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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine Fabel über Gerechtigkeit (5037 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2010 um 13:14 Uhr (Zitieren)
Eine Störchin, schon fortgeschritten an Jahren, hatte die schwere Aufgabe übernommen, einer Gruppe junger Frösche beizubringen, was Frösche fürs Leben wissen müssen. Sie war mithin eine Lehrerin, diese Störchin.
Ihre Frösche aber, die sie lehren sollte, waren so, wie junge Frösche eben sind: unruhig, frech, eigensinnig und quakten bei jeder Gelegenheit, um ihre Unzufriedenheit auszudrücken.
„Was? Schon wieder Hausaufgaben?“
„Die Stunde hat noch nicht angefangen!“
„Ich habe überhaupt nicht gestört!“ und so weiter und so weiter.
Immer hatten sie etwas auszusetzen an der armen, gütigen Störchin. Die wurde im Laufe der Jahre gereizter und empfindlicher. Eines Tages hat ihr doch sogar eines ihrer Froschkinder – oder waren es gar mehrere? – das Bein, das sie nach Storchenart beim Stehen eingezogen hatte, so festgebunden, daß sie es nicht mehr ausfahren konnte. Das war freilich ein übler Streich, und wir müssen es zugeben, daß sie wohl ein wenig eingenickt war während ihres Unterrichts. Denn wie hätte man ihr sonst ein Bein an den Leib binden können, ohne daß sie es gemerkt hätte?
Da stand sie nun, die Störchin, und flatterte empört mit den Flügeln, klapperte mit ihrem Schnabel und rief nach dem Schuldigen für dieses Untat.
Natürlich meldete sich niemand, auch wenn alle Frösche kicherten und vermutlich sogar wußten, wer sich diese Schandtat erlaubt hatte. Aber Petzen tut man nicht – das ist Ehrensache auch unter Froschkindern!
Damit konnte sich die Störchin aber nun nicht zufrieden geben. Solch eine Blamage für sie, solch eine Gemeinheit ... und die sollte ohne Strafe bleiben?
Aber wie bestraft man jemanden, den man nicht kennt? Man unterstellt, daß alle ihn kennen, aber nicht verraten. Also bestraft man einfach ... alle! Die ganze Frosch-Rasselbande!
„Absolutes Wasser-Verbot für den heutigen Tag und für die ganze Gruppe“, verkündete sie streng und laut. „Niemand von euch darf heute in den See! Und unterrichten will ich euch heute auch nicht mehr. Ihr bleibt auf dem Land und denkt über euer Verhalten nach!“
Die Empörung der jungen Frösche war groß! Vor allem beklagten sie sich über die bittere Ungerechtigkeit, daß sie nun alle auf dem Trockenen sitzen sollten, obwohl doch nur einer von ihnen etwas angestellt hatte!
Während sie sich so erregten, schaute aus dem Wasser des Teiches, in den sie nun nicht mehr hineindurften, ein alter Frosch heraus und quakte ihnen zu: „Ihr beklagt euch, ihr Jungvolk, über Ungerechtigkeit? Dann seid selber gerecht, denn das ist es, was ihr auch selber entscheiden könnt. Ob man euch dann auch gerecht behandelt, müßt ihr wohl den anderen überlassen.“
Sprach’s ... und schnappte sich mit einer raschen Bewegung seiner Zunge eine vorübersurrende Fliege.
Die Fliege fand das ungerecht.

Jeder sollte auf das achten, was er selber tut.

Ob sich das mit Äsops lakonischem Stil messen kann, weiß ich nicht. Aber ein Versuch ist es.
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
ανδρέας schrieb am 02.08.2010 um 19:53 Uhr (Zitieren)

Die Fabel ist wirklich gut.

Nur ein Hinweis: junge zarte Frösche sind des Storches Leibspeise!
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Γραικίσκος schrieb am 02.08.2010 um 19:55 Uhr (Zitieren)
Ist bekannt. Aber was 'verspeisen' Lehrer am liebsten, metaphorisch gesprochen?
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Βοηθὸς Ἑλληνικός schrieb am 02.08.2010 um 20:03 Uhr (Zitieren)
Hab´s gerade gelesen.....
Γραικίσκος, Kompliment!
Ich glaube du hast dafür Talent! (Ich erinnere mich noch an die Fabel für Vulpes Latinus).
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Γραικίσκος schrieb am 03.08.2010 um 09:16 Uhr (Zitieren)
Da es sich um eine selbstgeschriebene Fabel handelt, können wir im Sinne von ανδρέας die Tierspezies ohne Verletzung eines Urheberrechtes auch ändern - falls jemandem etwas Passenderes einfällt.
Biologisch gehören Lehrer in aller Regel natürlich zur selben Spezies wie Schüler - aber ergibt sich, dramatisch gesehen, daraus eine gute Kombination für eine Fabel?
In der Natur kommen doch wohl folgende Kombinationen vor: (a) fremde Spezies, freßbar --> spannend; (b) fremde Spezies, nicht freßbar --> uninteressant; (c) selbe Spezies --> Rivale oder Partner oder gleichgültig.
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
ανδρέας schrieb am 03.08.2010 um 11:12 Uhr (Zitieren)

Vielleicht könnze man den Storch durch eine Kröte ersetzen ... ist den Fröschen ähnlich, aber nicht ganz gleich.
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Γραικίσκος schrieb am 03.08.2010 um 12:13 Uhr (Zitieren)
Kröte. Hm. Dann funktioniert die Sache mit dem Bein-Festbinden nicht mehr. Aber als erfahrener Lehrer wird mir schon ein anderer Schüler-Streich einfallen.
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Πέγασος schrieb am 04.08.2010 um 06:47 Uhr (Zitieren)
Endlich funktioniert mein Internetanschluss wieder...

Deine Geschichte ist Klasse, Γραικίσκος! Mir gefällt das gut. Quakende Frösche, die vorlaut alles besser wissen wollen - ich sehe sie vor mir: die Frösche und die Schüler. :-)
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Πέγασος schrieb am 04.08.2010 um 06:49 Uhr (Zitieren)
Bin gespannt, was meine Tochter dazu meint.
(Die schläft jetzt noch.)
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Γραικίσκος schrieb am 04.08.2010 um 19:50 Uhr (Zitieren)
Und, was hat Tochter gesagt? Oder schläft sie immer noch?
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Πέγασος schrieb am 05.08.2010 um 09:13 Uhr (Zitieren)
Sie schläft schon wieder immer noch ;-)

Ich habe immer noch Ärger mit dem E(lektronischen)-Hermes, die Internetverbindung ist z.Z. eine Angelegenheit der Fortuna...

Also, die Tochter war sehr erfreut. Die Lehrerin als Storch ist eine komische Vorstellung (noch ganz jung und dynamisch). Sie meint, der Storch passe ganz gut, immerhin sei für manche Schüler die Lehrer auch so eine Art Feind; zumindest werden sie manchmal so wahrgenommen. - Und der alte Frosch sei obercool!

Ganz herzlichen Dank an Dich, Γραικίσκος, für die Fabel. Du hast was gut bei mir!
Re: Eine Fabel über Gerechtigkeit
Γραικίσκος schrieb am 05.08.2010 um 10:15 Uhr (Zitieren)
Das freut, daß sie gut angekommen ist, die Fabel. Belassen wir es also bei Storch und Fröschen.
 
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