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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
wanax (1036 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 05.02.2017 um 15:06 Uhr (Zitieren)
Das letzte Heft der Reihe "Spektrum Archäologie - Geschichte - Kultur" (4.16) befaßt sich mit den Ereignissen um das Jahr 1200 v.u.Z. herum: "Das dramatische Ende der Bronzezeit".

Unter anderem wird darin behandelt die Frage der Regierungsform in den mykenischen Gemeinschaften, von denen Paläste in Südgriechenland (das "Löwentor" von Mykene) und auf Kreta bekannt sind.
Die Stellung Agagmemnons in der "Ilias" scheint klarzustellen: Monarchie.
Die archäologischen Befunde dazu sind jedoch alles andere als klar.

Zwar gibt es in diesen Palästen regelmäßig ein Megaron, einen Thronsaal mit steinernem Thron, flankiert von gemalten Gottheiten, aber:
- in etlichen Fällen (Mykene, Pylos, Tiryns) gibt es daneben zweite, kleinere Thronsäle, deren Funktion ungeklärt ist;
- die Mykener haben keine Darstellungen von Königen hinterlassen, auch keine Reliefs, die ihre Taten verherrlichen; bei dargestellten thronenden Personen handelt es sich vielmehr um Göttinnen, vor denen manchmal Männer stehen, die Stäbe (Szepter?) in der Hand tragen;
- Schriftzeugnisse in Linear B enthalten durchweg kurze verwaltungstechnische Notizen, bezogen auf das laufende Jahr, keine historischen Schilderungen;
- die Funktionen eines eventuellen "Herrschers" sind unklar: Priester, Heerführer, Richter, Verwaltungsspitze oder mehreres davon zugleich?;
- manche Paläste legen nahe, daß es gleichzeitig mehrere autonome regionale Zentren (Kleinkönige?) gab, während andere (Mykene, Midea, Tiryns) so dicht beieinander liegen, daß eine solche Deutung unwahrscheinlich ist.

Eine Information könnten in den Linear-B-Texten verwendete Titel geben. Ein häufig vorkommender ist der "wanax" - ein Terminus der linguistisch dem griechischen ἄναξ entspricht (verwendet auch in Namen wie Hipponax, Anaximenes und Anaximander). Letzteres ist die Anrede für einen Gott oder einen menschlichen Herrscher.
Indogermanischen Ursprungs ist das Wort nicht. Ist es minoischen Ursprungs? Ist das Amt samt dem Konzept eines Palastes aus Kreta importiert worden? Das könnte hilfreich sein, wenn man Näheres über das kretische Regierungssystem wüßte.
Es könnte auch phrygischen Ursprungs sein, wo es ein "vanaktei" gibt. Ein phrygischer Text nennt neben dem "vanaktei" einen "lavagtaei", was vermutlich dem mykenischen "lawagetas" entspricht, wo es den ranghöchsten mykenischen Beamten nach dem "wanax" bezeichnet und gewöhnlich als "Heerführer" übersetzt wird.

Mögliche Deutung für die mykenische Kultur:
- wanax: höchster amtierender Priester,
- lawagetas: Heerführer.

Komplizierte Sache, ein bißchen wie eine Orientierung im Nebel.
Re: wanax
Φιλομαθής schrieb am 05.02.2017 um 20:31 Uhr (Zitieren)
In der Tat eine schwierige Materie, von der ich leider fast gar nichts weiß. Aber ist es tatsächlich so unwahrscheinlich, dass die Burgen Mykene, Midea und Tiryns, trotz der räumlichen Nähe zueinander, Sitz eines Monarchen gewesen sind? Bei Homer erschienen ja z. B. aus dem kleinen Boiotien fünf gleichberechtigte Herrscher vor Troja (Il. 2, 494 f.). Und das mythische Volk der Phaiaken soll gar von 13 Königen beherrscht worden sein (Od. 8, 390 f.).
Re: wanax
Γραικίσκος schrieb am 05.02.2017 um 23:30 Uhr (Zitieren)
Ausgeschlossen ist das nicht; aber als wahrscheinlicher gilt den Archäologen wohl, daß Mykene die Hauptresidenz und Tiryns die zum Herrschaftsgebiet gehörende Hafenstadt war.
Sicher ist da nichts.

Allerdings hatte ich den Eindruck, daß Homer den Archäologen nicht als ernsthafte Quelle für diese Fragen gilt.

Im Grunde ist auch ungeklärt, warum all diese Kulturen (inkl. der hethitischen) um 1200 v.u.Z untergegangen sind.
Ramses III. macht in einer berühmten Inschrift dafür "Völker, die im Meer leben" verantwortlich.
Auch dies erscheint den Archäologen als nicht sehr plausibel, jedenfalls nicht als Hauptfaktor.
Eine Erdbebenwelle, dazu ein Klimawandel gelten als wichtigere Faktoren.

Kann es sein, daß Archäologen Schriftquellen prinzipiell mißtrauisch gegenüberstehen?
Re: wanax
Φιλομαθής schrieb am 06.02.2017 um 11:01 Uhr (Zitieren)
Was man ihnen im Falle von Homer ja auch nicht verdenken kann. Aber einen Teil der Zunft scheint die Aussicht, die Angaben Homers vielleicht doch bestätigen zu können, immerhin zu beflügeln, wie wir an der vor einigen Jahren medienwirksam ausgetragenen Debatte zwischen Korfmann und Kolb beobachten konnten.

Den Zusammenbruch der spätbronzezeitlichen Kulturen hat das kürzlich auf Deutsch erschienene populärwissenschaftliche Buch 1177 v. Chr.* von Eric Cline zum Thema. (Du hast es wahrscheinlich schon im WBG-Katalog gesehen.) Aufklärung über die Ursachen des Kollops' kann es wohl nicht bringen, liefert aber, dem Rezensenten Lukas Bohnenkämper zufolge, eine fesselnd zu lesende Zusammenfassung des aktuellen Forschungsstandes.

Die ganze Rezension hier:
http://www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-26239

* Noch ein Buch mit einem Jahreszahlentitel ... Derzeit offenbar ein massiver Trend - oder doch nur Einfallslosigkeit?
Re: wanax
Φιλομαθής schrieb am 06.02.2017 um 12:37 Uhr (Zitieren)
Kollops' (da hat wohl z. T. der Magen mitgeschrieben) > Kollapses
Re: wanax
Γραικίσκος schrieb am 07.02.2017 um 00:41 Uhr (Zitieren)
Das Buch steht schon bei mir, allerdings noch ungelesen.

"Kollops" ist eine schöne Kreation.
Re: wanax
Philomathes schrieb am 07.02.2017 um 13:02 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 7.2.17, 0:41Das Buch steht schon bei mir, ...

Hätte ich mir ja eigentlich denken können.
 
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