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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine Frage des passenden Zitats (712 Aufrufe)
Φιλομαθής schrieb am 25.10.2015 um 18:58 Uhr (Zitieren)
[...] Παρὰ Διονυσίῳ δὲ τῷ τῆς Σικελίας τυράννῳ [...] ἐσθῆτος Πλάτωνι καὶ Ἀριστίππῳ τοῖς φιλοσόφοις προσενεχθείσης ὁ μὲν Πλάτων ἀπεπέμψατο, εἰπὼν

«οὐκ ἂν δυναίμην θῆλυν ἐνδῦναι στολήν
ἄρρην πεφυκώς»,

ὁ δὲ Ἀρίστιππος προσήκατο, φήσας

«καὶ γὰρ ἐν βακχεύμασιν
οὖσ᾿ ἥ γε σώφρων οὐ διαφθαρήσεται.»

οὕτω καὶ τῶν σοφῶν ᾧ μὲν οὐκ αἰσχρὸν ᾧ δὲ αἰσχρὸν ἐδόκει τοῦτο εἶναι.
Re: Eine Frage des passenden Zitats
Φιλομαθής schrieb am 26.10.2015 um 20:36 Uhr (Zitieren)
Der Auszug stammt aus den Πυρρώνειοι ὑποτυπώσεις (3, 204) des Sextus Empiricus. Im Ganzen lautet der Abschnitt wie folgt:
Ὥσπερ οὐδὲ ἀνθοβαφῆ καὶ ποδήρη τις ἄρρην ἐνταῦθα ἂν ἀμφιέσαιτο ἐσθῆτα, καίτοι παρὰ Πέρσαις εὐπρεπεστάτου τοῦ παρ᾿ ἡμῖν αἰσχροῦ τούτου δοκοῦντος εἶναι. καὶ παρὰ Διονυσίῳ δὲ τῷ τῆς Σικελίας τυράννῳ τοιαύτης ἐσθῆτος Πλάτωνι καὶ Ἀριστίππῳ τοῖς φιλοσόφοις προσενεχθείσης ὁ μὲν Πλάτων ἀπεπέμψατο, εἰπὼν «οὐκ ἂν δυναίμην θῆλυν ἐνδῦναι στολήν ἄρρην πεφυκώς», ὁ δὲ Ἀρίστιππος προσήκατο, φήσας «καὶ γὰρ ἐν βακχεύμασιν οὖσ᾿ ἥ γε σώφρων οὐ διαφθαρήσεται.» οὕτω καὶ τῶν σοφῶν ᾧ μὲν οὐκ αἰσχρὸν ᾧ δὲ αἰσχρὸν ἐδόκει τοῦτο εἶναι.

Ebenso (ὥσπερ) zöge sich (ἂν ἀμφιέσαιτο) ein Mann (τις ἄρρην) bei uns (ἐνταῦθα) auch nicht (οὐδὲ) ein blumenfarbiges und fußlanges (ἀνθοβαφῆ καὶ ποδήρη) Gewand (ἐσθῆτα) an. Wobei sich das Ebengesagte erweist (τούτου δοκοῦντος): obgleich es bei den Persern (καίτοι παρὰ Πέρσαις) zum Allernormalsten (εὐπρεπεστάτου) gehört (εἶναι), ist es bei uns etwas Unanständiges (τοῦ παρ᾿ ἡμῖν αἰσχροῦ). Und (καὶ) als nun (δὲ) unter Dionysos (παρὰ Διονυσίῳ), dem Tyrannen über Sizilien (τῷ τῆς Σικελίας τυράννῳ), den Philosophen Platon und Aristipp (Πλάτωνι καὶ Ἀριστίππῳ τοῖς φιλοσόφοις) solch ein Gewand (τοιαύτης ἐσθῆτος) überbracht worden war (προσενεχθείσης), schickte (ἀπεπέμψατο) Platon (ὁ μὲν Πλάτων) es zurück mit den Worten (εἰπὼν): «Nicht könnte ich (οὐκ ἂν δυναίμην), als Mann geboren (ἄρρην πεφυκώς), ein Frauengewand (θῆλυν ... στολήν) anlegen (ἐνδῦναι).» Aristipp hingegen (ὁ δὲ Ἀρίστιππος) ließ es sich gefallen (προσήκατο), indem er sagte (φήσας): «Denn auch (καὶ γὰρ) bei Bakchosfesten (ἐν βακχεύμασιν) wird die, die durchaus beherrscht ist (οὖσ᾿ ἥ γε σώφρων), sich nicht verführen lassen (οὐ διαφθαρήσεται).» Also (οὕτω) schien (ἐδόκει) auch unter den Weisen (καὶ τῶν σοφῶν) dies (τοῦτο) dem einen (ᾧ μὲν) nicht unanständig (οὐκ αἰσχρὸν), dem anderen (ᾧ δὲ) unanständig (αἰσχρὸν) zu sein (εἶναι).

Die beiden Philosophen begründen ihr Verhalten jeweils mit einem Zitat aus den Bakchen des Euripides. Auch wenn die Begebenheit legendenhaft sein mag, scheint hier, wie ich meine, eine wesentliche Funktion des Theaters in der Antike auf: nämlich der Bürgerschaft einer Stadt für jenen Bereich des Zusammenlebens, der nicht durch schriftlich fixierte Gesetze geregelt war, eine Kasuistik an die Hand zu geben, mit der sich Verstöße gegen die Norm verteidigen ließen.

Der entscheidende Punkt dieser Anekdote liegt nämlich nicht, wie Sextus meint, darin, dass das Tragen eines Frauengewands von dem einen für ein αἰσχρόν angesehen wird, von dem anderen dagegen nicht, hierin also ein ἀδιάφορον exemplifiziert werden soll, sondern darin, dass beider Verhalten mit einem Verstoß gegen die Verhaltensregeln ihres Kollektivs verbunden ist: der Platon der Anekdote weist ein Gastgeschenk zurück und muss daher sein Benehmen durch das Tragödienzitat rechtfertigen. Ebenso sieht aber auch Aristipp, anders als Sextus behauptet, seine Entscheidung das Gewand anzulegen nicht für οὐκ αἰσχρόν an, sondern hält eine Rechtfertigung durch Berufung auf das Drama für notwendig.

Dass manche Dramentexte der Antike nur noch auf diese Funktion reduziert wurden, mag der Grund dafür sein, dass aus ihnen Sammlungen von Einzelversen wie die Monosticha des Menander oder die Sententiae des Publilius Syrus zusammengestellt wurden, die schließlich alles waren, was von ihnen übrig blieb.
Re: Eine Frage des passenden Zitats
filix schrieb am 27.10.2015 um 22:19 Uhr (Zitieren)
Unterzieht die Anekdote nicht implizit die σωφροσύνη einem Belastungstest, wobei eine Pointe darin läge, dass gerade der, der ihren Begriff ausführlich behandelt hat, Platon nämlich, hier schneller als sein Gegenüber an die Grenzen dessen geführt wird, was sie ins besonnene Maß, das die Aufrechterhaltung der Ordnung garantiert, zu bringen vermag?

Den Philosophen wird ja durch das Geschenk ein Angebot zur Überschreitung der sich hier in Kleidungsweisen manifestierenden Trennlinie der Geschlechter gemacht. Platon sieht sich anscheinend schon durch die bloße Aussicht auf ein wenig cross-dressing vom Kontrollverlust über die soziale Erscheinungsform seiner Geschlechtsidentität bedroht und lehnt mit über das Tragödienzitat vermitteltem Verweis auf sein angeborenes männliches Geschlecht (ἄρρην πεφυκώς) das Angebot ab.

Aristipp hingegen, der übrigens mit denselben Versen in den Deipnosophistai des Athenaios das Baden in Parfum (XII, 554) und bei Diogenes Laertios das Tanzen in purpurfarbenen Frauenkleidern (II,8), also ähnlich gelagerte Handlungen, lizenziert , vertritt durch seine Zitatwahl eine Position, die diese transgressive Erfahrung, die durch den Vergleich mit bacchantischer Entgrenzung (ἐν βακχεύμασιν) auch ihm als Ausnahmezustand, als Herausforderung des gesellschaftlich Akzeptablen erscheint, prinzipiell zuzulassen vermag und die Entscheidung über die Unanständigkeit dieses Tuns in die Fähigkeit zur Selbstbeherrschung, besonnenen Maßhaltung (οὖσ᾿ ἥ γε σώφρων) des die Grenze überschreitenden Individuums in einen Spielraum jenseits des biologischen Geschlechts verlegt.

Die Gefährlichkeit läge dabei nicht im Anziehen der Frauenkleider als Verstoß gegen die sichtbare Ordnung, sondern in dem alten Topos von der leichten Verführbarkeit, dem schwachen Widerstand, die die ganz der Sphäre der Sinnlichkeit angehörende Frau ausmachten und die eigentliche Grenze markierten , die der Mann, will er nicht aufhören, einer zu sein, auch im geblümten Fußlangen nicht überschreiten darf.

Re: Eine Frage des passenden Zitats
Φιλομαθής schrieb am 28.10.2015 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Ja, das ist nicht von der Hand zu weisen. Wenn man die bei Diog. Laert. 2, 78 (danke für den Hinweis!) überlieferte Fassung der Anekdote betrachtet, erhält die Äußerung Aristipps tatsächlich eine stärkere Prägnanz als in Sextus' Version, wo durch den Bezug auf die Tracht der Perser der Eindruck vermittelt wird, hier würde tatsächlich nur die Frage verhandelt, ob man sich der regionalen Kleiderordnung unterwerfen solle oder nicht. Sextus versucht ja zu erweisen, dass in solchen Fragen Urteilsenthaltung (έποχή) angeraten sei.

Dass der Tyrann sich hier als Tyrann zeigt (er befiehlt: κελεύσαντος Διονυσίου) und seine Philosophengäste zu demütigen versucht, wird nur bei Diogenes erkennbar. Und so wird man in der Weigerung Platons, sich an dem Tanz im Purpurgewand zu beteiligen, eher den Willen, dem Tyrannen die Stirn zu bieten, erkennen wollen, als die Furcht, die Selbstbeherrschung zu verlieren. Aristipp freilich unterstellt mit seinem Zitat genau dies und provoziert die Deutung, die du dargestellt hast.
 
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