Ich habe mir, in der Hoffnung, auch als Nicht-gräzist mein Griechisch nie in einem Bedauernswerten Maße zu verlernen, die "Griechischen Stilübungen" aus dem Universitätsverlag Winter gekauft und fleißig begonnen. Jetzt habe ich schon am gleich zu Beginn eine Frage – die ersten Sätze sind im Lösungsteil noch nicht so ausführlich kommentiert.
Der zu übersetzende Satz ist:
"Das Streben nach Ruhm ist oft der Anfang von Unrecht und Gottlosigkeit."
Kommentar zur Lösung: "ἀρχή erhält hier keinen Artikel, weil es Prädikatsnomen ist."
Das mit dem Prädikatsnomen glaube ich mal. Meine Frage wäre nun die nach dem Artikel von δόξης, der in der Lösung nicht gesetzt wurde. Liegt der Grund dafür vielleicht darin, dass es sich nicht um wirklichen Besitz im eigentlichen Sinne handelt?
Φιλομαθής schrieb am 01.10.2016 um 10:42 Uhr (Zitieren)
Φιλομαθής τῷ Λέοντι χαίρειν.
Nein, um Besitz handelt es sich in der Tat nicht. Der Genitiv ist ein gen. obiectivus (ἐπιθυμία ist ein Verbalsubstantiv), zeigt also das Ziel einer Handlung an. Aber mit dem fehlenden Artikel hat das nichts zu tun. Δόξα, αδικία und ἀσεβεία stehen hier als rein abstrakte Begriffe. Deshalb werden sie ohne Artikel gebraucht. Die deutsche Vorlage hat hier übrigens auch keine Artikel.
Und ich hätte gerade, abgesehen davon, tatsächlich noch eine Frage:
Ich suche mich doof nach einem Ausdruck für: "etwas beenden". Ich habe den Eindruck, dass παύω das aufhören bezeichnet, aber ohne unbedingt zum Ende gekommen zu sein. τελευτάω finde ich nur mit nominalen Objekten, aber nicht mit Infinitiv. Gibt es eine gängigen Ausdrucksweise um etwa zu sagen: "Er redete zu Ende", "Er laß (den Text) fertig", …? Lg
Re: Stilübung
Γραικίσκος schrieb am 01.10.2016 um 12:51 Uhr (Zitieren)
Dazu finde ich keinen Beleg mit Verbum, nur mit nominalem Anschluss (etw. fertigstellen, perfektionieren,…) :/
Re: Stilübung
Φιλομαθής schrieb am 02.10.2016 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Ich denke, dass es, wenn ausgedrückt werden soll, dass eine Handlung zum Ende gekommen bzw. fertig ausgeführt worden ist, vielfach genügt, die Formen des Perfektstamms zu verwenden. Παύεσθαι + Part. kann aber durchaus auch (mit einer Handlung) zum Ende kommen meinen:
Re: Stilübung
Φιλομαθής schrieb am 03.10.2016 um 11:53 Uhr (Zitieren)
Ich sehe gerade, dass die Übersetzung nicht dem Text entspricht: ich hatte den Text von Bernardakis benutzt, der mit Wyttenbach δὲ σιωπῶν statt δ᾿ ἐσιώπων liest.
Vielen Dank für diese Stelle!
Darf ich fragen, weshalb man da emendiert? Ist eine Variante "unschöneres" Griechisch?
Lg
Re: Stilübung
Φιλομαθής schrieb am 03.10.2016 um 13:23 Uhr (Zitieren)
Ich finde, die Lesart mit Partizip σιωπῶν wirkt deutlich pointierter, passt also besser zu dem, wofür die Spartaner (bzw. Lakonier) bekannt sind: die lakonische Ausdrucksweise.
Das Imperfekt ἐσιώπων hätte natürlich auch seine Berechtigung: Agis' Schweigen als Hintergrundhandlung, während der Gesandte im Fokus des Geschehens (Aorist) steht. Und dabei hätte es doch eigentlich umgekehrt sein sollen.