Soll wohl heißen: „habet in manu/manibus“ - das Grundproblem bei der Auflösung solcher historischer Rätsel ist, dass man beseelt davon, hinter das Geheimnis zu kommen, dazu neigt, nach allem, was irgendwie zu passen scheint, zu greifen und es montiert, darüber aber bald historischen Kontext, Sprachgebrauch, Abkürzungskonventionen und die mögliche Intention des Verfassers vergisst, ja auch gar nicht mehr auf das Bild selbst schaut.
Einige Beispiele für Fragen, die das Gemälde - eine hochauflösende Reproduktion findet sich hier:
http://tinyurl.com/n2wgs7a - nicht aus den Augen verlieren:
Wenn doch „PAV“ klar mit einem Doppelpunkt abgegrenzt, zwischen „QUE“ und „I“ ein trennender Mittelpunkt steht, warum sollte dann „HIM“ nicht als Abkürzung durch entsprechende Zeichen gekennzeichnet sein?
Finden sich überhaupt Punkte nach „C“ bzw. „V“ am Ende?
Wirkt das zweite „E“ in „WOE“ im Vergleich mit dem in „QUE“ nicht anders, zudem hineingeflickt? Muss mit einer späteren, eventuell unkundigen „Verbesserung“ gerechnet werden? ...
Dem Zweifel an Jan Woezer schließe ich mich an. Dass der auf dem Bild von 1515 Vierzig- bis Fünfzigjährige, der ganz offensichtlich als Gelehrter dargestellt ist, 22 Jahre später in seinen Sechzigern als Briefbote fungiert und sonst keinerlei Spuren, sei es in Form von eigenen Schriften, Briefen oder Zeugnissen in den Archiven von Institutionen, hinterlassen hat, erscheint wenig glaubhaft.
Kursorische Anmerkungen:
a) Die Kandidaten Hundt:
Die Familienverhältnisse der Hundts dürften komplizierter sein, als bisher dargestellt.
Im Archiv der Universität Leipzig findet sich in der urkundlichen Quelle
Matrikel der Philosophischen Fakultät (Liber decanatuum et promotorum in artibus) auf Seite 74 des Digitalisats -
http://tinyurl.com/kpnot3q (Anmeldung erforderlich) - eine Darstellung dreier gelehrter Hundts, die sich um das Familienwappen versammelt haben.
Es handelt sich um „Jurista m<a>g<iste>r Andreas“, „T<h>eologus et Medicus doctor Magnus“ (der Ältere) und „ Medicus m<a>g<iste>r magnus Hundt“ (der Jüngere).
Das Wappen, welches das namensgebende Tier und eine Hausmarke/ein Sippenzeichen zeigt, hat bis auf die Farbgebung des oberen Feldes große Ähnlichkeit mit dem auf dem „Epitaph von Martin Hundt" (vor diesem, der kniend als Stifter erscheint) dargestellten.
Die Abbildung im Lib. dec. ist wahrscheinlich zwei Jahre nach dem Tod Magnus' Hundt d. Ä. (1449 - 1519) entstanden, auf der folgenden Seite heißt es unter dem Titel „decanatus V<e>n<erabi>lis Vir d<o>m<ini> Magni“ nämlich:
„Anno domini m<illesim>o Quingentesimo vicesimo primo Sabbato ante Georgij festu<m> que fuit vigesima dies Aprilis Magnus Hundt Pathenopeus artiu<m> Magister Ducalis Collegij Collega Medice artis studios<u>s Nationis Saxonice rite et co<n>cordi magistror<um> consensu ac voto in facultatis artiu<m> decanu<m> electu<s> est“
Unter den drei Herren informieren holprige Distichen den Leser mit allerlei Wortspielen im Stil neuzeitlicher Gelehrtendichtung über die Verwandtschaftsverhältnisse:
„Ad Lectorem
Tres fuerant olim celebres heus Parthenopei
Sanguineo iuncti foedere Lector erant
Nomen prim<us> habet patris, fratrisq<ue> secu<n>dus
Filius ex illis tertius esse potest
Magno nomen erat Patri, quid: filius inde
Hoc clarum Patris nu<n>c sibi nomen habet
Magnus erat genitor, magnus q<uoque> filius ipse
Dispeream si non magnus uterque fuit
Esse putes Patris genitum de sanguine natum
Ah moriar patruus ni fuit ille sibi“
b) Zwar gilt
Don’t judge a book by its cover, dennoch kann man mit der nötigen Vorsicht einige Überlegungen zu dem Attribut in den Händen des Dargestellten anstellen, das seinen Inhalt durch kein Schriftzeichen verrät.
Es besitzt auf dem Deckel angebrachte halbkugelförmige Beschläge und einen ornamentierten, goldverzierten Schnitt.
Einen solchen mit Buckeln oder Ziernägeln bewehrten und vergoldetem/ornamentiertem Schnitt ausgestatteten Folianten halten in Cranachs Werk etwa Zebedäus (mit den Zügen Johannes des Beständigen) auf dem rechten Flügel „Die Heilige Sippe“ (1509), der Hl. Bartholomäus auf Friedrich der Weise in Verehrung der apokalyptischen Muttergottes (um 1515), derselbe Heilige auf dem Altar der Katharinenkirche in Zwickau (1517/18) – hier stimmt sogar das Ornament am Schnitt mit dem des Buches auf dem in Frage stehenden Bildnis überein -, der Engel als Symbol des Evangelisten Matthäus auf dem Werkstattbild Laienaltar, linker Standflügel (15-18-20), der Hl. Jacobus auf dem Altar der Katharinenkirche in Zwickau, rechter Flügel (1518), der Hl. Wilibald in bischöflichem Ornat auf dem Bildnis Gabriel von Eybs (1520) in ihren Händen. Es taucht also dieser Buchtyp in eindeutig sakralen Bildkontexten auf, wobei anzunehmen ist, dass es sich um die Hl. Schrift selbst oder wenigstens eminent religiöse Werke handelt.
Vergleicht man es mit dem Buch auf dem 1502 von Cranach gemalten Bildnis des Humanisten Johannes Cuspinian, der als Dichter, Philologe und Diplomat hervorgetreten ist, antike und mittelalterliche Texte aus Handschriften ediert und der Verbreitung durch den Buchdruck zugeführt hat - „omnes bibliothecas evolvo, ut annales [die Chroniken Cassiodors] ab interitu vindicem, qui multa saecula Iatuerunt“ - , fällt der Unterschied sofort ins Auge:
Der vergleichsweise schmucklose Band ist ein Exemplar des modernen Renaissancebuchs, ohne prunkvolle Verzierung des Deckels, Schnitts und ohne Beschläge, die in der Epoche, da das Buch nicht mehr liegend gelagert und handlicher wird, langsam ihren funktionalen Sinn einbüßen (und noch einige Zeit als Ausstattungsgimmick fortleben).
Es weist ihn als neuzeitlichen Gelehrten aus, der nicht andächtig in die Lektüre versunkener Glaubender ist und auch auf anderem Gebiet arbeitet.
Unter diesen Gesichtspunkten liegt es , denke ich, nahe, den Dargestellten auf dem Porträt von 1515 zunächst eher unter den Theologen zu vermuten, wobei er nicht ausschließlich sich als solcher hervorgetan haben muss.
c) Zu Kulis Stelle(n) aus Paulus: An welcher Ausgabe der Vulgata sind die überprüft worden?