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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Parricida carcerem petens #1 (185 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 05.09.2025 um 23:05 Uhr (Zitieren)
Calpurnius Flaccus: Deklamationen 4:
Parricida carcerem petens / Der Verwandtenmörder, der ins Gefängnis möchte

Damnatus parricidii anno custodiatur. Qui sub noverca damnatus est, vult illum pater domi custodire. Ille petit, ut publico carcere servetur.

Wer wegen Verwandtenmordes verurteilt wurde, soll ein Jahr lang inhaftiert werden. Ein unter dem Einfluss seiner Stiefmutter stehender Sohn wurde wegen Verwandtenmordes verurteilt (1); sein Vater will ihn zu Hause inhaftieren. Er selbst bittet darum, im Staatsgefängnis in Gewahrsam genommen zu werden.

[Für den Verwandtenmörder]
1. Gebt Befehl, dass ich möglichst bald in dieses finstere Loch zu den Schurken geschleppt werde. Man soll gewähren, was man nicht verweigern kann.

2. Hätte ich je glauben können, einmal so unglücklich zu sein, dass mir jemand sogar das Gefängnis missgönnt?

3. Ein Jahr Gefängnis ist dir zu wenig Qual für mich: Du fürchtest, dass deinen Ohren auch nur einer der Seufzer entgehen könnte, die ich in meinem Elend von mir gebe; dass deine väterlichen Augen nicht jede einzelne meiner Martern genießen können; dass niemand da sei könnte, meine Fesseln wieder stramm zu ziehen, wenn sie sich gelockert haben.

4. Gegenüber dem Verurteilten kannst du deine väterlichen Rechte nicht geltend machen: Ich habe keinen Schutzgott mehr, keinen Sklaven mehr, keinen Vater mehr und – meiner Verurteilung sei Dank! – keine Stiefmutter mehr. (2)

5. Ich sehe das Staatsgefängnis vor mir, aus mächtigen Steinquadern erbaut, wie es durch schmale Öffnungen nur ein schwaches Dämmerlicht hereinlässt. Die Angeklagten, die in dieses geworfen wurden, haben die tullianische Todeszelle (3) vor Augen; und jedesmal, wenn das Knarren der Eisentür die hoffnungslos Daliegenden aufschreckt, vergehen sie beinah vor Angst, und indem sie der Hinrichtung eines anderen zusehen, bekommen sie einen Eindruck von ihrer eigenen. Es klatschen Peitschenhiebe, der Henker stopft ihnen trotz allen Sträubens mit dreckiger Hand das Essen hinein. Ein Türwächter mit unerbittlichem Herzen sitzt dort, dessen Auge selbst angesichts seiner weinenden Mutter trocken bleiben würde. Die Körper der Gefangenen starren vor Schmutz, ihre Hände werden eng von Ketten umschlossen.

6. Warum gewährt mir das Gesetz ein Jahr Aufschub und denkt so lange über irgendetwas nach? [Quid est, quod me lex anno reservat, nescioquid diu cogitate?] Freilich, bei einem Verwandtenmord, selbst wenn er offenkundig ist, ist man sich nie sicher. (4)

7. Bedenkt, ihr Richter, wovor ich fliehe, der ich so etwas verlange! Was bedeutet es, ihr Richter, dass ich, ein Verwandtenmörder, meinem Vater keine Furcht einflöße?

8. Soll ich sagen: „Misshandelt mich!“, obwohl ich eine Bitte vorbringe? Soll ich sagen: „Habt Erbarmen!“, obwohl ich Gefängnis für mich erbitte?

(Calpurnius Flaccus: Deklamationen. Hrsg. v. Stefan Knoch. Berlin/Boston 2024, S. 32-35)

(1) Näheres ergibt sich allenfalls aus dem Kontext. Der Stiefmutter wurde in Deklamationen häufig unterstellt, einen negativen Einfluss auf den Familienfrieden auszuüben.
(2) Ein zum Tode Verurteilter verlor nicht nur seine Bürgerrechte, sondern wurde auch aus der Familie ausgestoßen, zu der neben den Freien auch die Sklaven des Haushaltes gehörten; er unterstand damit nicht mehr der patria potestas.
(3) Das Tullianum war ein unterirdischer Teil des römischen Staatsgefängnisses, in dem die zum Tode Verurteilten gefangen gehalten und hingerichtet wurden.
(4) Das heißt wohl: Verwandtenmord ist ein solch unglaubliches Verbrechen, das man selbst bei anscheinend eindeutiger Faktenlage nie sicher sein kann, ob eine entsprechende Verurteilung wirklich zu Recht erfolgt ist. Das Gesetz ordnet daher vor der Hinrichtung eines wegen Verwandtenmordes Verurteilten dessen einjährige Inhaftierung an, um im Falle eines Justizirrtums eine Korrektur zu ermöglichen.

Re: Parricida carcerem petens #1
Udo schrieb am 07.09.2025 um 12:46 Uhr (Zitieren)
Am Rande:
Das menschliche Gewissen:

Das menschliche Gewissen wird aus verschiedenen wissenschaftlichen und philosophischen Perspektiven erklärt:
Evolutionsbiologische Sicht:
Das Gewissen entstand wahrscheinlich durch evolutionäre Vorteile kooperativen Verhaltens. Menschen, die in Gruppen zusammenarbeiteten und soziale Normen befolgten, hatten bessere Überlebenschancen. Empathie und moralische Intuition entwickelten sich als Anpassungen.
Neurobiologische Grundlagen:
Moderne Hirnforschung zeigt, dass moralische Entscheidungen in verschiedenen Hirnregionen verarbeitet werden - im präfrontalen Kortex, der Amygdala und anderen Bereichen. Das Gewissen hat also eine biologische Basis im Gehirn.
Psychologische Entwicklung:
Kinder entwickeln ihr Gewissen durch Sozialisation, Erziehung und Erfahrungen. Zunächst orientieren sie sich an äußeren Autoritäten, später internalisieren sie moralische Prinzipien.
Philosophische und religiöse Traditionen:
Viele Kulturen sehen das Gewissen als gottgegeben oder als Teil der menschlichen Natur. Kant sprach vom "kategorischen Imperativ" als universellem moralischen Prinzip.
Soziokultureller Einfluss:
Konkrete Gewissensinhalte werden stark durch Kultur, Religion, Familie und gesellschaftliche Werte geprägt.
Das Gewissen ist also vermutlich das Ergebnis einer komplexen Wechselwirkung aus Evolution, Neurobiologie, psychologischer Entwicklung und kultureller Prägung.
Re: Parricida carcerem petens #1
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 08.09.2025 um 12:21 Uhr (Zitieren)
Das Gewissen hat also eine biologische Basis im Gehirn.

Wenn es denn nicht im A... ist
scnr
Re: Parricida carcerem petens #1
Udo schrieb am 08.09.2025 um 13:30 Uhr (Zitieren)
scnr

"Sorry, could not resist."

Wieder was dazugelernt.

KI-Bewertung:
Kurz gesagt: Für den Alltag ist es nützliches, aber kein notwendiges Wissen.

PS:
Was ist AIASS? (Eigenproduktion).
Man kann es im Kontext erschlleßen, h.i.w.
Re: Parricida carcerem petens #1
Patroklos schrieb am 08.09.2025 um 15:05 Uhr (Zitieren)
Um dem Thema kurz seine Grausamkeit zu nehmen:
στρουθίον οἰκιακόν, ganz unter uns und im Vertrauen folgendes.
Sind „Spätzle“ mit Spatz und Sperling sprachverwandt, und dies der Form halber?
Re: Parricida carcerem petens #1
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 09.09.2025 um 01:25 Uhr (Zitieren)
Hab neulich einen diesbezüglichen Artikel gelesen, weiß allerdings nicht mehr genau wo.
Tenor des Textes war, wenn ich mich recht entsinne, daß die Herkunft der Bezeichnung nicht zweifelsfrei zu ermitteln sei.
Ich werde mal nachforschen ... bitte um ein wenig Geduld.
 
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