filix schrieb am 10.11.2018 um 22:54 Uhr (Zitieren)
In Krieg ohne Schlacht erzählt Heiner Müller u.a. von den Irrwitzigkeiten der literarischen Zensur in der DDR.
Konflikte mit staatlichen Stellen drehten sich dabei nicht nur um Sprachregelungen (wer etwa Oktoberumwälzung statt Oktoberrevolution schrieb, war schon verdächtig), sie betrafen auch „verderbliche“ Einflüsse antiker Textstellen, selbst wenn diese der, folgt man der Darstellung des Dramatikers, von den Führungseliten sehr zwiespältig gesehene Brecht und seine Entourage beackert hatten. Zahlreiche seiner Texte erschienen daher zunächst bei Suhrkamp, ehe sie in der zensierten Version des Aufbau-Verlags auf die Bürger des Arbeiter-und-Bauern-Staates losgelassen wurden:
Ob es bei dieser Anleitung Hesiods um ideale klimatische Bedingungen für die beschriebenen Tätigkeiten geht oder um Fruchtbarkeitsmythen, ist anscheinend bis heute umstritten.
Re: Hesiod in der DDR
filix schrieb am 10.11.2018 um 22:58 Uhr (Zitieren)
Korr.: ... des sogenannten Certamen Homeri et Hesiodi (selbst ein Art Übungsstück) ...
Re: Hesiod in der DDR
Φιλομαθής schrieb am 11.11.2018 um 21:06 Uhr (Zitieren)
Etwas unfair, dass Müller den blinden Homer gegen Hesiod ausgerechnet in einem Wettlauf antreten lässt.
Re: Hesiod in der DDR
filix schrieb am 11.11.2018 um 21:31 Uhr (Zitieren)
:D Allerdings. Den Titel des Brechtschen Übungsstückes hat jedoch nicht H. Müller zu verantworten, den fand ich in einer Ausgabe von Sinn und Form aus 1957. Womöglich spielte da der Wettlauf von Odysseus und Ajax hinein, in der Großen kommentierten Berliner und Frankfurter Ausgabe, von der ich nur wenige Bände habe, heißt es natürlich korrekt Wettkampf ....
Re: Hesiod in der DDR
Γραικίσκος schrieb am 12.11.2018 um 14:27 Uhr (Zitieren)
In der Bundesrepublik, etwa bei den populären Ausgaben antiker Klassiker im Wilhelm Goldmann Verlag, behalf man sich bei sittlich kritischen Stellen damit, sie unübersetzt zu lassen.
An dergleichen erinnere ich mich etwa bei Juvenals Satiren.
Re: Hesiod in der DDR
Φιλομαθής schrieb am 13.11.2018 um 13:49 Uhr (Zitieren)
Tragisch kann man es auch nennen, dass der dichtende Funktionär Becher den expressionistischen Dichter weitgehend aus der allgemeinen Wahrnehmung verdrängt hat, zumindest wenn man einem brieflich mitgeteilten Urteil Gottfried Benns von 1952 trauen darf: "Johannes R. Becher war in seinen jungen Jahren einer der begabtesten Lyriker meiner Generation. Sein Buch Triumph und Verfall war großartig, es hatte geniale Züge."
Re: Hesiod in der DDR
filix schrieb am 13.11.2018 um 13:58 Uhr (Zitieren)
Diese einstige Bedeutung spiegelt sich auch in dem spöttischen Vers "Der Becher geht so lange zum Bronnen bis er Brecht."
Re: Hesiod in der DDR
Φιλομαθής schrieb am 13.11.2018 um 14:19 Uhr (Zitieren)
Das ist hübsch. Wobei es am Ende Bronnen war, der mindestens einmal zu oft das Regime, dem er sich andiente, gewechselt hatte.