Γραικίσκος schrieb am 29.10.2018 um 18:21 Uhr (Zitieren)
Im Großen Historischen Weltatlas, herausgegeben vom Bayerischen Schulbuchverlag, Erster Teil: Vorgeschichte und Alterum (München 1953) findet sich auf Seite 9 die Karte "Die bekannte Erde im 2. Jh. n. Chr.";
dort wird die Insel Sumatra als Agathodaemonis Insula bezeichnet, wobei mich zunächst überrascht hat, daß sie zur Zeit des Imperium Romanum überhaupt schon bekannt war.
Dazu finde ich nun aber weder eine Bestätigung in irgendeinem neueren historischen Atlas noch überhaupt eine Erwähnung, z.B. im Neuen Pauly, oder eine Quellenangabe.
Weiß jemand etwas über den Ursprung dieser Bezeichnung?
Re: Agathodaemonis Insula
filix schrieb am 29.10.2018 um 20:47 Uhr (Zitieren)
Ptolemaios erwähnt in Geogr. 7,2,27 eine Insel dieses Namens, die in der Neuzeit offensichtlich von manchen mit Sumatra identifiziert wurde. Zur Liste der Kandidaten vermerkt J. Oliver Thomson in History of Ancient Geography: "The isle of Agathodaemon has been sought from Little Andaman (Yule) to Sumatra." Die Sache verkompliziert sich dadurch, dass der in der Geographike Hyphegesis (um 150 n.) auftauchende Kartenzeichner ebenfalls Agathodaemon (von Alexandria) heißt, er hat aber wohl nichts mit dem Eiland zu tun.
Re: Agathodaemonis Insula
Γραικίσκος schrieb am 30.10.2018 um 13:53 Uhr (Zitieren)
Daher also. Ptolemaios hat eine Liste von geographischen Namen hinterlassen, und Forscher äußern Vermutungen, worauf einzelne Namen sich beziehen.
Ich glaube, der "Historische Atlas der antiken Welt" des Neuen Pauly hat keine Karte zum Weltbild der Antike; und bei den "Land- und Seerouten im 1./2. Jh. n. Chr." taucht Sumatra nicht auf.
Danke für die Auskunft.
Re: Agathodaemonis Insula
filix schrieb am 02.11.2018 um 21:01 Uhr (Zitieren)
Ptolemaios hat ja nicht nur Namenslisten hinterlassen, sondern auch Koordinaten. Das Problem ist, dass die aus vielen Gründen unzuverlässig sind und dies umso eher, je weiter die bezeichneten Orte von Europa entfernt liegen, wo Ungenauigkeiten der Projektion sich mit fehlerhaften Informationen aus dritter Hand verbinden, von Abschreibefehlern ganz zu schweigen.
Re: Agathodaemonis Insula
Γραικίσκος schrieb am 02.11.2018 um 23:45 Uhr (Zitieren)
Ja, von dieser Erfindung der Koordinaten habe ich gelesen. War ein vielseitiger Mensch, der Klaudios Ptolemaios. Schade, daß sich sein Weltsystem nicht bewährt hat, sonst hätten wir den Griechen noch etwas mehr zu verdanken.
Ein unbedarfter Mensch würde heute sagen: "Daß die Sonne sich um die Erde dreht, das ist Fakt, das sieht man doch!" Man kann auch mit 'Fakten' nicht vorsichtig genug sein.
Re: Agathodaemonis Insula
Φιλομαθής schrieb am 06.11.2018 um 18:13 Uhr (Zitieren)
Immerhin waren es Griechen, durch die sich Kopernikus nach eigener Auskunft in seinem Zweifel am geozentrischen Weltbild bestärken ließ. In der Widmung an Papst Paul III., die De revolutionibus orbium coelestium vorangestellt ist, heißt es:
Für ein heliozentrisches Weltbild, wie das von Kopernikus und vor ihm von Aristarchos von Samos entwickelte (von dem Kopernikus wohl nichts wusste), tritt zwar keiner der angeführten Naturphilosophen ein. Beim Modell des Philolaos aber steht die Erde zumindest nicht im Zentrum des Kosmos.
Der "alte Pauly", sprich die Realencyclopädie, hingegen enthält einen Artikel über die Insel, allerdings unter dem Stichwort Ἀγαθοῦ δαίμονος νῆσος*. Hier wird außer auf Ptolemaios auch auf den anonymen Geographen von Ravenna verwiesen, der die Insel ebenfalls anführt**, sowie auf das geographische Lexikon des Stephanos von Byzanz, wo man eine Erklärung des Namens erhält: τὸ ἐθνικὸν κατὰ τέχνην ἐξ Ἀγαθοῦ δαίμονος διὰ τὸ ἄπορον ("Der geographische Name <wurde> mit Hintersinn vom Guten Daimon <hergenommen>, aufgrund der Unwirtlichkeit <der Insel>.").
Γραικίσκος schrieb am 07.11.2018 um 14:48 Uhr (Zitieren)
Stimmt, Aristarch kennt bereits ein heliozentrisches Weltbild.
Die Zuordnung zu Sumatra ist aber neuzeitlich? So habe ich filix verstanden.
Sumatra können die Griechen doch allenfalls durch Berichte aus zweiter oder dritter Hand 'gekannt' haben.
Re: Agathodaemonis Insula
Φιλομαθής schrieb am 07.11.2018 um 20:58 Uhr (Zitieren)
Klaudios Ptolemaios führt an der von filix mitgeteilten Stelle einige im Meer hinter Indien gelegene, teils von Anthropophagen bewohnte Inseln an und nennt (was filix ja ebenfalls bereits erwähnt) zu diesen z. T. auch die Koordinaten. Die Lage der Insel des Guten Daimon wird auf Äquatorhöhe (ἰσημερινός) und 145¼° ö. L. (nicht von Greenwich, sondern von den Inseln der Seligen, also vermutlich den Kanaren, aus) verortet. Aufgrund der Tatsache, dass auch Sumatra am Äquator liegt, wurde es mit Ἀγαθοῦ δαίμονος νῆσος identifiziert.
Während man zur Bestimmung des Längengrads auf ziemlich komplexe technische Hilfsmittel (wie exakte Schiffschronometer) angewiesen ist, kann der Breitengrad auf der Nordhalbkugel einfach aus der Höhe des Polarsterns abgelesen werden. Ob man sich am Äquator befindet (von wo aus der Polarstern nicht mehr über dem Horizont sichtbar wird), kann man leicht daran erkennen, dass dort Tag und Nacht das ganze Jahr über gleich lang sind (weshalb dieser Breitengrad eben ἰσ-ημερινός heißt). Die Angabe des Breitengrads darf also für etwas vertrauenswürdiger als die des Längengrads gelten.
Über wie viele Ecken die Information an Ptolemaios gelangte, weiß man freilich nicht. Aus seiner Zeit aber hat sich beispielsweise der Periplus Maris Erythraei erhalten, der genaue Kenntnis der indischen Küste erkennen und auf regelmäßige Handelsfahrten vom Mittelmeer nach Ostasien schließen lässt.
Re: Agathodaemonis Insula
Γραικίσκος schrieb am 08.11.2018 um 16:38 Uhr (Zitieren)