Zur Vermittlung des Orientierungsrahmens einer sachlich-nüchternen Standardsprache der Prosa nehmen für das Attische der klassischen Zeit Platon und Xenophon eine ähnlich herausragende Stellung ein wie Cicero und Caesar für das Lateinische. Eine solche "Normalsprache" bildet eine Folie, vor der Stilphänomene wie Manierismus, Brevitas, Archaismus, Vulgarismus etc. überhaupt erst wahrnehmbar werden, ebenso diachrone und soziale Ausprägungen der Sprache, sie stellt aber keine Wertung im Sinne eines besseren oder schlechteren Lateins oder Griechisch dar.

Das bedeutet ja unter anderem: nicht Homer.

Es klingt mehr nach einem Ausgangspunkt als nach einer Norm.
Cicero aber scheint in der Latinistik eine schlechthin gültige Norm zu sein - bis hin zu dem Punkt, daß man fragen kann, ob Cicero überhaupt ein sprachlicher Fehler unterlaufen konnte, weil die Art, wie er schreibt, per definitionem vorbildliches Latein ist.

Zitat von Γραικίσκος am 31.7.15, 17:25

Das bedeutet ja unter anderem: nicht Homer.

Nein, Epen dichten steht nicht mehr auf dem Lehrplan. Als sprach- und stilkritische Grundlage ist die homerische Kunstsprache auch denkbar ungeeignet. (Obwohl es ein amerikanisches Lehrbuch gibt [Clyde Pharr: Homeric Greek, Oklahoma 1985], das den Griechischunterricht generell mit Homer beginnen lassen will.)

Soll das heißen, daß Homer im Griechischstudium nicht mehr oder nur in nicht-prüfungsrelevanter Weise im Griechischstudium vorkommt?

Nein, das sollte nur heißen, dass dt.-gr. Stilübungskurse sich auf die Sprache Platons und Xenophons beschränken. (Meist Rückübersetzung von deutschen Übersetzungen).