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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Aristoteles über φιλία; Funktion der Verbaladjektive (768 Aufrufe)
EURAnalyst schrieb am 04.10.2016 um 20:09 Uhr (Zitieren)
Seid gegrüßt, Altgriechischfreunde!

Aristoteles, Nicomachische Ethik, Ende des Buches 8, 1163b:

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διὸ κἂν δόξειεν οὐκ ἐξεῖναι υἱῷ πατέρα ἀπείπασθαι, πατρὶ δ᾽ υἱόν: ὀφείλοντα γὰρ ἀποδοτέον, οὐδὲν δὲ ποιήσας ἄξιον τῶν ὑπηργμένων δέδρακεν, ὥστ᾽ ἀεὶ ὀφείλει. οἷς δ᾽ ὀφείλεται, ἐξουσία ἀφεῖναι: καὶ τῷ πατρὶ δή. ἅμα δ᾽ ἴσως οὐδείς ποτ᾽ ἂν ἀποστῆναι δοκεῖ μὴ ὑπερβάλλοντος μοχθηρίᾳ: χωρὶς γὰρ τῆς φυσικῆς φιλίας τὴν ἐπικουρίαν ἀνθρωπικὸν μὴ διωθεῖσθαι. τῷ δὲ φευκτὸν ἢ οὐ σπουδαστὸν τὸ ἐπαρκεῖν, μοχθηρῷ ὄντι: εὖ πάσχειν γὰρ οἱ πολλοὶ βούλονται, τὸ δὲ ποιεῖν φεύγουσιν ὡς ἀλυσιτελές.
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Olof Gigon übersetzt (ISBN 978-3-7608-1725-5):
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Darum scheint es auch nicht richtig zu sein, daß ein Sohn sıch von seinem Vater lossagt, wohl aber umgekehrt. Denn wer schuldet , muß zurückgeben, kein Sohn aber hat mit dem, was er tut, die Wohltaten vergolten, so daß er also immer schulden wird. Wer aber Gläubiger ist, darf entlassen, und so auch der Vater. Außerdem wird sich wohl keiner von seinem eigenen Sohn trennen, wenn dieser nicht über alles Maß hinaus schlecht ist (denn abgesehen von der natürlıchen Liebe ıst es menschlich, eine Hilfe nicht von sich zu stoßen). Wenn der Sohn aber schlecht ıst, wird er dieses Helfen meiden oder sich doch nicht dafür anstrengen. Denn die Leute wollen gern Gutes erfahren, aber Gutes zu tun meiden sie, weil es keinen Gewinn bringt.
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Bei den Verbaladjektiven "φευκτὸν ἢ οὐ σπουδαστὸν" ist mir hier deren Funktion nicht klar. Nach Ars Graeca 202, 1 bezeichnen die Verbaladjektive auf -τός 1. das Vollzogene und
2. das Vollziehbare, beides trifft für mich hier nicht zu.

Könnte mich ein Sachkundiger bitte aufklären?

Vielen Dank im voraus.
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Zu ἀποστῆναι sei noch angemerkt, dass ἀφεστήξω im Pape nicht enthalten ist, wohl aber bei LSJ Middle Liddell mit der Bedeutung
"shall be absent, away from", obwohl es u. a. auch bei Plato vorkommt.
Re: Aristoteles über φιλία; Funktion der Verbaladjektive
Φιλομαθής schrieb am 05.10.2016 um 00:13 Uhr (Zitieren)
Zitat von EURAnalyst am 4.10.16, 20:09Bei den Verbaladjektiven "φευκτὸν ἢ οὐ σπουδαστὸν" ist mir hier deren Funktion nicht klar. Nach Ars Graeca 202, 1 bezeichnen die Verbaladjektive auf -τός 1. das Vollzogene und
2. das Vollziehbare, beides trifft für mich hier nicht zu.

Ich denke schon, dass die Verbaladjektive hier zur Bezeichnung des "Vollziehbaren", also dessen, was vollzogen werden kann, dienen. (In der Negation wird daraus dann natürlich das, was nicht vollzogen werden muss.)

Hilfsübersetzung des Problemsatzes: Aber in den Augen dessen, der verworfen ist (τῷ δὲ ... μοχθηρῷ ὄντι) <ist> das Helfen (τὸ ἐπαρκεῖν) etwas Vermeidbares (φευκτὸν) bzw. ohne Eifer Betreibbares (ἢ οὐ σπουδαστὸν).

Zitat von EURAnalyst am 4.10.16, 20:09Zu ἀποστῆναι sei noch angemerkt, dass ἀφεστήξω im Pape nicht enthalten ist

Die Grundform, unter der das Lexem geführt wird, ist ἀφίστημι:
http://www.zeno.org/Pape-1880/A/%E1%BC%80%CF%86-%CE%AF%CF%83%CF%84%CE%B7%CE%BC%CE%B9
Re: Aristoteles über φιλία; Funktion der Verbaladjektive
EURAnalyst schrieb am 05.10.2016 um 18:41 Uhr (Zitieren)
Besten Dank, Φιλομαθής , für die schnelle ausführliche Klarstellung. Mit einem Mal gefallen mir sogar die genannten Verbaladjektivformen. Denn möglicherweise deutet Aristoteles damit an, dass ein kleines Restgewissen den μοχθηρὸς ὤν vom Gedanken der radikaleren Version φευκτέον ἢ οὐ σπουδαστέον abhält. :)
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Dank auch für den Link zum Pape. In meiner Ausgabe von 1954 steht das auch so.
Re: Aristoteles über φιλία; Funktion der Verbaladjektive
Φιλομαθής schrieb am 07.10.2016 um 22:27 Uhr (Zitieren)
Zitat von EURAnalyst am 5.10.16, 18:41Denn möglicherweise deutet Aristoteles damit an, dass ein kleines Restgewissen den μοχθηρὸς ὤν vom Gedanken der radikaleren Version φευκτέον ἢ οὐ σπουδαστέον abhält.

Das heißt freilich auch, dass für Aristoteles ein Sohn bereits als μοχθηρός galt, wenn er es auch nur im Bereich des Möglichen liegen sah, seinen Vater einmal nicht mit allem Eifer zu unterstützen. Das sind hohe Anforderungen an Nikomachos - auch wenn ungeklärt ist, ob wirklich der Sohn des Aristoteles oder doch sein Vater oder ein ganz anderer zum Namensgeber des Werks wurde.
Re: Aristoteles über φιλία; Funktion der Verbaladjektive
EURAnalyst schrieb am 10.10.2016 um 20:16 Uhr (Zitieren)
Danke, Φιλομαθής, für diesen lehrreichen Nachtrag.
 
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