Γραικύλος schrieb am 16.07.2025 um 17:50 Uhr (Zitieren)
C. G. Jung, Antwort auf Hiob:
(C. G. Jung: Antwort auf Hiob. München 1990, S. 16 f.)
Re: Jahwe und Zeus
filix schrieb am 16.07.2025 um 18:25 Uhr (Zitieren)
Jahwe liegt es an seinem erwählten Volk, nicht den Menschen oder der Menschheit in toto. Hiob ist eine Ausnahme, der Mann aus dem Lande Uz schon territorial eine Außenseiterfigur, die aber vor allem nicht im Bund steht und darin keine Funktion hat. Die anderen großen, vordergründig individuellen Gottesbeziehungen im Alten Testament sind in Wahrheit funktional sind funktional für Gottes Verhältnis zu seinem Volk Israel. Sie dienen der Stiftung, Führung und Bewahrung dieses Volkes: Abraham, der Gründervater des Volkes, Moses, der es ins gelobte Land führen soll, David und seine politisch-dynastische Rolle, die Propheten als Seher und Künder sind wesentlich Kommunikatoren, um mit dem Volk und seinen Führern in Verbindung zu treten und sie wissen zu lassen, was Gott fordert, erwartet usf.
Re: Jahwe und Zeus
filix schrieb am 16.07.2025 um 18:26 Uhr (Zitieren)
funktional sind
Re: Jahwe und Zeus
filix schrieb am 16.07.2025 um 18:35 Uhr (Zitieren)
Es war, wenn ich nicht irre, Veyne, der dieser persönlichen und existenziellen Beziehung jedes Menschen zu Gott im Anschluss an das NT, wo Hiob einige Male erwähnt wird, eine wesentliche Rolle für den weiteren Aufstieg zur Weltreligion zugeschrieben hat. Das hätte der exklusive Bundesgott des AT nie vermocht.
Re: Jahwe und Zeus
Γραικύλος schrieb am 16.07.2025 um 19:45 Uhr (Zitieren)
Daß Hiob kein Jude ist, also nicht im Bund steht, war mir nicht bewußt ... und läßt den ganzen Konflikt in einem anderen Licht erscheinen.
Welche Rolle spielt dieser Umstand in der Auseinandersetzung mit Jahwe?
Re: Jahwe und Zeus
Patroklos schrieb am 16.07.2025 um 19:54 Uhr (Zitieren)
Herrscher, Stämme, Propheten usw erschaffen ihre Götter. Das Auserwähltsein eines Volkes ist ebenso effizient wie problematisch.
Re: Jahwe und Zeus
Γραικύλος schrieb am 16.07.2025 um 23:49 Uhr (Zitieren)
C. G. Jung analysiert zwei Archetypen. Gedacht hatte ich, daß er Zeus falsch analysiert; gelernt habe ich, daß er sich bei Jahwe irrt.
Eine große Rolle spielen ansonsten in seiner Analyse die Allwissenheit und Allmacht Jahwes. Wird dies irgendwo im Tanach über ihn behauptet? Ich habe angenommen, daß dies christliche Theologie sei.
Re: Jahwe und Zeus
filix schrieb am 17.07.2025 um 02:59 Uhr (Zitieren)
Welche Rolle immer der Umstand, dass Hiob nicht im Bund steht und eine Art frommer Außenseiter ist, in der langen Rezeptionsgeschichte genau gespielt hat – mir scheint jedenfalls, dass Jungs Versuch, die individuelle, persönliche Beziehung zwischen Gott und Mensch, insbesondere in Zuspitzungen wie „er brauchte sie, wie sie ihn brauchten, dringlich und persönlich“, zum wesentlichen Kennzeichen Jahwes im Vergleich mit Zeus zu machen, weitgehend eine Verzerrung darstellt, eine spätere, neutestamentlich fortentwickelte Projektion.
Was der Psychologe als - nach heutigen Maßstäben - toxische Paarbeziehung inklusive Koabhängigkeit wahrnimmt, in der Jahwe sein eifersüchtiges, empfindliches, misstrauisches und rachsüchtiges Verhalten ausagieren kann (man lese etwa die Geschichte vom Goldenen Kalb unter diesem Gesichtspunkt, wo Moses mit der emotionalen Gegenerpressung, Gott möge dem Volk verzeihen oder ihn aus dem Buch des Lebens streichen, diesen zum Einlenken bringt), verwechselt meines Erachtens die Deutung mit dem Gegenstand selbst, oder genauer, mit der Struktur der Beziehung als solcher, wie sie das AT zeichnet.
In einer derart verengten psychologischen Perspektive gerät leicht aus dem Blick, dass sich der Gott des Alten Testaments nicht am Individuum als solchem orientiert, sondern primär an seinem erwählten Volk, mit dem er einen Bund geschlossen hat. Individuelle Konflikte zwischen Gott und Mensch werden in der Regel vor diesem Hintergrund verhandelt, nicht als autonome Beziehung, sondern stets im Horizont des kollektiven Bundesverhältnisses.
Das ist in meinen Augen etwas grundsätzlich anderes als die spätere, allen Menschen offenstehende persönliche Gottesbeziehung, wie sie sich insbesondere auf Basis des Neuen Testaments entfaltet, und auch kein Ausdruck eines allgemeinen, auf jeden Einzelnen zielenden göttlichen Heilsinteresses an der Menschheit.
Im Alten Testament bleibt das Handeln Gottes eng an das kollektive Schicksal Israels gebunden. Seine Zuwendung gilt dem Volk, nicht dem Einzelnen um seiner selbst willen. Wo das Individuum ins Zentrum rückt, geschieht das meist stellvertretend, exemplarisch oder im Rahmen eines größeren heilsgeschichtlichen Zusammenhangs, nicht im Sinne einer durchgängig personalen Beziehung, die jedem Menschen offenstünde.
Ich würde sogar so weit gehen zu sagen, dass selbst die Ausnahmegestalt Hiob in seinem Hader mit Gott, an dem sich durch die Zeiten allerlei Varianten des Theodizeeproblems festmachen ließen, keine persönliche Beziehung zu Gott im Sinne dieser späteren theologischen Vorstellungen hat. Seine Klage ist keine Form intimer Gottesnähe, sondern Ausdruck existenzieller Verstörung über als ungerecht empfundenes Leiden, gerichtet an eine göttliche Macht, die sich ihm entzieht und auf keine moralischen Maßstäbe festzulegen ist.
Die Antwort Gottes aus dem Gewitter bringt keine Versöhnung, sondern markiert eine Machtdemonstration, die Hiob nach einigem Widerstand vor seiner Übergröße verstummen lässt. Es entsteht kein dialogisches Vertrauensverhältnis, sondern ein metaphysischer Abgrund tut sich auf, in einer Erzählanlage, die zwischen satanisch inszeniertem Treuetest, Klagelied und diskursivem Schauprozess changiert. Rede und Gegenrede prallen aufeinander, bis Hiob schlussendlich sich beugt, zur Einsicht gebracht, zur Ordnung gerufen und dafür entschädigt wird. Seine Freunde kommen nur knapp davon. Eine ziemlich gefährliche Sache.
Re: Jahwe und Zeus
Aurora schrieb am 17.07.2025 um 07:01 Uhr (Zitieren)
Zur Ergänzung:
Der Bundesgedanke im Alten Testament hat mehrere historische und theologische Wurzeln:
Altorientalische Vertragsformen:
Der biblische Bundesbegriff (hebräisch berit) orientiert sich stark an den Vertragsformen des alten Orients, besonders an den hethitischen Vasallenverträgen des 2. Jahrtausends v. Chr. Diese folgten einem festen Schema: Präambel, historischer Prolog, Hauptbestimmungen, Einzelbestimmungen, Zeugen und Segen/Fluch-Formeln. Dieses Muster findet sich auch in biblischen Bundesschlüssen wieder.
Frühe israelitische Traditionen:
Die ältesten Bundesvorstellungen gehen vermutlich auf die Zeit der Landnahme und Richterzeit zurück. Der Bund von Sichem (Josua 24) spiegelt möglicherweise frühe Föderationsversuche der israelitischen Stämme wider. Hier verbanden sich verschiedene Gruppen unter dem gemeinsamen Bekenntnis zu JHWH.
Theologische Entwicklung:
Im Laufe der Zeit entwickelte sich der Bundesgedanke von einem zunächst bedingten Vertrag (wie beim Sinaibund) hin zu einem unverbrüchlichen Heilsbund (wie beim Davidbund). Die Propheten griffen den Bundesgedanken auf und interpretierten ihn neu, besonders in Krisenzeiten.
Literarische Ausformung:
Die verschiedenen Quellenschichten des Pentateuch (J, E, D, P) prägten den Bundesgedanken jeweils unterschiedlich aus. Besonders die deuteronomistische Theologie machte den Bund zu einem zentralen Interpretationsschlüssel für die Geschichte Israels.
Der Bundesgedanke entstand also aus der Begegnung zwischen altorientalischen Rechtsformen und der spezifisch israelitischen Gottesbeziehung.
Die Gottesbeziehung im alten Israel hat komplexe und vielschichtige Ursprünge:
Nomadische Ahnenreligion: Die frühesten Schichten weisen auf eine Ahnenreligion der proto-israelitischen Gruppen hin. Die "Götter der Väter" (Gott Abrahams, Isaaks, Jakobs) spiegeln vermutlich ursprünglich Schutzgottheiten nomadischer Sippen wider, die mit den Wanderungen mitgeführt wurden.
Midianitische/Kenitische Hypothese: Eine wichtige Theorie besagt, dass die JHWH-Verehrung über Moses' Schwiegervater Jitro (einen midianitischen Priester) nach Israel kam. Die Midianiter/Keniter könnten bereits JHWH als Wüsten- und Berggott verehrt haben. Dies würde erklären, warum JHWH zunächst am Sinai/Horeb lokalisiert wird.
Kanaanäische Einflüsse: Bei der Sesshaftwerdung übernahmen die Israeliten Elemente der kanaanäischen Religion. El, der Höchstgott des kanaanäischen Pantheons, verschmolz teilweise mit JHWH. Auch Baal-Traditionen (Wetter- und Fruchtbarkeitsgott) beeinflussten die JHWH-Vorstellung.
Ägyptische Prägungen: Die Exodus-Tradition, auch wenn historisch umstritten, zeigt ägyptische Einflüsse. Manche Forscher sehen Parallelen zwischen der JHWH-Verehrung und dem zeitweisen Aton-Monotheismus unter Echnaton.
Synkretistische Entwicklung: In der Richter- und Königszeit entwickelte sich durch Vermischung verschiedener Traditionen die spezifisch israelitische Gottesvorstellung. JHWH wurde dabei zunehmend als universaler Gott begriffen, der andere Götter verdrängte.
Prophetische Prägung: Die Propheten des 8.-6. Jahrhunderts v. Chr. formten die Gottesbeziehung entscheidend um: von einem Nationalgott hin zu einem universalen, ethischen Monotheismus.
Die israelitische Gottesbeziehung entstand also durch komplexe Verschmelzungsprozesse verschiedener religiöser Traditionen des alten Orients.
Re: Jahwe und Zeus
Γραικύλος schrieb am 17.07.2025 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Mir leuchten filix' Gedanken ein, auch dieser:
Re: Jahwe und Zeus
Γραικύλος schrieb am 17.07.2025 um 14:29 Uhr (Zitieren)
Hingegen dazu
hätte ich gerne nähere Angaben. Zwar wird Jahwe ein Universalgott, aber doch einer mit einer speziellen Beziehung zu einem speziellen Volk.
Die Propheten missionieren doch keine Nicht-Juden!
Re: Jahwe und Zeus
Andreas schrieb am 17.07.2025 um 16:34 Uhr (Zitieren)
Aber die postulieren den einzig wahren Gott und
verachten alle anderen als Götzen.
Ihr Schwerpunkt indes lag intern auf der Sozialkritik. (Jesaija, Jeremia, Hosea)
Der Gott der Juden war ein Konglomerat von ehemaligen Stammesgottheiten, soweit ich weiß,
und hat eine identitätsstiftende Funktion in Richtung: ein Gott, ein Volk, ein Herrscher
Das war m.E. die Hauptmotivation auch für Konstantin den Gr.,
den christl. Gott zum Staatsgott zu machen.
Zudem konnte er gebildete Christen gut für die Verwaltung verwenden.
Beim kath. Papst ist es ähnlich: Der Katholik hat in ihm eine Identifikationsfigur,
Vaterfigur und Wahrer des Glaubengutes, auch Glaubensschatz genannt,
auch wenn den die Meisten kaum noch oder oft falsch verstehen.
Dazu verweise ich auf den schon genannten
Franz Buggle (Denn sie wissen nicht, was sie glauben.)
PS:
Wenn ich den Universalgott auflöse in das Liebesprinzip,
macht er m.E. Sinn- in welchem konkreten Sinn auch immer.
Die Identität von Gott und Liebe findet man in
1Joh 4.
Zu Hiob:
Letztlich auch nur eine literarische Fiktion zum
Thema "ungerechte Welt und Sieg des Guten".