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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Bücherflut und ihre Folgen (55 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 30.11.2025 um 13:41 Uhr (Zitieren)
Ich bin außerstande zu begreifen, wieso man Leute ohne Führerschein im Straßenverkehr nicht zuläßt, auf die Bücherregale hingegen in beliebiger Anzahl die Bücher von Leuten ohne Anstand gelangen können, von ihrem Wissen ganz zu schweigen. Ausgelöst wurde diese Inflation des gedruckten Wortes zweifelsohne durch das exponentielle Anwachsen der Zahl der Schreibenden, aber gleichermaßen auch durch die Verlagspolitik.

Die Kinderzeit unserer Zivilisation war ein Zustand, da nur auserwählte Personen mit gediegener Bildung lesen und schreiben konnten, und ein ähnliches Kriterium war auch nach der Erfindung der Buchdruckerkunst noch wirksam, ja selbst wenn die Werke von Dummköpfen verlegt wurden (was sich wohl schwerlich ganz umgehen läßt), dann war ihre Zahl niemals so unübersehbar groß wie heutzutage. Heute müssen wertvolle Publikationen in einem Meer von Schund untergehen, denn unter zehn miserablen Büchern findet man leichter ein gutes Buch heraus als tausend unter einer Million. Überdies wird das Pseudoplagiat unvermeidlich – die ungewollte Wiederholung fremder, aber nicht bekannter Gedanken.
[...]

Die Literatur hatte seit ihrer Geburt angeblich einen Feind: die Beschränkung des geäußerten Gedankens. Es zeigt sich jedoch, daß die Freiheit des Wortes für den Gedanken noch tödlicher sein kann; verbotene Gedanken kursieren insgeheim, was aber bleibt uns dort, wo eine bedeutungsvolle Tatsache in einer Schwemme von Fälschungen untergeht und die Stimme der Wahrheit übertönt wird von unsäglichem Getöse und, obwohl sie ungehindert erklingt, nicht gehört werden kann, denn die Informationstechniken haben bisher einzig dazu geführt, daß man am deutlichsten den vernimmt, der am lautesten brüllt, und brülle er noch so falsch?

(Stanisław Lem: Die Stimme des Herrn. Frankfurt/Main 1981, S. 36-38)

Im polnischen Original hat Lem dies 1968 geschrieben, als es mit den Informationstechniken ja noch gar nicht so weit her war!

Selige Antike, da man unter zehn miserablen Büchern ein gutes entdecken konnte.
 
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