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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine Geschichte von Religion und Krieg #9 (74 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 14.01.2025 um 10:31 Uhr (Zitieren)
An diesem besonderen Ort schrieb sich unter außergewöhnlichen Umständen der politische Despotismus in die göttliche Sphäre ein – und erhielt damit seinerseits eine unanfechtbare Rechtfertigung. Endlich gab es einen Gott, der den absoluten Legitimationsansprüchen irdischer Herrscher genügte! Die Anomalie in der menschlichen Evolution, dass ein einzelner Mensch über ganze Reiche mit Abertausenden von Menschen gebieten konnte, galt fortan als gottgewollt.

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Bald aber ging auch das Königreich Juda im Süden unter: 587 v. Chr. eroberten die Truppen des babylonischen Königs Nebukadnezar Jerusalem und entführten die Eliten in die „babylonische Gefangenschaft“. Dort wurde das monotheistische Gottesbild weiter ausgearbeitet. Da diese Entwicklungen bisher vor allem als theologisch und religionsgeschichtlich relevant eingeschätzt wurden, sind sie noch kaum als entscheidende Wegmarke in der Evolution der Gewalt und des Krieges registriert worden, welche die Geschicke nicht allein des „christlichen Abendlandes“ bis in unsere Tage prägen wird. Denn damit propagierte die Bibel eine innovative Herrschaftsideologie, die auf der Höhe ihrer Zeit war und absolute Macht unantastbar machte. Jenen, die sie entworfen hatten, nutzte sie indes nichts, da die Reiche Israel und Juda die meiste Zeit unter Fremdherrschaft blieben. Erst in eine völlig andere Welt transferiert, entfaltete der Monotheismus seine ganze Wirkung.

Der erste Vorteil für Herrscher ist offensichtlich: Wo es nur einen einzigen Gott gibt, der zudem den gesamten Kosmos erschaffen hat, steht der von Gott Erwählte jedem Zweifel enthoben über allen anderen; niemand kann ihm die Legitimation streitig machen. Und sollte das auch gar nicht erst versuchen, da es sich um einen höchst eifersüchtigen Gott handelte, der jeden Ungehorsam auf das Härteste verfolgte. Die Bibel ist voller Geschichten, in denen Jahwe selbst die kleinste Nichtbefolgung seines Willens auf das Schärfte bestrafte.

Der zweite Vorteil: Der Monotheismus lieferte eine universell einsetzbare Legitimation zum Kriegführen – nach innen wie nach außen. Aus seiner theologisch-absolutistischen Konsequenz heraus wurde nicht nur fremden Göttern der Krieg erklärt, sondern auch der Alltagsreligion. Diese hatte sich über die Jahrtausende hinweg entwickelt und parallel zur Herrschaftsreligion existiert, da sie ihr keine Konkurrenz machte. Am Anfang des Dekalogs heißt es jetzt aber: „Du sollst keine anderen Götter haben neben mir. Du sollst dir kein Bildnis noch irgendein Gleichnis machen, weder von dem, was oben im Himmel, noch von dem, was unten auf Erden, noch von dem, was im Wasser unter der Erde ist: Bete sie nicht an und diene ihnen nicht! Denn ich, der Herr, bin ein eifernder Gott.“ Damit wurden die altbewährten, oft weiblich dominierten Praktiken der Heilung, der Ahnen- und Geisterverehrung und Alltagsmagie verteufelt. Die neue Herrschaftsreligion von oben wurde totalitär und gab sich als einzig wahre Religion aus. Alles andere galt als verabscheuungswürdiger, auszurottender Aberglaube – und wurde mit dem Tod bedroht: „Wenn ein Mann oder eine Frau Geister beschwören oder Zeichen deuten kann, so sollen sie des Todes sterben; man soll sie steinigen.“ Stellen wie diese bietet die Bibel zuhauf.

(Harald Meller / Kai Michel / Carel van Schaik: Die Evolution der Gewalt. Warum wir Frieden wollen, aber Kriege führen. Eine Menschheitsgeschichte. München 2024, S. 296-311)
Re: Eine Geschichte von Religion und Krieg #9
βροχή schrieb am 14.01.2025 um 10:49 Uhr (Zitieren)
Die Anomalie in der menschlichen Evolution, dass ein einzelner Mensch über ganze Reiche mit Abertausenden von Menschen gebieten konnte


Ist das eine Anomalie? Dann wäre es nicht so stabil und erfolgreich, es wäre eine kurzzeitige Erscheinung, heute längst in Vergessenheit schlummernd.
Die Religion unterstützt es, sie ist keine notwendige Bedingung. Bsp. Stalin, Mao u.ä.
Re: Eine Geschichte von Religion und Krieg #9
Γραικύλος schrieb am 14.01.2025 um 12:43 Uhr (Zitieren)
Das habe ich so verstanden, daß es sich um eine "Anomalie in der menschlichen Evolution" handelt, nämlich etwas, das nach zwei Millionen Jahren Geschichte seit dem Homo habilis etwas völlig Neues, eine Anomalie war.
Und seitdem? Nunja, 4000 Jahre ...
Re: Eine Geschichte von Religion und Krieg #9
βροχή schrieb am 14.01.2025 um 12:58 Uhr (Zitieren)
... es war viell. ein sogenannter "Quantensprung", welcher die Evolution ruckartig auf ein neues Niveau brachte.
 
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