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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Philosophie und Sterben (104 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 18.11.2025 um 00:25 Uhr (Zitieren)
Cicero, Gespräche in Tusculum I 75 f.:
Das ganze Leben der Philosophen nämlich – so sagt derselbe Mann (1) - ist ein Denken auf den Tod [Tota enim philosophorum vita, ut ait idem, commentatio mortis est]. Denn was tun wir anderes, wenn wir die Seele von der Lust, das heißt vom Körper, wenn wir sie vom Besitz, der der Diener und Gehilfe des Körpers ist, wenn wir sie vom Staat, wenn wir sie von jedem Geschäft abrufen: was, sage ich, tun wir dann anderes, als die Seele zu sich selbst zu rufen, sie zu zwingen, bei sich zu sein, und als aufs stärkste sie vom Körper wegzuziehen? Die Seele aber vom Körper trennen, ist das denn etwas anderes als sterben lernen [secernere autem a corpore animum, num quicquam aliud est <nisi> mori discere]?

Daher wollen wir darauf sinnen, glaube mir, und wollen uns von unserem Körper trennen, das heißt, wollen uns an Sterben gewöhnen. Das wird, solange wir auf Erden weilen, dem Leben im Himmel ähnlich sein [illi caelesti vitae simile], und eilen wir dann aus unseren Banden entlassen dorthin, wird der Flug der Seelen weniger gehemmt sein. Denn die immer in den Fesseln des Körpers waren, gehen, auch wenn sie gelöst sind, langsamer einher, so wie die, welche viele Jahre in Eisen geschmiedet lagen.

Wenn wir dorthin kommen, dann erst werden wir leben; denn dieses Leben ist der Tod [nam haec quidem vita mors est]. Ich könnte ein Klagelied darüber singen, wenn ich Lust hätte.
[...]

So weit aber ist der Tod davon entfernt, ein Übel zu sein, wie es dir eben schien, daß ich fürchte, daß für den Menschen nichts anderes in höherem Grade – sicherlich kein Übel, sondern auch ein Gut ist, wofern wir selbst Götter oder mit den Göttern sein werden.

(Marcus Tullius Cicero: Gespräche in Tusculum – Tusculanae disputationes. Hrsg. v. Karl Büchner. Zürich/Stuttgart ²1966, S. 74-77)

(1) Sokrates (oder Cato der Jüngere)
Re: Philosophie und Sterben
Γραικύλος schrieb am 18.11.2025 um 00:32 Uhr (Zitieren)
an Sterben --> ans Sterben
Re: Philosophie und Sterben
Andreas schrieb am 18.11.2025 um 17:16 Uhr (Zitieren)
sondern auch ein Gut ist, wofern wir selbst Götter oder mit den Göttern sein werden.

Und worin wird das Gottsein bestehen?
In all den anthropomorphen Eigenschaften,
die so gar nicht göttlich sein wollen oder können?
Oder wie im AT, wo die Schlange sagt:
Ihr werdet sein wie Gott, wissend Gut und Böse.
Worin beides konkret besteht, sagt die Stelle nicht.
Biophilie bzw. Nekrophilie vlt. ??

Wie dachten die Römer die Apotheose?
Was macht der Mensch als tranzendenter Gott?
Re: Philosophie und Sterben
Γραικύλος schrieb am 18.11.2025 um 18:11 Uhr (Zitieren)
Und worin wird das Gottsein bestehen?

In all den Eigenschaften, welche antike Götter auszeichnen, zuvörderst unsterbliches Leben.

Ob dies Eigenschaften sind, die gar nicht göttlich sein können, hängt von der Definition des Begriffs "göttlich" ab, die in diesem Falle natürlich keine monotheistische ist.

Man beachte Ciceros Zusatz: "wofern wir selbst Götter oder mit den Göttern sein werden".
Re: Philosophie und Sterben
Γραικύλος schrieb am 18.11.2025 um 18:13 Uhr (Zitieren)
Ich sehe nicht, wieso die monotheistische Gottesvorstellung die einzig "richtige" sein sollte.
Re: Philosophie und Sterben
βροχή schrieb am 18.11.2025 um 20:20 Uhr (Zitieren)
wofern wir selbst Götter oder mit den Göttern sein werden



Das ist wohl eine sarkastische Anspielung auf die Vergöttlichung der Kaiser. Könnte sein, dass Cicero nicht so viel davon hielt?



Re: Philosophie und Sterben
Γραικύλος schrieb am 18.11.2025 um 20:30 Uhr (Zitieren)
Zu Ciceros Zeit gab es noch gar keine vergöttlichten Kaiser. Diese Sitte kam - wie die Kaiser überhaupt - erst nach Ciceros Tod auf.
Re: Philosophie und Sterben
βροχή schrieb am 18.11.2025 um 20:47 Uhr (Zitieren)
... dann hat er sie zur Vergöttlichung inspiriert, evtl. ungewollt. Diese startete direktt nach Ciceros Tod.
 
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