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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Natus Aethiops (164 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 04.09.2025 um 14:41 Uhr (Zitieren)
Calpurnius Flaccus: Deklamationen (Declamationum Excerpta) 2:
Natus Aethiops / Der schwarze Sohn

Matrona Aethiopem peperit. Arguitur adulterii.

Eine verheiratete Dame hat ein schwarzes Kind zur Welt gebracht. Sie wird wegen Ehebruchs angeklagt.

[Gegen die Ehefrau]
1. Liebe macht blind, sie ist unvernünftig, sie ist unbesonnen; ansonsten würden wir alle dasselbe lieben [Expers iudicii est amor; non rationem habet, non sanitatem; alioquin omnes idem amaremus].

2. Manchmal ist ein Fehltritt gerade darin begründet, dass er auf so unglaubliche Weise begangen wird.

3. „Nicht immer sind Kinder bei der Geburt ihren Eltern ähnlich“, sagt sie. Was bringt dir diese Verteidigung außer dem Nachweis, dass du deinen Fehltritt mit größerer Sorglosigkeit begangen hast?

4. Wir wundern uns, dass es dieses Naturgesetz gibt, demzufolge diejenigen äußeren Merkmale auf den Nachwuchs übergehen, welche die Arten gleichsam wie Kopien unverändert bewahren. Auch jedes Volk behält sein typisches Aussehen bei: In Germanien ist die Gestalt geprägt durch rötliches Haar und einen hohen Wuchs mit geringer Widerstandskraft. Oder die Hispanier, haben sie nicht alle dieselbe Hautfarbe? Auf der anderen Seite der Welt, wo das Himmelsgewölbe endet (1) und das Morgenland nah an sich herankommen lässt, dort sind die Körper von Geburt an in manchen Gegenden eher stämmig, in anderen eher sehnig.

5. Unterschiedlich sind die Menschenrassen [Diversa sunt mortalium genera], doch gibt es niemanden, der seiner Rasse nicht gliche.

6. „Wie bitte? Sie hätte einen Schwarzen geliebt [amavit Aethiopem?]“, sagt er (2). Manchmal, ihr Richter, haben auch schändliche Dinge ihren eigenen Reiz, gibt es eine Lust auf Widerliches. [Est inderdum, iudices, malarum quoque rerum sua gratia, est quaedam deformium voluptas.]

7. Wunderst du dich, wenn jemand in der Liebe nicht vernünftig ist, obwohl in Liebe zu verfallen schon nicht von Vernunft zeugt?

8. Vorausgesetzt, eine Frau sieht mit nüchternem Blick, dann ist kein Ehebrecher gutaussehend. [Da mihi sanos mulieris oculos: nemo adulter formosus est.]

9. Sittsamkeit, die vor der Preisgabe steht, sorgt sich am wenigsten darum, auf welche Weise sie preisgegeben wird.

10. Es ist typisch für eine schändliche Begierde, sich nicht darum zu scheren, worauf sie sich stürzt.

11. Ist das Schamgefühl erst einmal zuschanden, ist zum Laster neigenden Herzen keine Schande mehr widerlich.

12. Derjenige gefiel schließlich ihrer Begierde, auf den der Verdacht des Ehemannes nicht würde fallen können.

Pars altera – Die Gegenseite
13. Ist also ihr Wunsch, das Kind zur Welt zu bringen, nicht ein größerer Beweis für ihre Sittsamkeit als die unselige Geburt für ihre Unsittlichkeit? [Ita non maius est argumentum pudicitiae, quod parere voluit, quam impudicitiae, quod <in>feliciter peperit?]

14. Du siehst ein Neugeborenes, das mit vielleicht verletzten Eingeweiden herausgepresst wurde: Die Macht der Schicksals ist auch im Mutterleib groß. Du siehst von einer Blutkrankheit entzündete Haut – und hältst es für die Hautfarbe: Damit tust du dem Kind vielleicht Unrecht. Gerade der Umstand, dass eine Quetschung die Haut tief gebräunt hat, verflüchtigt sich langfristig.

15. Gewöhnlich helle Gliedmaßen werden von der Sonne gebräunt, und die Blässe weicht vom Körper; wie braun Gliedmaßen von Natur aus auch sein mögen, der Schatten lässt sie zwangsläufig bleichen.

16. Die Zeit vermag ebensoviel, wie deiner Meinung nach die Natur vermag.

(Calpurnius Flaccus: Deklamationen. Hrsg. v. Stefan Knoch. Berlin/Boston 2024, S. 26-29)

(1) Gemeint ist das östlichste Ende der Welt, wo das Himmelsgewölbe auf die als Scheibe gedachte Erde stößt.
(2) der Verteidiger der Ehefrau

Re: Natus Aethiops
Udo schrieb am 04.09.2025 um 15:43 Uhr (Zitieren)
11. Ist das Schamgefühl erst einmal zuschanden, ist zum Laster neigenden Herzen keine Schande mehr widerlich.

Das ist die antike Version von:
Ist der Ruf erst ruiniert, lebt es sich ganz ungeniert.
Calpurnius Flaccus was a rhetorician who lived in the reign of Hadrian, and whose fifty-one declamations frequently accompany those of Quintilian. They were first published by Pierre Pithou in Paris in 1580. Pliny the Younger writes to Flaccus, who, in some editions, is called Calpurnius Flaccus.

Re: Natus Aethiops
βροχή schrieb am 04.09.2025 um 17:38 Uhr (Zitieren)
"... ganz egal ob schwarz ob weiss, die Hauptsach ist, es wird ka Preiß... "
Re: Natus Aethiops
Γραικύλος schrieb am 04.09.2025 um 17:52 Uhr (Zitieren)
Bei einem schwarzen Kind wird auch der gutgläubigste (weiße) Vater skeptisch. Die Argumente 14 und 15 scheinen mir nicht geeignet, daran etwas zu ändern.

Die Anklage lautet ja nicht "Rassenschande", sondern Ehebruch.
Re: Natus Aethiops
βροχή schrieb am 04.09.2025 um 18:05 Uhr (Zitieren)
... Gene können verdeckt weiter gegeben werden. Nicht die Regel, aber das kommt vor. So könnte die Uroma des Vaters den Fehltritt schon gemacht haben.
Re: Natus Aethiops
Γραικύλος schrieb am 04.09.2025 um 20:19 Uhr (Zitieren)
Paßt das zum Argument 16?

Kommt das häufig genug vor, um die Frau freizusprechen?
Re: Natus Aethiops
βροχή schrieb am 04.09.2025 um 20:58 Uhr (Zitieren)
Ist Freispruch eine Frage der Wahrscheinlchkeit?

In den Staaten galt eine optisch weiße Person mit einem schwarzen Vorfahren als schwarz und war für weiße kein Heiratskandidat, weil man nicht riskieren wollte, dass ein schwarzes Kind kommt.


Re: Natus Aethiops
Γραικύλος schrieb am 04.09.2025 um 23:00 Uhr (Zitieren)
Es fällt mir jetzt ein, daß ich schonmal von diesem Effekt gehört habe.
Und ich kann mir vorstellen, daß solche Fälle auch in der Antike bekannt waren. Möglicherweise nimmt Argument 16 darauf Bezug.
 
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