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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Indemnatus carnificem recusans (126 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 22.09.2025 um 13:30 Uhr (Zitieren)
Calpurnius Flaccus, Deklamationen 24:
Indemnatus carnificem recusans / Der ohne Gerichtsprozess verurteilte Sohn, der Einspruch erhebt gegen seine Überstellung an einen Henker

Lege indemnatorum interficiendum pater filium carnifici tradidit. Ille vult manu patris interfici. Pater ipse, qui fuerat offensus, ultro se non posse facere quod coeperat, confitetur.

Gemäß dem Gesetz über Kinder, die ohne Gerichtsprozess verurteilt wurden (1), übergab ein Vater seinen Sohn dem Henker zur Hinrichtung. Dieser will von der Hand des Vaters hingerichtet werden. Der Vater einerseits, der zuvor erzürnt war, gibt zu, dass er nicht ausführen kann, was er begonnen hat.

[Für den Sohn]
1. Welch willfährigen Sohn sich der alte Mann da erzogen hat, dafür wünsche ich keinen anderen Beweis, als dass ich, um meinen Vater nicht zu kränken, gegen meinen Tod keinen Einspruch erhoben habe. Ich, der ich sterben soll, ein junger Mann, noch in seinen frühen Jahren und in einem Alter, in dem sowohl das Leben am teuersten und der Tod verfrüht ist, ich bitte nicht um mein Leben.

2. Wenn er kann, soll er sein Opfer, das er den Hausgöttern [dis penatibus] geweiht hat, hinschlachten, er soll sich durch mein, ja vielmehr durch sein eigenes Blut Genugtuung verschaffen, wofern er nur das Recht der Familienbande [ius pietatis] nicht durch eine verächtliche Hand besudelt (2); denn die Rechtslogik erlaubt es nicht, dass man gegen denjenigen einen Henker hinzuzieht, der bei keinem Richter war. (3) Mein Leben soll der beenden, der es hat beginnen lassen.

3. Nicht über meinen Tod streite ich mit meinem Vater, sondern über die Art seines Vollzugs.

4. Du willst mir das Leben entreißen, das du mir gegeben hast – dem werde ich mich nicht verweigern. Warum forderst du es mittels eines anderen? Mach das Recht geltend, das du für dich in Anspruch nimmst, niemand hindert dich daran. Töte mich, wenn du kannst; mach ein Ende - aber das kannst du ja nicht.

5. Niemand hat je einen Untersklaven zum Magistraten gemacht (4) oder für einen anderen Kriegsdienst geleistet oder den Familienkult durch einen untergeschobenen Sprössling ge-schändet.

6. Mein Leben wird mir entrissen, aber ich habe Anspruch auf die väterliche Hand. Du kannst nicht, mein Vater, die vom Gesetz vorgesehene Strafe verhängen und zugleich den Trost desselben Gesetzes verweigern.

7. Ich werde deine mir geschuldete rechte Hand beschwichtigen; gib sie her, damit ich sie unterdessen inniglich küsse. O Hand, welche mir einst gewogen war, die du mich als Säugling oft getragen hast, die ich als Junge oft mit Tränen begossen habe!

8. Du irrst, mein Vater, wenn du meinst, es sei einfacher, einen derartigen Tod zu sehen, als ihn zu vollstrecken.

(Calpurnius Flaccus: Deklamationen. Hrsg. v. Stefan Knoch. Berlin/Boston 2024, S. 90-93)

(1) Das hier mit den Worten lex indemnatorum[/] angedeutete Deklamationsgesetz erlaubt es einem Vater, seine Kinder auch ohne ein staatliches oder privates Gerichtsverfahren allein auf der Grundlage seiner Hausgewalt ([i]patria potestas) hinzurichten.
(2) die Hand der Henkers, der zu den infamen, d.h. ehrlosen Berufsgruppen ge-hörte
(3) Der Henker ist nur für gerichtlich Verurteilte zuständig.
(4) Ein Untersklave (vicarius) hat faktisch keinen Freien, sondern einen anderen Sklaven zum Herrn und war daher Synonym für ein besonders unterprivilegiertes Mitglied der römischen Gesellschaft. Der Sohn zielt hier mit dem Untersklaven auf den Henker, mit dem Magistraten auf den Vater ab.

Re: Indemnatus carnificem recusans
Γραικύλος schrieb am 22.09.2025 um 13:31 Uhr (Zitieren)
(1) Das hier mit den Worten lex indemnatorum angedeutete Deklamationsgesetz erlaubt es einem Vater, seine Kinder auch ohne ein staatliches oder privates Gerichtsverfahren allein auf der Grundlage seiner Hausgewalt (patria potestas) hinzurichten.
Re: Indemnatus carnificem recusans
βροχή schrieb am 22.09.2025 um 14:44 Uhr (Zitieren)
Der Vater tötet den Sohn eigenhändig.
Ein Motiv, das möglicherweise auf die Bibel zurückgreift, Isaak.

Re: Indemnatus carnificem recusans
Γραικύλος schrieb am 22.09.2025 um 15:06 Uhr (Zitieren)
Er, der Vater, soll ihn töten, so ist es der Wille des Sohnes. Das ist doch merklich anders als der Isaak-Fall, zumal hier kein Befehl Gottes eine Rolle spielt.
Re: Indemnatus carnificem recusans
βροχή schrieb am 22.09.2025 um 15:54 Uhr (Zitieren)
Wie ich es verstehe, will der Vater den Sohn tot sehen. Der Sohn sagt daraufhin, wenn schon denn schon mach es selber.

Re: Indemnatus carnificem recusans
Γραικύλος schrieb am 22.09.2025 um 15:55 Uhr (Zitieren)
Es geht hier nicht um einen Opfertod, sondern um einen Vater-Sohn-Konflikt, in dem sich der Vater auf seine patria potestas beruft und den eigenen Sohn hinrichten lassen will. Der Sohn akzeptiert dies im Prinzip, jedoch nicht die Hinrichtung durch einen Henker.
Re: Indemnatus carnificem recusans
Γραικύλος schrieb am 22.09.2025 um 15:56 Uhr (Zitieren)
Genau wie Du es schreibst, βροχή. Das habe ich erst nachträglich gesehen.
 
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