Ich hätte gern für eine Diplomfeier folgenden Satz auf Latein:
Die Menschheit und die Menschlichkeit bedeuten stetige Entwicklung und ihre tragende Säule von größter Bedeutung für sie ist der Geist des Ingenieurs.
Wer kann mir bitte helfen?
"Die Menschheit (als Quantität) und die
Menschlichkeit (das „Menschsein“, die Qualität)
unterliegen einer stetigen Entwicklung,
deren tragende Säule,
die von größter Bedeutung für diese ist,
der Geist des Ingenieurs ist."
Bonifatius hat Menschheit mit Mortalitas übersetzt. Gewagt! Wie wäre es mit: Homines (Menschheit als Quantität).
„bedeuten stetige Entwicklung“ = „unterliegen stetiger Entwicklung“ = progressus inerrabilis sunt: Da muss ich drüber nachdenken.
Bibulus, was sagst Du zu Bonifatius' Übersetzung?
@ Bibulus
Die Menschheit und die Menschlichkeit bedeuten stetige Entwicklung [...]
-> „unterliegen einer stetigen Entwicklung“
Wären das nicht dann zwei verschiedene „Paar Schuh“?
Ich hatte das folgendermaßen interpretiert:
Die Menschheit und die Menschlichkeit bedeuten stetige Entwicklung, d.h sie „stellen dar“ oder „bewirken“, bzw. genauer : deren Handlungen, Taten und deren Forschungsdrang
Vielleicht ließe sich dann mit „efficere“ arbeiten. ;)
Du hattest übersetzt:
„sind Entwicklung“
efficere heißt: „bewirken Entwicklung“ -
und ich weiß immer noch nicht richtig, was Babs meint. Trifft es das?
Homines humanitasque progressu constanti affecti sunt et eius columen maximae gravitatis animus ingeniarii est.
Ich musste lange nachdenken und bin noch nicht zufrieden, muss aber gleich los.
Babs: Menschen und Menschlichkeit werden von ein stetiger Entwicklung beeinflusst und ihre Säule von größter Wichtigkeit ist der Geist des Ingenieurs.
Was meinst Du?
@Arborius,
du weißt doch, der Lateiner liebt solche Wortspiele:
allerdings habe ich das „summa“ hier nicht richtig überstezt:
„columna maxima“ -> „die größte Säule“ (im realen Sinne)
vielleicht auch
„columna altissima“
Ergänzung:
Was ich sagen will ist,
daß die Menschheit und die Menschlichkeit aus
sich selbst und durch eigenen „inneren“ Antrieb
heraus und nicht durch „äußere“ Kräfte angestoßen
eine stetige Entwicklung nehmen...
Das ist sehr philosophisch - meinst Du, Babs will das so? Die Säule, der Antrieb dieser Entwicklung ist der Geist des Ingenieurs. Der ist zwar menschlich, aber ist er nicht für die Menschheit und Menschlichkeit eine äußere Kraft?
Soweit ich gelernt habe, gibt es einen feinen Unterschied zwischen Abl. und Gen. qual., den der Römer aber nicht strikt einhält.
@ Babs
Ich habe insgesamt Schwierigkeiten mit der gesamte Satzaussage.
Das klingt so, als ob die Geisteskraft der Ingenieure DIE tragende Säule für die Entwicklung ist.
Formale Schwierigkeit:
Eine Säule ist etwas Statisches, Entwicklung etwas Dynamisches. Passt nach meinem Dafürhalten nicht zusammen.
Ich würde die Geisteskraft eher als den „Motor “ für die Entwicklung..bezeichnen.
Aber- was noch wichtiger ist:
Es klingt so, als ob der Ingenieursgeist als ganz wesentlicher Teil zur menschlichen Entwicklung und zur Menschlichkeit beiträgt.
Ob man diese Aussage so tätigen kann ?
Ingenieurskunst hat auch schon viel zur Unmenschlichkeit beigetragen...
Irgendwie müsste der Satzt anders formuliert werden.
Fragt sich nur, wie!
Irgenwie muss das - meiner Meinung nach - anders formuliert werden.
Lieber Bibulus!
Es tut mir leid, aber ich kann mit dem Satz, um den es hier geht, so ganz und gar nichts anfangen. Im Grunde ergeht es mir wie Hilde, nur schlimmer.
Da ich stark unter Arbeitsdruck stehe und keine Zeit habe, meine Gedanken zu explizieren, lasse ich Lew. N. Tolstoij (aus „Flucht und Tod“) für mich sprechen:
Für mich geht es im Leben um Liebe, Schönheit, Tod. Und ich sehe nicht, was Technik bzw. Ingenieure dazu beitragen ... von Fortschritt zu schweigen. Die Liebe war zu Catulls Zeiten nicht anders als heute, die Schönheit nicht weniger schön, der Tod nicht bitterer.
Ein andermal vielleicht mehr!
eine Anmerkung:
Zunächst ging es mir um die korrekte und
durchdachte Formulierung des Gedankens
von Babs und dessen richtige Übersetzung.
Allerdings muß ich auch zugeben,
daß die inhaltliche Bedeutung
nicht ohne Probleme ist,
anderseits bin ich mir auch bewusst,
daß ohne Ingeneurleistungen
unser jetziges Leben,
einschließlich ‚internet‘ nicht möglich wäre...
Vielleicht sollte man den gesamten Satz als Wunsch ausdrücken.
Zum philosophischen Aspekt soviel:
Gibt es einen äußeren Anstoß für die Evolution an sich?
Ich hoffe, daß Graeculus demnächst ein wenig mehr Zeit hat...
;-)
Klarer Fall! Handys, Internet, alles Ingenieursleistungen. Wir kommunizieren, was das Zeug hält. Aber ich frage mal mit Tolstoij: Was kommunizieren wir da eigentlich?
Folgendes habe ich kürzlich in der S-Bahn gehört: „Hi! Ich bin’s! Ich sitz jetzt in der S-Bahn. Hab 10 Minuten Verspätung ... Was? ... Ja! Alles Klar! Hau rein, Alter!“
Und sowas surrrt milliardenfach durch den Äther.
Als Jugendlicher habe ich „Das Gespräch eines Mannes mit seinem Ba“ gelesen, 4000 Jahre alt, aus Ägypten. Ich habe mir damals schon gedacht: Welchen Fortschritt hat es demgegenüberin der Literatur gegeben bis hin zu, sagen wir, Heinrich Böll?
Kürzlich habe ich das älteste in Europa erhaltene Gemälde gesehen. Eine Höhlenmalerei, 30000 Jahre alt. Es stellt Löwen dar. Großartig. Man könnte es ohne weiteres für ein expressionistisches Werk halten, von Franz Marc z.B.
Fortschritt?
Nicht bei Schönheit. Und in der Liebe? Ich denke an ein paar ägyptische Gedichte („Sieben Tage sah ich die Geliebte nicht“). Nein, auch nicht.
Und sterben müssen wir immer noch. Aber immerhin können wir bei unserer Beerdigung „My way“ als Konserve abspielen lasse, während früher noch die Hinterbliebenen selber singen mußten.
Kennst Du „I Don’t Need No Doctor“ von Ray Charles?
Der Text ist fast wörtlich der des ägyptischen Gedichtes „Sieben Tage sah ich die Geliebte nicht“. Dabei nehme ich nichtmal an, daß Ray dieses Gedicht kannte. Es ist einfach - über 4000 Jahre hinweg - dasselbe Gefühl, derselbe Ausdruck!
"I’ve been too long away from my baby,
Now I’m coming down with the misery."
Ich meine, darum beschäftigen wir uns doch hier & heute noch mit diesem alten Kram - weil sich das Wesentliche nicht geändert hat. Gäbe es einen Forschritt im Wesentlichen, dann müßten wir doch heute lächelnd auf diese römischen & sonstigen antiken Kindsköpfe herabsehen.
Was? Fünfstöckige Insulae gab es in Rom? Heute bauen wir 500 Meter hohe Häuser!
Gewiß. Aber in diesen Häusern wird genauso wie früher um Macht gepokert, um Geld, es werden Kinder gezeugt, es gehen Liebesbeziehungen in die Brüche oder eben nicht.
Und darauf kommt es an.
Ich hätte neben Schönheit, Liebe & Tod auch noch Macht und Besitz nennen können, but that’s not my cup of tea.
Der Wille zur Macht?
Und in dieser Hinsicht vergrößern Ingenieure natürlich unser Potential enorm. Aber statt sich ihm hinzugeben, diesem Willen zur Macht, sollte man über ihn sehr kritisch nachdenken, meine ich mit Tolstoij. Dabei aber helfen uns keine Ingenieure. Wohl aber (auch) antike Autoren: Aischylos, Thukydides, um mal zwei zu nennen.
Aber Schluß für heute! Auf ein andermal.
Gut Dich zu kennen übrigens, Bibulus.
woher kommt der Antrieb zur „Evolution“?
im Grunde genommen hätten die Archebakterien doch zufrieden sein können,
denn sie sind ja in Wahrheit die „Unsterblichen“...
Danke für eure Ausführungen
.
Graeculus, deine beiden Literaturzitate treffen genau mein Unbehagen an dem anstehenden Satz. nur habe ich es so nicht auf den Punkt bringen können...
Und wo du Heinrich Böll ins Gespräch bringst:
Zu Schulzeiten hatten wir mal einen Text von ihm,„Fluchtversuch in den Himmel“ oder so ähnlich, in dem sich Böll ganz kritisch mit der Raumfahrt und der Landung auf dem Mond auseinandersetzte.Da sah er diesen Glauben an die Technik als Verdrängung der Probleme, die wir hier auf der Erde alle noch nicht gelöst haben.
haben.
Jetzt haben wir nur hoffentlich Babs nicht verschreckt.
Was wir nicht aus den Augen verlieren sollten:
Es geht um eine Diplomfeier, für einen oder mehrere Ingenieure vermutlich. Und da soll natürlich der Beitrag der Ingenieurskunst für das öffentliche und private Leben gewürdigt werden.
Und das halt in angemessener Weise.
Vielleicht kommen wir zusammen mit Babs ja zu einer Aussage, der alle zustimmen können.
An Hilde:
Man muß noch bedenken, daß beide Autoren - also Tolstoij und Nestroy - vor den großen Katastrophen der technischen Zivilisation im 20. Jhdt. geschrieben haben: dem 1. und 2. Weltkrieg.
Um wieviel größer sollte unsere Skepsis heute sein!
Deinem zweiten Abschnitt stimme ich uneingeschränkt zu. Wir sollten unsere Hilfe nicht auf diejenigen Sätze beschränken, die das Innere unseres eigenen Herzens ausdrücken. Natürlich ziehen wir irgendwo eine Grenze (z.B. bei Gewaltverherrlichung), aber nicht bei einer Diplomfeier für Ingenieure.
Vielleicht könnte Babs sich noch einmal melden, welche Formulierung sie nun ihrem Satz geben möchte und ob z.B. die metaphorisch für einen Entwicklungsprozeß gänzlich unpassenden Säulen durch eine andere, dynamischere Metapher ersetzt werden sollen.