit erklären, die Gellius und sein nebulo hatten, die Bedeutung des prandium caninum zu erschließen, wenn sie durch Titel und Inhalt der Satire darauf geradezu gestoßen worden wären?
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 22.08.2014 um 21:31 Uhr (Zitieren)
Gut, gilt das aber nicht für die von dir favorisierte Lesart allemal?

Denn dass Gellius, der einiges an Überlegung investiert zu haben behauptet ("Quid significet "prandium caninum", rem leviculam diu et anxie quaesivimus") nicht auf das Naheliegende, darunter Ungenießbares zu verstehen, kommt, ist nicht minder merkwürdig.

Sollte es nur darum gegangen sein, den nebulo durch eine contorta interpretatio besonders unfähig erscheinen zu lassen und den eigenen philologischen Scharfsinn zu demonstrieren?
Oder müssen wir annehmen, dass Gellius im 2. Jhdt. u. Z. einfach nicht (mehr?) wusste, was man Hunden so vorsetzte, bzw. dass ein derartiger abwertender Ausdruck für Nahrungsmittel (jenseits der hier in Rede stehenden Beziehung auf eine Art Wein) schlicht nicht geläufig war?
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 24.08.2014 um 12:14 Uhr (Zitieren)
Ich denke, mit der Abfassung einer Geschichte des Hundefutters im Alten Rom brauchen wir uns nicht aufzuhalten, geht es hier doch um bildliches Sprechen. Wenn ich etwas Widerliches als Hundefraß bezeichne, heißt das ja nur, dass ich es einem Hundefraß gleichsetze, nicht, dass ich es auch dazu verwenden will. Ebenso wird wohl niemand annehmen, an der Tafel des Zeus sei Götterspeise gereicht worden.

Das betrifft auch die Frage, ob die Phrase letztlich auf die Kyniker ziele oder nicht. Denn mit ihrer Verächtlichmachung als Hunde (unabhängig davon, ob dies die wirkliche Herkunft des Namens ihrer Schule erklärt), mit der man auf ihre Absetzung von den in der Polis herrschenden Verhaltensnormen reagierte, wird auch die Speise der Kyniker zu der von Hunden und ebenso widerlich.

Zitat von filix am 22.8.14, 21:31Denn dass Gellius, der einiges an Überlegung investiert zu haben behauptet ..., nicht auf das Naheliegende, darunter Ungenießbares zu verstehen, kommt, ist nicht minder merkwürdig.

Ich kann nur spekulieren. Vielleicht hatte er sich an dem in seltsamer Antithese zum Attribut stehenden Bezugswort prandium festgebissen. Tieren serviert man gewöhnlich kein Frühstück (bzw. Brunch). Und die nächst vorliegender einzige Stelle in der Literatur, die der oben zitierte Artikel anführt (Plaut. Truc. 646), erweist zwar den hohen Status, den das Rind unter den Haustieren genoss, lässt aber die Verwendung des Wortes im Zusammenhang mit dem Hund umso seltsamer erscheinen.
Re: Was Pferde so fressen...
filix schrieb am 24.08.2014 um 14:51 Uhr (Zitieren)
Mit der Geschichte des Hundefutters in der Antike wollte ich mich nicht aufhalten, aber es bleibt rätselhaft, warum Gellius nicht darauf kommt, darin einen abwertenden Ausdruck für dem Menschen Ekelhaftes zu erkennen, das man gleichwohl dem Hund vorsetzt. Wenn auch bildhaft gebraucht, bleibt diese Fütterungspraxis bzw. die daraus folgende menschliche Bewertung das sinnliche Fundament des Ausdrucks.
Da wir nicht bezahlt werden, schlage ich vor, es dem nebulo gleichzutun. :)
Re: Was Pferde so fressen...
Φιλομαθής schrieb am 25.08.2014 um 17:50 Uhr (Zitieren)
So wollen wir es machen.
 
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