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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Wo schliefen die Kinder? (261 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 09.10.2025 um 15:46 Uhr (Zitieren)
Wo schliefen in Pompeji oder, allgemeiner ausgedrückt, in der Antike die Kinder? In Pompeji hat man kein einziges Kinderbett gefunden, in Herculaneum ein einziges, eine Wiege. Auch Doppelbetten hat es anscheinend nicht gegeben, allenfalls Betten, in denen man eng zu zweit schlafen konnte.

Frau Beard nimmt an, daß sie mit den Erwachsenen zusammen geschlafen haben, entweder bei ihren Eltern oder sehr viel wahrscheinlicher bei den Sklaven.

Nun kann ich mir Kinder aus höheren Kreisen nur schwer mit Sklaven in einem Bett vorstellen, denke mir aber, sie müssen bei Erwachsenen im Bett einiges mitbekommen haben, was wir heute für nicht kompatibel mit kindlichem Empfinden halten. Was würde ein Psychoanalytiker dazu sagen?

(Zusammengefaßt aus: Mary Beard, Pompeji. Das Leben in einer römischen Stadt. Stuttgart 2011, S. 139)
Re: Wo schliefen die Kinder?
βροχή schrieb am 09.10.2025 um 17:40 Uhr (Zitieren)
Bei asiatischen Nomadenvölkern in der Jurte war/ist es ganz normal, dass die Kinder bei den Eltern schlafen. Die kuscheln sich im Winter alle zusammen wg. d. extremen Kälte. Diese körperliche Nähe empfinden sie als natürlich, es hat für sie keinen sexuellen Bezug. So berichtete es ein mongol. Autor aus seiner Kindheit.

Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 09.10.2025 um 18:18 Uhr (Zitieren)
Nun, aber wenn die Eltern Sex haben (oder die Sklaven), dann bekommen die Kinder das unweigerlich mit. Wie wirkt das auf sie?

Man weiß ja, daß die Latrinen in Rom keinerlei Privatsphäre kannten. (Die in Pompeji lagen regelmäßig in oder bei der Küche!)
Sie haben anscheinend unsere Vorstellung von Intimität und Privatsphäre nicht gekannt.

Dabei war Sex mit den Eltern tabu, ähnlich wie bei uns.
Aber ich durchschaue nicht, wie das alles psychologisch funktioniert hat. Deshalb würde mich die Meinung eines Psychoanalytikers interessieren.
Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 10.10.2025 um 14:51 Uhr (Zitieren)
Frau Beard befragt auch den Gottvater der antiken Architektur, Vitruv.
Kinderzimmer sind im idealen Haus nicht vorgesehen. Überhaupt teilt Vitruv die Räume nicht nach Lebensalter oder Funktion ein, sondern, für uns ungewöhnlich, in zwei Bereiche: den öffentlich zugänglichen und den privaten, zu dem der Zutritt nur mit Genehmigung des Hausherren erlaubt war. Öffentlich: wo der Patron seine Klienten empfing.

Selbstverständlich gab es eine solche Einteilung nicht in den Wohnungen der Ärmeren, die oft nur aus einem einzigen Zimmer bestanden.

Fazit: Nach allem, was wir wissen, legte man weder auf Kinderbetten noch auf Kinderzimmer Wert.
Re: Wo schliefen die Kinder?
Bukolos schrieb am 12.10.2025 um 16:08 Uhr (Zitieren)
Kinderzimmer und -bett sind auch in Mitteleuropa erst seit dem 20. Jh. in allen sozialen Schichten anzutreffen. Was Babys betrifft, darf man wohl aus literarischen Zeugnissen schließen, dass sie in Wiegen (cunae, cunabulae) untergebracht wurden (bspw. Plaut. Truc. 905: fasciis opus est, pulvinis, cunis, incunabulis).

Zitat von Γραικύλος am 10.10.25, 14:51den Gottvater der antiken Architektur

Hat die Übersetzung hier aus godfather tatsächlich Gottvater gemacht?
Re: Wo schliefen die Kinder?
Patroklos schrieb am 12.10.2025 um 16:32 Uhr (Zitieren)
Dabei müsste es doch Patenonkel heißen;)!
Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 12.10.2025 um 16:51 Uhr (Zitieren)
Hat die Übersetzung hier aus godfather tatsächlich Gottvater gemacht?

Nein, das ist meine Formulierung. Ich habe Frau Beard überhaupt nicht wörtlich zitiert.
Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 12.10.2025 um 17:09 Uhr (Zitieren)
Die Frage ist ja, ob sie, wenn sie schon keine speziellen Kinderbetten hatten, doch wenigstens in eigenen Betten schliefen oder - wie Frau Beard vermutet - zusammen mit Erwachsenen.
Re: Wo schliefen die Kinder?
βροχή schrieb am 12.10.2025 um 18:12 Uhr (Zitieren)
Noch bis in die frühe Neuzeit hinein waren Betten selten und teuer, und eine Familie besaß in der Regel ein einziges, das allen im Haus gleichzeitig als Ruhestätte diente. Selbst den Gästen wurde das gemeinsame Bett angeboten. Das war so gewöhnlich, dass es darüber nur wenige Aufzeichnungen gibt.


Quelle: Nadia Durrani & Brian Fagan; Was im Bett geschah: Eine horizontale Geschichte der Menschheit; Reclam Verlag
Re: Wo schliefen die Kinder?
Patroklos schrieb am 12.10.2025 um 19:14 Uhr (Zitieren)
Wie schlafen Kinder?
TIEF.
Re: Wo schliefen die Kinder?
βροχή schrieb am 12.10.2025 um 20:09 Uhr (Zitieren)
Im Allgemeinen haben Schlaf und Schlafgewohnheiten keinen direkten Bezug zur Sexualität.

Quelle: wiki
Re: Wo schliefen die Kinder?
Patroklos schrieb am 12.10.2025 um 20:17 Uhr (Zitieren)
Gilt das nicht auch umgekehrt?
Thou lackest the season of all natures, sleep.
Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 12.10.2025 um 23:46 Uhr (Zitieren)
Die Aussage über das bis in die frühe Neuzeit hinein gemeinsame Bett ist aussagekräftig.
Sie paßt allerdings nicht recht zu dem Umstand, daß in einem etwas wohlhabenderen Haus in Pompeji ca. 20 Menschen wohnten, die Sklaven eingeschlossen (--> familia), und daß man sehr wohl Betten für ein bis zwei Personen gefunden hat (bzw. deren Überreste).

Vor allem aber frage ich mich, wo denn damals der Sex stattgefunden hat, wenn nicht im Bett. Und wenn im Bett, was haben die Kinder davon mitbekommen?

Nicht, daß ich eine Antwort wüßte, aber ich bin mit den gegebenen Antworten nicht zufrieden.
Re: Wo schliefen die Kinder?
βροχή schrieb am 13.10.2025 um 01:23 Uhr (Zitieren)
was haben die Kinder davon mitbekommen?


Selbst wenn die etwas mitbekamen, war das gemeinsame Schlafen üblich, die längste Zeit der Menschheit. Die körperliche Nähe war auch ein Schutz, vor Tieren, vor Kälte, vor dem Velassen werden. (Kinder wurden ausgesetzt).



Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 13.10.2025 um 12:32 Uhr (Zitieren)
Vielleicht gibt dieser Bericht über das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit eine Vorstellung davon, wie das auch in römischen Zeiten ausgesehen haben könnte:
[quote]Das ausgehende Mittelalter ist in all diesen Fragen keineswegs lax, aber es wahrt in den Beziehungen eine weitgehende Freiheit des Ausdrucks und des Verhaltens: Man berührt, liebkost und umarmt einander, schreibt van Ussel; Ammen und Eltern masturbieren kleine Kinder, um sie zu beruhigen. (Bezeichnend sind die ersten sexuellen Erfahrungen des späteren Königs Ludwig XIII. im 17. Jahrhundert, über die der wackere Leibarzt Dr. Héroard ausgiebig berichtet: noch nicht ein Jahr alt, lacht er aus vollem Hals, wenn die Wickelfrau mit den Fingerspitzen seinen „Piepmatz“ schüttelt, dessen wechselnde Zustände während der ganzen frühen Kindheit des künftigen Königs Gegenstand von Spielereien und Neckereien sind.) Erwachsene haben manchmal Beziehungen mit Jugendlichen, die man heute als sexuell bezeichnen würde. Die Masturbation wird erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts von den Ärzten und noch später auch von der Kirche bekämpft. Voreheliche sexuelle Beziehungen sind institutionalisiert. (Dies scheint vor allem für das Land, namentlich in den Niederlanden, zu gelten; hier kennt van Ussel sich aus.) Studenten und Soldaten treiben, was sie wollen. Die Geistlichen halten sich nicht streng an den Zölibat, und die gesamte Familie einschließlich der Dienerschaft schläft nackt in einem einzigen gemeinsamen Zimmer. Auch gebadet wird gemeinsam und nackt. Bei Festlichkeiten stellt man manchmal das schönste Mädchen des Dorfes nackt zur Schau. Das sexuelle Vokabular ist sehr umfangreich. Und die Jugend hat keine besondere Aufklärung nötig, denn was sie wissen will, lernt sie von den Erwachsenen in unmittelbarer Anschauung. [...]
(Philippe Reliquet: Ritter, Tod und Teufel. Gilles de Rais oder Die Magie des Bösen. München/Zürich 1984, S. 307)
Re: Wo schliefen die Kinder?
Γραικύλος schrieb am 13.10.2025 um 12:32 Uhr (Zitieren)
Vielleicht gibt dieser Bericht über das späte Mittelalter und die frühe Neuzeit eine Vorstellung davon, wie das auch in römischen Zeiten ausgesehen haben könnte:
Das ausgehende Mittelalter ist in all diesen Fragen keineswegs lax, aber es wahrt in den Beziehungen eine weitgehende Freiheit des Ausdrucks und des Verhaltens: Man berührt, liebkost und umarmt einander, schreibt van Ussel; Ammen und Eltern masturbieren kleine Kinder, um sie zu beruhigen. (Bezeichnend sind die ersten sexuellen Erfahrungen des späteren Königs Ludwig XIII. im 17. Jahrhundert, über die der wackere Leibarzt Dr. Héroard ausgiebig berichtet: noch nicht ein Jahr alt, lacht er aus vollem Hals, wenn die Wickelfrau mit den Fingerspitzen seinen „Piepmatz“ schüttelt, dessen wechselnde Zustände während der ganzen frühen Kindheit des künftigen Königs Gegenstand von Spielereien und Neckereien sind.) Erwachsene haben manchmal Beziehungen mit Jugendlichen, die man heute als sexuell bezeichnen würde. Die Masturbation wird erst seit Beginn des 18. Jahrhunderts von den Ärzten und noch später auch von der Kirche bekämpft. Voreheliche sexuelle Beziehungen sind institutionalisiert. (Dies scheint vor allem für das Land, namentlich in den Niederlanden, zu gelten; hier kennt van Ussel sich aus.) Studenten und Soldaten treiben, was sie wollen. Die Geistlichen halten sich nicht streng an den Zölibat, und die gesamte Familie einschließlich der Dienerschaft schläft nackt in einem einzigen gemeinsamen Zimmer. Auch gebadet wird gemeinsam und nackt. Bei Festlichkeiten stellt man manchmal das schönste Mädchen des Dorfes nackt zur Schau. Das sexuelle Vokabular ist sehr umfangreich. Und die Jugend hat keine besondere Aufklärung nötig, denn was sie wissen will, lernt sie von den Erwachsenen in unmittelbarer Anschauung. [...]

(Philippe Reliquet: Ritter, Tod und Teufel. Gilles de Rais oder Die Magie des Bösen. München/Zürich 1984, S. 307)
Re: Wo schliefen die Kinder?
βροχή schrieb am 13.10.2025 um 13:29 Uhr (Zitieren)
1984, die hatten auch eine entspr. Brille.

Re: Wo schliefen die Kinder?
Patroklos schrieb am 13.10.2025 um 15:20 Uhr (Zitieren)
Dürer, Ritter, Tod und Teufel. 1513.
Re: Wo schliefen die Kinder?
Patroklos schrieb am 17.10.2025 um 14:19 Uhr (Zitieren)
Auf Umwegen (serendipity) bin ich auf ein thematisch durchaus relevantes Buch gestoßen, charmant, geistreich, lehrreich.
Anthony Burgess
Wiege, Bett und Récamier
Kleine Kulturgeschichte des Liegens.
München 1985
96 Seiten

Bzw
On going to Bed
London 1982
Antiquarisch sehr preiswert erhältlich.

 
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