Latein Wörterbuch - Forum
mühlen im locus amoenus — 1888 Aufrufe
anne am 8.5.09 um 9:27 Uhr (Zitieren)
Hallo!

Hoffentlich interessiert sich der ein oder andere für mein kniffliges Problem:

In einem mittelhochdeutschen epischen Text wird ein locus amoenus mit einer arbeitenden Mühle beschrieben.

Kennt jemand dazu eine Vorlage aus dem Lateinischen oder gar Griechischen?

Vielen Dank für eure Mühen!

Anne

Sapere aude!
Re: mühlen im locus amoenus
Bibulus am 8.5.09 um 12:09 Uhr (Zitieren)
„locus amoenus“ ->„ lauschiges Plätzchen“
:-))

aus der Wikipedia
Der locus amoenus in der Literatur und Kunst der Antike [Bearbeiten]

Der locus amoenus ist seit der Antike eines der Hauptmotive innerhalb der Landschaftsschilderung und wird durch die Nennung als angenehm oder erfreulich angesehener Einzelzüge dieser Landschaft bestimmt (ein kühler Brunnen, eine blumenreiche Wiese, ein schattiger Baum etc.). Unter anderem spielt der locus amoenus innerhalb des Mythos' des goldenen Zeitalters und dem damit zusammenhängenden Motiv des Tierfriedens eine Rolle. In der antiken Literatur lässt sich eine kontinuierliche Entwicklung des Motives feststellen, die von der Bukolischen Dichtung des Theokritos, über die Elysischen Felder des römischen Dichters Vergil bis hin zu den Paradies-Schilderungen der christlichen Dichter reicht.

Übertragen auf die bildende Kunst bevorzugte man zur Darstellung des locus amoenus idealisierte Fluss- oder Meereslandschaften, wobei ein Schwerpunkt auf Szenen lag, die sich am Nil abspielten. Eine andere Form der Darstellung waren paradiesische Szenen, die von Hirten bevölkert wurden (Bukolische Dichtung). Als Ausdruck des Wunsches nach Frieden und Glück verbreitete sich das Motiv in wirtschaftlich und politisch unruhigen Zeiten der Spätantike nicht nur innerhalb der dekorativen Kunst, sondern löste im 3. Jahrhundert auch in der Ausstattung von Gräbern die mythologischen Themen ab. Die frühchristliche Kunst übernahm das Motiv ebenfalls, wie noch auf den Zeichnungen zum Kuppelmosaik der Kirche St. Constanza in Rom (um 350 erbaut) zu sehen ist, die eine Uferlandschaft unter alttestamentlichen Szenen zeigt. Vermutlich hatte auch das mittelalterliche Apsis-Mosaik der Kirche St. Clemente in Rom ein ähnliches spätantikes Vorbild.

http://de.wikipedia.org/wiki/Locus_amoenus#Der_locus_amoenus_in_der_Literatur_und_Kunst_der_Antike
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 8.5.09 um 13:16 Uhr (Zitieren)
In der Antike war die Mühle ganz und gar nichts Nettes oder Lauschiges. Es handelte sich nämlich so gut wie nie um eine anmutig rauschende Wassermühle, sondern in aller Regel um eine Göpelmühle (was das ist, weiß Wikipedia).
Der Göpel wurde von einem Zugtier (Esel, Muli, Ochse) angetrieben, dem man dazu die Augen verbinden musste, oder von irgendwelchen bedauernswerten Sklaven - häufig war die Tätigkeit in der Mühle eine Strafe, auf jeden Fall aber eine echte Knochenarbeit.
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 8.5.09 um 13:22 Uhr (Zitieren)
Das ist ja das Merkwürdige.

Es ist aber fast sicher, dass ein Vorbild in der Antike gibt. Fragt sich nur wo.

Die Mühle aus meinem mittelhochdeutschen Text steht an einem Bachlauf. Das nimmt sicher etwas die Schwere und Last der Arbeit.

Danke!
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 8.5.09 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Klar, die klappernde Mühle am rauschenden Bach. Mich wundert etwas, dass es das Bild schon im MA gab - für meine Begriffe gehörte das bisher in die Romantik.

Woher weißt du (oder wieso bist du dir) „fast sicher“, dass es ein Vorbild in der Antike gab?
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 8.5.09 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Ich weiß gar nicht, seit wann es die Technik des Mühlrades gibt. Das scheint mir aber ein Knackpunkt zu sein.
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 8.5.09 um 13:28 Uhr (Zitieren)
Es gibt eine Anekdote von Thales, in der er alle Ölmühlen aufkauft und sich damit ein Monopol errichtet.

Wie die Mühle gebaut ist, ist freilich nicht klar. Aber das Mühlen-Prinzip gibt es demnach schon sehr lange.
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 8.5.09 um 13:31 Uhr (Zitieren)
Du musst unterscheiden zwischen der Mühle und ihrem Antrieb.

Bei Vitruv, de architectura X,5 habe ich einen Text gefunden über Wassermühlen, aber das ist eine ganz technisch-nüchterne Angelegenheit.

[1] Fiunt etiam in fluminibus rotae eisdem rationibus, quibus supra scriptum est. Circa earum frontes adfiguntur pinnae, quae, cum percutiuntur ab impetu fluminis, cogunt progredientes versari rotam, et ita modiolis haurentis et in summum referentes sine operarum calcatura ipsius fluminis inpulsu versatae praestant, quod opus est ad usum.

[2] Eadem ratione etiam versantur hydraletae, in quibus eadem sunt omnia, praeterquam quod in uno capite axis tympanum dentatum est inclusum. Id autem ad perpendiculum conlocatur in cultrum versatur cum rota pariter. Secundum id tympanum maius item dentatum planum est conlocatum, quo continetur. Ita dentes tympani eius, quod est in axe inclusum, inpellendo dentes tympani plani cogunt fieri molarum circinationem. In qua machina inpendens infundibulum subministrat molis frumentum et eadem versatione subigitur farina.

Re: mühlen im locus amoenus
Graeculus am 8.5.09 um 13:56 Uhr (Zitieren)
Vielleicht hilft das?
Latin for „pleasant place“, locus amoenus is a literary term which generally refers to an idealized place of safety or comfort. A locus amoenus is usually a beautiful, shady lawn or open woodland, sometimes with connotations of Eden. In 1953, Ernst Robert Curtius wrote the concept’s definitive formulation in his European Literature and the Latin Middle Ages.

A locus amoenus will have three basic elements: trees, grass, and water. Often, the garden will be in a remote place and function as a landscape of the mind. It can also be used to highlight the differences between urban and rural life or be a place of refuge from the processes of time and mortality. Some gardens in the genere also have overtones of the regenerative powers of human sexuality.[1]

The literary use of this type of setting goes back, in Western literature at least, to Homer, and it became a staple of the pastoral works of poets such as Theocritus and Virgil. Horace (Ars poetica, 17) and the commentators on Virgil, such as Servius, recognize that descriptions of loci amoeni have become a rhetorical commonplace.

In Ovid's Metamorphoses, the function of the locus amoenus is inverted. Instead of offering a respite from dangers, it is itself usually the scene of violent encounters.

(http://en.wikipedia.org/wiki/Locus_amoenus)
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 8.5.09 um 14:32 Uhr (Zitieren)
Vielen Dank für eure Mühen!

Den Text über die Wassermühlen werde ich auf jeden Fall aufnehmen! Danke!
Re: mühlen im locus amoenus
Arborius am 8.5.09 um 14:37 Uhr (Zitieren)
Wie heißt denn Dein Text?
Ich kann mich erinnern, dass im Erec ein locus amoenus vorkommt, der auch so seine Gefahr enthält, nämlich einen blutrünstigen Ritter.
Im Iwein, glaube ich, ist ein Zauberbrunnen am locus amoenus.
Vielleicht soll die Mühle gar nicht richtig passen.
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 8.5.09 um 14:44 Uhr (Zitieren)
Auf die Gefahr hin, dass ich mich als hoffnungslosen Banausen oute:
Was ist denn Erec und Iwein?
Re: mühlen im locus amoenus
Arborius am 8.5.09 um 14:48 Uhr (Zitieren)
Ich weiß nicht, ob Du damit als Banause dastehst.

Das sind mittelalterliche Epen - jetzt werde ich banausig, denn obwohl ich sie im Examen hatte, weiß ich nicht, von wem ...

... Hartmann von Aue.
Artus-Epen, sozusagen.
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 9.5.09 um 19:36 Uhr (Zitieren)
Es ist ein Text von Konrad von Würzburg.

Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 9.5.09 um 22:01 Uhr (Zitieren)
Ja gut, aber was bringt dich dazu zu meinen, es müsse eine lateinische oder griechische Vorlage geben?
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 10.5.09 um 13:13 Uhr (Zitieren)
In der mittelhochdeutschen Literatur ist dies der erste locus amoenus mit einer arbeitenden Mühle.
Im weiteren Verlauf des Textes spielt sie jedoch keine Rolle. Zufällig steht sie gewiss nicht dort. Auch ein Lückenfüller ist nicht wahrscheinlich. Denkbarer ist daher, dass es ein Vorbild gab. Zumal der Autor nachweislich leiteinische Dichter gelesen hat.
Re: mühlen im locus amoenus
Arborius am 10.5.09 um 13:25 Uhr (Zitieren)
Meister Konrad!
Ich kenne: „Jârlanc wil diu linde ...“ Qntal haben das vertont, glaube ich - sehr schön.

Gerade die Epiker haben Topoi aus der lateinischen Literatur (Aeneis) übernommen - aber die Mühle passt nicht.
Vielleicht hat sie einfach eine besondere Funktion, die kein antikes Vorbild hat...
Re: mühlen im locus amoenus
Elisabeth am 10.5.09 um 13:54 Uhr (Zitieren)
Ich bin fast sicher, dass eine Wassermühle an einem locus amoenus kein antikes Vorbild hat.

Dass sie nicht ohne Sinn da im Text rumsteht, glaube ich allerdings ebenfalls.

Da wird man nach Vorbild oder Deutungsmöglichkeit wohl eher im MA suchen müssen.
Re: mühlen im locus amoenus
anne am 13.5.09 um 20:00 Uhr (Zitieren)
Vielen lieben Dank für eure Mühen!!

Werde mich mal im franz. MA umschauen..

Herzlichst

Anne
Re: mühlen im locus amoenus
Iupiter am 13.5.09 um 20:25 Uhr (Zitieren)
als hoffnungslosen Banausen oute


Gibt es keine weibliche Form? Banausin...vielleicht?
Re: mühlen im locus amoenus
Euphrosyne am 13.5.09 um 21:34 Uhr (Zitieren)
Mir fällt zu diesem Thema Apuleius, „Amor und Psyche“ ein. Und zwar folgende Textstelle:
„...videt fontem vitreo latice perlucidum; medio luci meditullo prope fontis adlapsum domus regia est...“
Zwar keine Mühle, aber doch schonmal ein Wässerchen...
 
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