Wenn man die ganze Strophe übersetzen will, bleibt einem wahrscheinlich nichts anderes übrig, als „an diesem ... Tag“ zu übersetzen. (Ich hatte zufällig gerade das Problem.) Denn den Nominativ kann man in dem Satz eigentlich nicht gebrauchen:
Lacrimosa dies illa,
Qua resurget ex favilla
Judicandus homo reus:
Huic ergo parce, Deus.
Dieser tränenreiche Tag,
an dem aus der Asche aufersteht
der angeklagte Mensch, der verurteilt werden muss:
verschone also diesen, Gott.
Das ist doch eine Strophe aus „Dies irae, dies illa“.
und da würde ich übersetzen:
Dieser tränenvolle Tag,
an dem aus der Asche auferstehen wird
der schuldige Mensch, der gerichtet werden muss:
Schone also diesen , Gott
Im Grunde meine ich jetzt doch, daß Elisabeth recht hat, denn es ist ja nicht der tränenreiche Tag, der verschont werden soll, sondern der sündige Mensch. Und verschont werden soll der Mensch an diesem Tag. (Wieso eigentlich „diesem“ und nicht „jenem“?) Dann sollte man den Tag auch nicht zum Subjekt der Aussage machen.
@ Arborium
Ich hatte den Nominativ eingebaut, um zu
zeigen, dass man ihn eben NICHT gebrauchen kann.
@ Graeculum
Jedes „ille“ mit „jener“ zu übersetzen, ist heutzutage nicht mehr lege artis; wenn’s nur und genau ille gibt, nimmt man ohne weiteres „dieser“ (und eigentlich ist „jener“ kaum mehr Sprachgebrauch).
Ich dachte, „dieser“ drücke eine Nähe aus. Und nachdem Jesu Verkündung der Nahzeit-Eschatologie in unabsehbare Ferne gerückt ist, möchte ich eigentlich weiterhin dem distanzierenden „jener“ den Vorzug geben.
Aber das ist eine Stilfrage, vermutlich jenseits von richtig oder falsch.
mal bescheiden anmerke:
„ille“ bezeichnet den Bereich, von dem gesprochen wird
„hic“ ist der Bereich dessen, der spricht
„iste“ ist der Bereich, der angesprochen wird.
Nun hat sich unserer Sprachgebrauch tatsächlich gewandelt,
somit ist der Gebrauch „ille“ -> „dieser“ wohl ‚richtig‘,
genauer wäre aber „jener“.
@Elisabet:
Aber Hilde hat auch einen Nominativ gefunden.
Es könnte sich um eine Ellipse handeln:
Dieser Tag ist tränenreich, an dem ...
Es steht doch auch unzweifelhaft fest, dass „dies“ kein Ablativ sein kann - eigentlich sollten wir der Tradition die Frage nach dem Nominativ überlassen.
Lacrimosa dies illa
qua resurget ex favilla
Tränenreich, jener Tag,
an dem aus der Glut(-Asche) aufersteht
Iudicandus homo reus
huic ergo parce Deus
Der Mensch: zum Urteil, als Angeklagter:
Diesem gewähre also Schonung, Gott!
Sie ist sehr schön, die Übersetzung! Ich habe sie mir gleich gespeichert.
Es wird mir selten so anschaulich wie bei diesem Lied, was mittelalterliche Frömmigkeit ausmacht.