Eben die Entzifferung von Linear B war es ja, die zu einer Neubewertung des Dionysoskultes im Hinblick auf sein Alter im griechischen Kulturraum führte. Seinerzeit schrieb Walter F. Otto (Theophania, Hamburg 1956, S. 113): "Dionysos ist dem Homerischen Epos wohl bekannt, aber für die vom Geiste der Athene beseelten Heldengeschlechter hatte er begreiflicherweise wenig zu bedeuten, so daß er weder in der Ilias, noch in der Odyssee eine lebendige Rolle spielt. Das bedeutet aber nicht, daß er den Griechen erst in späteren Jahrhunderten wirklich nahe getreten ist, wie man gewöhnlich glaubt. Wissen wir doch jetzt, daß er schon in der Mitte des zweiten Jahrtausends vor Chr. in Kreta von den Griechen verehrt worden ist."

Und T. B. L. Webster (Von Mykene bis Homer, München 1960, S. 70 f.) teilt eine Deutung Karl Kerényis mit, die aus der Tatsache, dass auf Pylostäfelchen PY Xa 102 der Name des Dionysos (di-wo-nu-so-jo, im Genitiv also) und auf Knossostäfelchen KN Gg 702 eine 'Herrin des Labyrinths' da-pu₂-ri-to-jo / po-ti-ni-ja genannt werden, schließt, dass in der mykenischen Kultur Dionysos und seine Braut Ariadne als Götter verehrt worden seien.

Da habe ich wohl eine Forschungsentwicklung verschlafen.