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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Minotaurus (946 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 08.05.2016 um 21:59 Uhr (Zitieren)
Ich empfehle als Lektüre:
Georgi Gospodinov
Physik der Schwermut
Graz/Wien 2014

Dieser ungewöhnlich geschriebene Roman ("Bei Romanen lege ich auf die Reinheit des Genres keinen Wert. Romane sind nicht arisch.") hat - vor allem in der ersten Hälfte - viel mit der Antike, spez. mit dem Minotaurus-Mythos, zu tun.
Re: Minotaurus
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2016 um 12:26 Uhr (Zitieren)
Gospodinov hat übrigens einmal recherchiert, in welcher Form Vater-Kind-Beziehungen in griechischen Mythen auftreten. Der Befund ist ernüchternd: In aller Regel trachten die Väter ihren Kindern nach dem Leben; oft fressen sie sie sogar auf.
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 16.05.2016 um 15:01 Uhr (Zitieren)
Da ist es wahrscheinlich ähnlich wie bei der Liebe: Glückliche Liebe schreibt keine guten Geschichten.

Woher stammt eigentlich Dein Zitat? Von Dir?
Re: Minotaurus
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2016 um 15:29 Uhr (Zitieren)
Nein, nicht von mir. Und: ich hatte es aus dem Gedächtnis zitiert. Wörtlich:
Die reinen Genres interessieren mich nicht besonders. Der Roman ist kein Arier.

Gospodinov gibt es als Zitat eines gewissen Gaustín aus ("Roman und Nichts"); allerdings habe ich den Verdacht, daß er diesen Autor fingiert hat, d.h. daß das Zitat eigentlich von ihm, Gospodinov, selber stammt. Jedenfalls schreibt er seinen "Roman" nach dieser Maxime. Es werden verschiedenartige Teile (Anekdoten, Reflexionen, Berichte usw.) zusammengefügt, und eine eigentliche Handlung existiert nicht. Ein Thema aber wohl: das verlassene Kind. So hat er es selber erlebt, und so deutet er den Minotaurus. Gospodinov hat sogar eine etruskische Vase ausfindig gemacht, auf der das Minotaurus-Kind à la Maria und Jesus auf dem Schoß seiner Mutter sitzt - ein Säugling mit dem Kopf eines Stieres (a.a.O., S. 77). Die Gestik der Mutter deutet er so, daß sie im Begriff sei, ihr Monster-Kind zu verlassen.
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 16.05.2016 um 15:49 Uhr (Zitieren)
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 16.05.2016 um 16:02 Uhr (Zitieren)
Ich mag Zitate, die von fiktiven Figuren stammen, aber so tun, als entstammten sie in der Realität.

Ist Gaustín eine Figur von Gospodinov?
Re: Minotaurus
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2016 um 16:46 Uhr (Zitieren)
Ja, genau dieses Bild!
Daß Gaustín eine von Gospodinov ausgedachte Figur ist, nehme ich an.
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 16.05.2016 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Fällt Dir etwas dazu ein, wie Vater-Kind-Beziehungen in moderner Literatur behandelt werden?

Mir fällt zuerst natürlich Kafka ein, Abithema war gerade auch Stamms "Agnes", "Mao" habe ich mal gelesen. Da fressen die Väter ihre Kinder nicht, aber gut kommen sie nicht weg.
Re: Minotaurus
Φιλομαθής schrieb am 16.05.2016 um 21:50 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 16.5.16, 12:26Gospodinov hat übrigens einmal recherchiert, in welcher Form Vater-Kind-Beziehungen in griechischen Mythen auftreten. Der Befund ist ernüchternd: In aller Regel trachten die Väter ihren Kindern nach dem Leben; oft fressen sie sie sogar auf.

Gibt er einen Überblick über das Ergebnis seiner Recherche? Auf Anhieb fällt mir als Kinderfresser nur Kronos ein. Tantalos war natürlich auch schlimm. Und Herakles, ja, der auch (wenn auch unfreiwillig). Aber was mir sonst ins Gedächtnis kommt an mythischen Vätern, hatten die meisten doch zumindest das Wohl ihrer Kinder im Auge.
Re: Minotaurus
Γραικίσκος schrieb am 16.05.2016 um 23:02 Uhr (Zitieren)
S. 79 f. schreibt er das, was er einen "unvollständigen Katalog" nennt:

1. Kronos mit Hestia, Demeter, Hera, Hades, Poseidon und einem Stein anstelle von Zeus.
2. Zeus mit seiner Frau Metis und der in ihrem Leib versteckten, mitverschluckten Athene.
3. Der Thrakerkönig Tereus mit seinem Sohn Itys (Itylos) - unwissentlich, durch seine Mutter und seine Tante dem Vater zum Mahl vorgesetzt.
4. Tantalos und Pelops.
5. Lykaon, der Zeus, um ihn auf die Probe zu stellen, seinen Enkel Arkas als Speise vorsetzte.
In dieser Liste werdet ihr nicht die vom Minotaurus gefressenen jungen Männer und Frauen finden - ich glaube nicht an diesen Teil des Mythos. Außerdem sind Stiere Pflanzenfresser.

Gospodinov meint, dem Minotaurus sei dergleichen nur unterstellt worden, um seine Abschiebung als Kind nachträglich zu rechtfertigen.
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 17.05.2016 um 15:42 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 16.5.16, 23:02um seine Abschiebung als Kind nachträglich zu rechtfertigen

Gospodinov ist lustig, weil er wohl denkt, es handele sich um tatsächlich Ereignisse.

Zitat von Γραικίσκος am 16.5.16, 12:26In aller Regel [...]; oft [...] sogar
und dann eine Liste von fünf Vätern? Kommen vielleicht nicht so viele Väter in der griechischen Mythologie vor?
Re: Minotaurus
Γραικίσκος schrieb am 17.05.2016 um 16:17 Uhr (Zitieren)
Welche ausgestalteten Vater-Kind-Beziehungen gibt es denn noch in der griechischen Mythologie?
Bei Agamemnon und seinen Nachkommen geht es ja nicht darum, wie der Vater sich gegenüber seinen Kindern verhält. Schon bei Ödipus kommen die Eltern ja nicht so gut weg.
Re: Minotaurus
Hylebates schrieb am 17.05.2016 um 16:27 Uhr (Zitieren)
Die zwei sind mit auch eingefallen. Hatte er das denn so gedacht, dass das Thema des Mythos die Beziehung ist?
Re: Minotaurus
Φιλομαθής schrieb am 17.05.2016 um 17:16 Uhr (Zitieren)
Danke erst einmal für die Auskunft. Gospodinov scheint die Kategorie "filialer Kannibalismus" etwas weiter gefasst zu haben. Athene ist ja noch nicht einmal gezeugt, da die künftige Mutter von Zeus verschlungen wird. Tantalos und Lykaon vollziehen ein Sohnesopfer, das eventuell (wie bei Abraham) nur von sehr tiefer Gottesfurcht zeugt, aber nicht unbedingt von einem Mangel an Vaterliebe. Für Tereus war die Mahlzeit, die Prokne ihm vorsetzte, eine grausame Strafe.

Wie der Minotauros hierbei einzuordnen ist, ist mir noch nicht ganz klar, denn Minos ist ja nicht sein Vater und die geopferten Jünglinge und Jungfrauen stammten aus Athen, also aus einem feindlichen Staat.

Klar, man kann an die in einem Roman geäußerten Theorien nicht denselben Maßstab anlegen, wie an eine Abhandlung. Aber Gegenbeispiele zu Vätern, die ihre Kinder am liebsten tot sehen wollen, gibt es doch so zahlreiche, dass man die genannte These vielleicht als Red Herring zu betrachten hat. Zeus z. B. zeigte sich doch meist recht fürsorglich gegen seine Nachkommen (Minos war einer von ihnen). Man denke auch an Odysseus und Telemach. Oder Priamos und seine Söhne. Oder Daidalos und Ikaros.

(Vielleicht sollte man zwei konkurrierende Threads "Gute Väter" vs. "Üble Väter in der griech. Mythologie" aufmachen und am Ende vergleichen.)
 
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