Ich kann diese Bedeutung von μένος im LSJ nicht finden. Weiß jemand etwas darüber?
Re: μένος
Φιλομαθής schrieb am 21.12.2014 um 23:43 Uhr (Zitieren)
Das ist kein Wunder. Das in der Fußnote angeführte Archilochos-Fragment (196a West), das nach Ansicht von H. Flashar und K. Maurer die lyrische Umsetzung eines feuchten Traums bildet, ist erst 1974 veröffentlicht worden.
Die entscheidenden, letzten Verse lauten: [ἅπαν] τε σῶμα καλὸν ἀμφαφώμενος | [θερμ]ὸν ἀφῆκα μένος ξανθῆς ἐπιψαύ[ων τριχός].
Für sich genommen lässt das Fragment zu, in dem fraglichen Wort μένος eine metonymische Einsetzung von "[Mannes]kraft" für "Sperma" zu erblicken, wie dies etwa die Übersetzung von K. Steinmann (Ffm. 1998) tut: "Und [ganz] ihren schönen Leib um und um betastend, | schleuderte [warm] ich meine Kraft heraus, streichelnd ihr blondes [Haar]."
Ebenso wird μένος in den Solon-Versen (9 West: ἐκ νεφέλης πέλεται χιόνος μένος ἠδὲ χαλάζης [...]), die Plutarch überliefert (Solon 3), meist auf die Wirkung von χιών und χάλαζα bezogen (in K. Zieglers Übersetzung: "Aus der Wolke kommt die Fülle des Schnees und des Hagels, ...").
Wenn wir aber das Archilochos-Fragment danebenstellen und berücksichtigen, dass Solon in seinem Gedicht erste naturwissenschaftliche Kausalitäten publiziert, wird plausibel, dass er mit μένος wohl den Ursprung, also den "Samen" von Schnee und Hagel bezeichnet, die Übersetzung demnach zu lauten hat: "Aus der Wolke entspringt der Same von Schnee und Hagel."
Von hier ließe sich der hermeneutische Zirkel zurückschlagen zum Archilochos-Fragment, wo μένος dann nicht als Metonymie, sondern in der nun erschlossenen Bedeutung "Same" stände.
Re: μένος
Γραικίσκος schrieb am 22.12.2014 um 16:10 Uhr (Zitieren)