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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Lolita (377 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 15.04.2025 um 00:34 Uhr (Zitieren)
Vladimir Nabokovs Roman habe ich mit großem Interesse gelesen: im Hinblick auf das tabuisierte Thema ebenso wie auf seine literarische Umsetzung.

Würde ein Mensch der Antike sich über dieses Thema aufgeregt haben? Gewiß nicht, denn erotische Beziehungen zu Minderjährigen (wie im Roman), wenn auch nicht zu präpubertären Kindern, standen damals nicht außerhalb der Norm. Wie denn auch? Hat doch selbst Chef Zeus sich seinen Knaben Ganymed als Mundschenk auf den Olymp geholt.

Würde ein Mensch der Antike den tieferen Sinn dieses Romans verstanden haben? Wohl nicht, denn dieser hängt damit zusammen, daß er sich mit einem Tabu auseinandersetzt, das es eben so in der Antike gar nicht gab.
Das trennt uns heute unwiderruflich von der damaligen Zeit.

Ist uns diese völlig unzugänglich geworden (von pädophil fixierten Menschen einmal abgesehen)?

Einmal bin ich abends mit einem Bus gefahren, als sich ein Mädchen mit starker erotischer Ausstrahlung mir gegenübersetzte. Sie war kein Kind mehr, sondern sich ihrer Weiblichkeit bewußt, erkennbar an ihrer Kosmetik und Kleidung.
Es ist nichts passiert zwischen uns. Ich habe mich gehütet, sie groß anzuschauen; ich saß einfach da und spürte ihre Ausstrahlung. Aha, so geht das also, habe ich mir gedacht.
Dabei ist mir aber auch eines bewußt geworden: Ihre Aufmachung galt mit Sicherheit nicht einem alten Mann wie mir. Diese Annahme wäre lächerlich.

Und das macht meines Erachtens auch die Schwäche des Romans aus: Jenseits der literarischen Konstruktion einer stark künstlichen Beziehungssituation wird überhaupt nicht plausibel, warum Lolita sich erotisch für Humbert Humbert interessieren sollte. Das ist die Fiktion eines alten Mannes, der sich - so vermute ich - die eigene geschwundene Jugend und Attraktivität in der Beziehung zu einer minderjährigen Person zurückzuholen trachtet.

Dabei ist mir auch bewußt geworden, daß all die antiken Texte, welche die Sehnsucht nach einem Epheben oder einer Nymphe ausdrücken, von dem älteren Part stammen, kein einziger – jedenfalls kein mir bekannter – umgekehrt von dem geliebten Epheben oder der Nymphe.
Das einen alten Mann erotisch liebende Kind ist eine Projektion alter Männer. Darin zumindest stimmen Antike und Gegenwart überein. Doch wo alte Männer die Normen bestimmen, fehlt das Tabu.

(Wolfgang Weimer)
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 09:42 Uhr (Zitieren)
Ist jemand des Spanischen mächtig?
Die Mater Dolorosa, die schmerzensreiche/sorgende Muttergottes, wird namentlich insbesondere im Spanischen zur Dolores, Kurzformen sind Lola und Lolita. Letzter Name wäre eine Koseform/Hypokoristikum von Dolores. Kleine Kummerfrau.
Andererseits bedeutet „la lola“: die Heranwachsende.
Ob dies eine Rückbildung der literarischen Lolita ist? (Eponym?)
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 10:03 Uhr (Zitieren)
Wie kann man dieses durch und durch manipulative Spiel (einschließlich Sezierung, ökonomisches, emotionales und rechtliches Abhängigkeitsverhältnis in den späten 1940 ern, die Drohungen usf.) dieser fingierten Confession of a White Widowed Male (Augustinus und Rousseau lassen grüßen), seine ganze Perfidie überlesen, die übrigens in der Vorstudie Der Bezauberer noch unverhüllter zu Tage tritt, so ausblenden und Humbert Humbert auf den Leim gehen?
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 10:05 Uhr (Zitieren)
* (das ökonomische, emotionale und rechtliche Abhängigkeitsverhältnis in den späten 1940ern, die Heranführung einschließlich Sedierung, die Drohungen …)
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 10:16 Uhr (Zitieren)
So ein klein wenig Wortkunde bleibt unkommentiert und unergänzt. Nun gut.
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 10:46 Uhr (Zitieren)
Bei lolo und lola im besagten Sinne handelt es sich offenbar um Chilenismen, das scheint mir für die erwogene Ableitung von Nabokovs Figur zumindest merkwürdig, vgl. die alternative Deutung: From Lolita, the protagonist of a novel by Vladimir Nabokov, or short form of pololo from Mapudungun püḻü (“fly”).
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 11:01 Uhr (Zitieren)
Fiktive Charaktere
Lolita, die zwölfjährige Dolores Haze in Vladimir Nabokovs Roman „Lolita“ aus dem Jahr 1955. (Nabokov kommentierte: „Wahrscheinlich bin ich dafür verantwortlich, dass die Leute ihre Töchter nicht mehr Lolita nennen. Ich habe gehört, dass junge Pudelweibchen seit 1956 diesen Namen bekommen, aber noch nie von Menschen.“)
wiki


Im Roman ist es ein Spitzname, sie heißt Dolores.

Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 11:14 Uhr (Zitieren)
…als wie zuvor.
Pololo hieße „fester Freund“?
Die Dolores-Herleitung hat doch was.
Noch zur Antike: Gab es für Zeus eine Minderjährigkeitsgrenze?
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 11:36 Uhr (Zitieren)

Der Name Lola ist älter als das Buch, bsp. Lola Montez.
die junge Geliebte eines alten Mannes. (reale Person)

Weiterer fiktiver Name ist Lola aus dem song von den Kinks. Auch seinerzeit tabuumwittert.

Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 11:45 Uhr (Zitieren)
Dass HH diese Dolores Lolita nennt, macht die Bedeutung doch umso offensichtlicher.
Die sich βροχή nennende Foristin könnten wir hier mitnichten bei ihrem Klarnamen, so wir ihn denn kennten, ansprechen. Selbst die deutsche Übersetzung ergäbe keinen namentlichen Sinn. Ähnlich auch das kürzliche, versuchsweise Ent-filixen. Ein „Fadenkönig“ bzw „king of threads“ würde uns nicht weiterhelfen.
Nabokov will, dass HH will, dass die Göre L heißt.
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 11:57 Uhr (Zitieren)
Der Roman beginnt ja mit einer sexuell aufgeladenen Namenskunde, die das Bild des Objekts der Begierde vervielfacht, es gibt nicht einfach Lolita, sondern auch Lo, Dolly, Lola und Dolores. Dass Nabokov keine der Kurz- und Koseformen erfunden hat, ist klar, die Frage aber war doch, ob der, folgt man den Wörterbüchern, Chilenismus lola eine eponymische Rückbildung (geht man vom Titel aus) des Namens der Protagonistin darstellt und daher allgemein als Bezeichnung für junge Mädchen (und nicht einfach "Lolitas", wie wir das kennen: https://www.duden.de/rechtschreibung/Lolita ) dient? Das halte ich für zweifelhaft.
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 12:12 Uhr (Zitieren)
Patro, an der Dolores Herleitung gibt es keine Zweifel.

Weitere Fiktive Figur, Lola Lola (Marlene Dietrich 1930)
ebenfalls vor Lolita entstanden, mit dem touch der Verruchtheit.

Lolita in diesem Wortfeld wäre die kleine Verruchte?







Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 12:20 Uhr (Zitieren)
Die sich βροχή nennende Foristin könnten wir hier mitnichten bei ihrem Klarnamen, so wir ihn denn kennten, ansprechen


Ich bin eine reale Person mit offensichtlich erfundenem Namen.

Fiktive Personen sind komplett erfunden, es gibt sie nicht. Witzig ist es, wenn sie reale Namen haben.

Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 12:35 Uhr (Zitieren)
Kurz zwischendurch:
„Ja, ich bin ein Roboter.“
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 12:59 Uhr (Zitieren)
Patro, jetzt wo du es sagst... warum bin ich nicht gleich darauf gekommen
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 13:11 Uhr (Zitieren)
Zum Startpost,
gibt es kindliche Geliebte in der griech. Mythologie?

Psyche käme infrage, sie wird manchmal als Kind dargestellt.


Gibt es keine echte Verliebtheit von Mädchen zu mittelalten Männern? Doch, die gibt es. Bsp. Schülerinnen, die sich in Lehrer ernsthaft verlieben. Wenn der Lehrer sich nicht korrekt verhält, gibt das Riesenprobleme, auch für die Eltern.


Re: Lolita
Γραικύλος schrieb am 15.04.2025 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Wenn ich filix' Kritik richtig verstehe, dann unterschätzt mein Text die manipulative Einflußnahme auf Lolita.
Das würde dann meine Vermutung bestätigen, daß es eine erotische Attraktivität alter Männer für Kinder eigentlich nicht gibt.

Das aber zieht nun nicht nur βροχή in Zweifel, sondern dem ist auch in dem Literaturforum, in dem ich den Text parallel veröffentlicht habe, widersprochen worden. Mir ist nicht klar, ob es sich bei diesem Schwärmen um erotisches Begehren handelt, das in Sex mündet bzw. münden kann.

Ihr merkt, ich bin kein und war nie ein Mädchen, aber ich kann mir kaum vorstellen, worin für ein solches die erotische Attraktivität eines 30 Jahre älteren Mannes bestehen sollte.

Sigmund Freuds Postulat von der frühkindlichen Sexualität ist ja oft kritisiert worden, er habe dabei erlebte Mißbrauchsvorgänge von Patientinnen als erotische Phantasien mißgedeutet.

Und, im Rahmen dieses Forums: Auch Euch sind keine Liebesgedichte/-geständnisse des jüngeren Parts aus der Antike bekannt?
Ich kenne nur und habe hier auch schon vorgestellt solche des Älteren.
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 14:32 Uhr (Zitieren)
Mir ist nicht klar, ob es sich bei diesem Schwärmen um erotisches Begehren handelt, das in Sex mündet bzw. münden kann.


Es kann dazu führen. Von außen nicht nachvollziehbar, aber das gibt es. Ich habe verzweifelte Eltern erlebt, deren Tochter es passierte. Die wollte nicht loslassen von einer verhängnisvollen Beziehung, auch nachdem der Mann es gestoppt hatte. Natürlich liegt der Fehler beim Erwachsenen, sich darauf überhaupt nur einzulassen, es ist nicht ohne Grund verboten.

Das Buch befeuert trotzdem eher die männl. Fantasien über Kindfrauen. Ich denke, dass die Leser größtenteils Männer sind, oder irre ich mich da?

Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 14:45 Uhr (Zitieren)
Sigmund Freuds Postulat von der frühkindlichen Sexualität ist ja oft kritisiert worden, er habe dabei erlebte Mißbrauchsvorgänge von Patientinnen als erotische Phantasien mißgedeutet.


Ja, er missdeutete. Denn Missbrauch führt zum Trauma, aus Frauen werden Patientinnen.

Normale frühkindl. Entwicklung hat damit nichts zu tun.



Re: Lolita
Γραικύλος schrieb am 15.04.2025 um 14:49 Uhr (Zitieren)
Ich kenne dieses sexualisierte Verhalten bei Kindern eigentlich nur von solchen, die zuvor Opfer sexuellen Mißbrauchs geworden waren und dabei "gelernt" hatten, daß Sex ein Weg ist, um "Zuneigung" zu erhalten.
Ansonsten traue ich der "frühkindlichen Sexualität" nicht über den Weg. Vor allem dann nicht, wenn es ältere Männer sind, die dergleichen behaupten.

Es ist schade, daß wir selbst von Sapphos geliebten Schülerinnen keine Texte aus deren Perspektive kennen. Falls es sie denn jemals gab.
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 14:56 Uhr (Zitieren)
Medialthematisch ist „Lolita“ nicht mehr umwerfend.
Irgendeine amerikanische Autorin hat bestimmt die Konstellation Humberta/Lolitus aufgegriffen.
Altersmäßig verdrehter ist ja „Die Reifeprüfung“ mit dieser Mrs Robinson. 1967. Natürlich der Collegeabsolvent, nicht der Abiturient, obwohl „Reifeprüfung“ charmant klingt.
Sie, Bancroft, war schauspielerich 36, er, Hoffman, 30.
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 15:45 Uhr (Zitieren)
Die Lolita des Romans ist ja gerade nicht so, wie Humbert sie projeziert. Es ist ein Roman über Missbrauch.

Dass es unabhängig davon echte Kindfrauen geben kann, fällt unter die Rubrik, dass es nichts gibt, was es nicht gibt. Ob die sich im Roman wiedererkennen? Eher nicht?
Re: Lolita
Γραικύλος schrieb am 15.04.2025 um 16:23 Uhr (Zitieren)
Das
Hier möchte ich folgenden Gedanken vortragen. Zwischen den Altersgrenzen von neun und vierzehn gibt es Mädchen, die gewissen behexten, doppelt oder viermal so alten Wanderern ihre wahre Natur enthüllen; sie ist nicht menschlich, sondern nymphisch (das heißt dämonisch); und ich schlage vor, diese auserwählten Geschöpfe als "Nymphchen" zu bezeichnen.


(Vladimir Nabokov: Lolita. Hamburg 61960, S. 22)

sagt Humbert Humbert als Ich-Erzähler. Das ist klarerweise eine Projektion, aber - da nicht zu identifizieren mit Nabokovs Meinung - keine Schwäche der Romans.
Re: Lolita
Γραικύλος schrieb am 15.04.2025 um 17:00 Uhr (Zitieren)
Aus dem anderen Forum erfahre ich:
Angefangen hat das ja alles mit Ludwig I. von Wittelsbach und seiner zirka 30 Jahre jüngeren Lola Montez, im Volksmund: Lolita.
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 18:42 Uhr (Zitieren)
Der große Altersunterschied an sich und, dass dabei eine(r) der Beteiligten das, was wir als Schutzalter bezeichnen, noch nicht erreicht hat, ist ja wohl zweierlei. Was also "alles" mit Lola Montez, damals Mitte 20, und dem Wittelsbacher genau angefangen haben soll, wäre erst einmal zu klären. Dass weder Age-gap- noch heute unter Pädophilie eingeordnete Beziehungsformen eine Erfindung des 19. Jahrhunderts sind, versteht sich ja wohl von selbst. Das hat also eher die Sexualisierung dieses Namens an sich betrieben.

Meine Kritik oben behauptet lediglich, man könne Nabokovs Lolita nur als ungebrochene Projektion urwüchsigen Begehrens der titelgebenden Figur lesen, wenn man die sehr wohl dargestellte perfide Manipulation ausblendet in dem Abhängigkeitsverhältnis, die im Widerspruch zu ihrer Deutung durch den confessor steht. Die zitierte Nymphchentheorie ist ebenso unangenehm wie realistisch als Porträt einer Denkweise, die die Verhältnisse romantisiert und sich in dem betriebenen Spiel letztlich selbst als Opfer einer Verführung inszeniert. Ein nachgerade archetypisches Rechtfertigungsmuster, das zu übernehmen der ambivalente Text ja nicht zwingt, und das in hinreichend großem Widerspruch steht zur geschilderten Manipulation.
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 19:08 Uhr (Zitieren)
Mit Phantasie könnte jemand „Lolita die zweite“, also aus der Sicht der Ambivalenzpubertierenden, schreiben. Würde so manches schlagartig in einem anderen Schlaglicht sichtbar machen.
Oder gibt es ein solches Machwerk bereits?
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 19:22 Uhr (Zitieren)
Re: Lolita
filix schrieb am 15.04.2025 um 19:24 Uhr (Zitieren)
Wobei das Ergebnis der Ermächigung nicht ganz das ist, was man vermuten würde.
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 20:06 Uhr (Zitieren)
Das von mir Erwünschte ist offenbar ein noch zu Schreibendes.
Pelewin fragen? Phantasievoller Russe. Bestimmt Nabokov-Kenner. Der Ausdruck „kleiner Schelm“ deutet auf eine gewisse Lockerheit in rebus sexualibus hin. Idealer Autor.
Re: Lolita
βροχή schrieb am 15.04.2025 um 20:33 Uhr (Zitieren)
Ein schmaler Grat zw. Entlarvung und Anbetung,
daran trennen sich die Interpreten.


Re: Lolita
Patroklos schrieb am 15.04.2025 um 20:43 Uhr (Zitieren)
βροχή hat mit sicherem Blick auf das Verhältnis Schülerin/Lehrer hingewiesen.
Hierfür steht der Klassiker „Reifezeugnis“ mit der „Schülerin“ Nastassja Kinski (Tatort 1977). Eine Nabokovsche Einschätzungshilfe, jedenfalls in der Anfangskonstellation.
Re: Lolita
Aurora schrieb am 16.04.2025 um 08:38 Uhr (Zitieren)
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 16.04.2025 um 11:51 Uhr (Zitieren)
Ein anderer Blick auf Nabokov.
Die Schwestern Vane (Auszug WP)
Die Geschichte enthält, wie viele Texte Nabokovs, zahlreiche literarische Anspielungen. Diese finden sich etwa in den Namen der beiden Schwestern: Sibyl Vane heißt die Freundin des Protagonisten in Oscar Wildes Das Bildnis des Dorian Gray, die durch dessen Kaltherzigkeit in den Suizid getrieben wird. Gleichzeitig ist die Sibylle von Erythrai eine antike Prophetin, die nach dem Dies irae der lateinischen Totenmesse das Jüngste Gericht ankündigt. Cynthia ist der Name der Geliebten des römischen Dichters Properz, deren geisterhaftes Erscheinen nach ihrem Tod er am Anfang der 7. Elegie des IV. Buchs beschreibt. Auch der Titel eines ihrer Bilder, das in der Kurzgeschichte beschrieben wird, deutet nach der Literaturwissenschaftlerin Maria Rybakova auf ein Leben nach dem Tod: Seen Through a Windshield, „Durch eine Windschutzscheibe gesehen“, sei eine Anspielung auf den „Spiegel“, durch den wir nach 1 Kor 13,12 EU zu Lebzeiten alle nur undeutlich blicken. Der Literaturwissenschaftler Dean Flower macht darauf aufmerksam, dass die Sonette, die der Ich-Erzähler am Ende der Geschichte nach verborgenen Botschaften durcharbeitet, auf der Textoberfläche von egoistischem Liebesbetrug handeln. Der amerikanische Literaturwissenschaftler Harold Bloom sieht in der schwer verständlichen Beschreibung des Traums, die die Botschaft aus der Geisterwelt enthält, eine Selbstparodie auf Nabokovs eigenen Stil.Ἶ
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 16.04.2025 um 12:41 Uhr (Zitieren)
In Nabokovs Geschichte spielt ein Akrostichon eine Rolle.
Beim Herumbummeln stieß ich auf eine Sonderform, das akrostische Distichon. Oder distiches Akrostichon? Eine Zeile bzw deren Anfangsbuchstabe wird übersprungen. Sprunglesen heißt das. War mal eine verspielte Mode. Weiß jemand mehr?
Re: Lolita
filix schrieb am 16.04.2025 um 20:25 Uhr (Zitieren)
Hier aufgrund der beschränkten Formatierungsmöglichkeiten nicht wiederzugeben, Alban Bergs Doppel-Akrostische Distichen für den zehnten Dezember zu Adolf Loos' sechzigstem Geburtstag (sogar mit Antikenbezug), auf Seite 9 in

https://www.absw.at/bibliothek-pdf/B7-034_sml.pdf
Re: Lolita
Patroklos schrieb am 16.04.2025 um 20:56 Uhr (Zitieren)
Ganz wunderbar! Filix, war Berg oder Loos Dein Ahn?
Und dann auch noch ein Telestichon!
Bitte noch das Fachwort für Sprunglesen, gelegentlich.
Großen Dank!
Re: Lolita
filix schrieb am 17.04.2025 um 01:15 Uhr (Zitieren)
Also ein Akroteleuton. Wird wirklich übersprungen? Skimming als Lesetechnik beschreibt den Vorgang m.E. nicht wirklich und die Suche nach dem vertikalen Schlüsselwort ist wohl eher ein Fall von Scanning.
 
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