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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos (702 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 05.10.2018 um 16:03 Uhr (Zitieren)
Zosimos, der letzte heidnische Historiker, verfaßte um 500 u.Z. seine Ἱστορία νέα. In dieser handelt er die gesamte Iulisch-Claudische Dynastie auf einer halben Seite ab.
War damals das Interesse daran so geschwunden? Oder durfte er sie als bekannt voraussetzen? Letzterer Annahme widerspricht sein Schweigen über "Nero und die nach ihm kamen im Besitze der Alleinherrschaft" (also: Galba, Otho und Vitellius).
Da habe ich den Eindruck, daß er sich - als Heide in einer bereits christlich dominierten Umgebung - ihrer schämt und gleichsam die seinerzeitige damnatio memoriae aufrechterhalten will. Doch von Ocativan, dem er zubilligt, "das Regiment auf eine billige Weise" verwaltet zu haben, erwähnt er als Detail lediglich, unter seiner Regierung sei der Pantomimentanz eingeführt worden.
(I 6)
Ein seltsamer Umgang mit der Geschichte.
Weiß jemand dazu etwas Erläuterndes zu sagen?
Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 09.10.2018 um 13:04 Uhr (Zitieren)
Weit entfernt davon, auf diesem Gebiete ein Fachmann zu sein, scheint mir jedoch der Abschnitt in der WIki einen Hinweis auf diese uns seltsam vorkommende Darstellung zu geben:

Zosimos war ein bekennender Pagane („Heide“) und ein dezidierter Feind des Christentums, was sich auch in seinem Werk bemerkbar macht. Oft wird angenommen, das Fehlen der Abschnitte über den Christenverfolger Diokletian und die Eroberung Roms (die die Nichtchristen als Rache der Götter am christianisierten Imperium verstanden) sei kein Zufall, sondern spätere christliche Kopisten hätten diese Schilderungen bei Zosimos als anstößig empfunden und die entsprechenden Passagen bewusst nicht überliefert. Doch auch so wird deutlich, dass Zosimos den Verfall des Imperiums als Bestrafung für die Abkehr von den alten Göttern auffasste: Indem Konstantin 313 die fälligen Säkularfeiern nicht abgehalten habe, habe das Reich den göttlichen Beistand eingebüßt. Diese Position übernahm Zosimos zweifellos bereits aus seinen Quellen. Aber auch an anderen Stellen polemisierte Zosimos gegen die christlichen Kaiser, während er den letzten paganen Herrscher Julian ausgiebig preist. Das Geschichtsbild des Zosimos ist stark negativ gefärbt; für ihn ist der Untergang des Römischen Reiches bereits ein unausweichliches Faktum, obwohl das Ostreich ja noch sehr lange Zeit bestehen blieb. In diesem Sinne wollte er die Geschichte dieses vermeintlichen Untergangs beschreiben und aus explizit paganer Perspektive deuten [Hervorhebung ist meine], als Parallele zur Beschreibung des Aufstiegs des Imperiums durch Polybios.


Wenn das Ziel seiner historiographischen Aufarbeitung also gewesen sein sollte, den Untergang des Reiches als (notwendige) Folge der Abkehr von den alten Göttern zu kennzeichnen, so bedarf es einer ausführlichen Schilderung der ersten Kaiserzeit tatsächlich nicht - da war ja sozusagen noch alles in Ordnung.

Aber das ist nur eine Folgerung aus dem o. g. Artikel, nicht aus eigenem Studium der Materie gewonnene Erkenntnis.
Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 09.10.2018 um 13:30 Uhr (Zitieren)
Vielleicht gibt ja auch der Titel des Werks einen Hinweis, wenn man ihn als "Neuere Geschichte"versteht.
Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
filix schrieb am 09.10.2018 um 23:16 Uhr (Zitieren)
Wiederkehrendes Thema scheint mir die Alleinherrschaft als Wurzel des Übels zu sein - die Welt ist in der knappen Darstellung der ersten Kaiserzeit keineswegs in Ordnung, von Religion eigentlich gar nicht die Rede, vielmehr von Tyrannei und Dekadenz, die sich seit dem Untergang der Republik zum Schaden des Gemeinwesens entfalten können (I, 5).
Oktavian infiltriert die Herrschaft mit der Welt des Schauspiels (eigentlich ein interessanter Punkt, wenn man ihn von der Verfallsgeschichtsschreibung ablöst), Tiberius agiert sinnlos grausam, wird vom Volk gehasst und endet auf einer Insel. Caligula übertrifft diese Grausamkeit noch und wird umgebracht. Claudius überlässt seine Amtsgeschäfte freigelassenen Kastraten usf. Dass er diesen Dingen nicht unnötig viel Raum geben möchte, geht aus dem Satz, der auf die Erwähnung Neros folgt, eindeutig hervor:

Besser achte ich es, von diesen nicht das Mindeste zu erzählen, damit das Andenken an ihre sinnlosen und ungereimten Handlungen vertilgt werde (I, 6 in der Übersetzung von Seybold/Heyler).


Autokratische Enthemmung steht auch später bei Konstantin im Zentrum der Kritik:

Wie nun die gesamte Macht allein bei Constantinus lag, verhüllte er nicht mehr länger seine angeborene Schlechtigkeit, sondern nahm sich die Freiheit heraus, in all seinem Tun nach Willkür zu verfahren. (II, 29 in der Übersetzung von Veh/Rebenich)


Nach Zosimos verfällt der Kaiser auf das Christentum überhaupt erst, weil er sich von den begangenen Willkürakten, darunter die Ermordung seines Sohnes Crispus und der Stiefmutter Fausta, durch religiöse Handlungen reinigen will, aber von den Priestern der überkommenen Religion eine Absage erhält:

Und da sich der Kaiser dieser Verbrechen und dazu derartiger Eidbrüche bewußt war, wandte er sich an die Priester und verlangte Sühneopfer für seine Untaten. Als diese aber antworteten, es gebe keine Sühnungsart, welche solche riesige Gottlosigkeiten ungeschehen machen könne, siehe, da kam ein Ägypter aus Spanien nach Rom, machte sich mit den Hofdamen bekannt und erhielt bei Constantinus Audienz.
Dabei versicherte er dem Kaiser, der Christenglaube reinige von jeder Sünde und trage die Verheißung in sich, daß die Gottlosen, sofern sie ihn annähmen, auf der Stelle von jeder Schuld befreit würden. Aufs Willfährigste machte sich Constantinus diese Reden zu eigen, ließ von den väterlichen Riten ab und nahm an, was ihm der Ägypter mitteilte. (II, 29, Übersetzung w. o.)

Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
Γραικίσκος schrieb am 13.10.2018 um 15:12 Uhr (Zitieren)
Ich könnte das leichter nachvollziehen, wenn er Kritik an der Autokratie der Iulisch-Claudischen Dynastie äußern würde; es sind sein weitgehendes Schweigen (Nero) bzw. seine seltsame Akzentuierung (Augustus), die mich irritieren.
Aber vielleicht war sein Interesse nicht so sehr auf die Information des Lesers über lange zurückliegende Zeiten konzentriert.
Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
filix schrieb am 13.10.2018 um 16:02 Uhr (Zitieren)
In I,5 formuliert er diese Kritik an der Alleinherrschaft und ihren Folgen, wenn der Herrscher die Grenzen der Gewalt übertritt und zum Tyrannen wird (Aufhebung des Rechts, Korruption, Günstlinge in Schlüsselpositionen, Zersetzung der öffentlichen Moral, Geringschätzung der Untertanen) und beginnt I,6 damit, "daß dieses sich also verhalte, zeigte die Erfahrung der vergangenen Zeiten augenscheinlich; nicht weniger dasjenige, was sogleich unter Oktavianus Regierung sich zutrug". Der anschließende Schnelldurchlauf handelt nur von Tyrannei und Dekadenz. Ich finde das ziemlich deutlich.
Re: Eine Frage zur Ἱστορία νέα des Zosimos
Γραικίσκος schrieb am 13.10.2018 um 17:03 Uhr (Zitieren)
I,5 ist eine grundsätzliche Kritik der Autokratie, kein Zweifel. Daß Zosimos, als es ihm dann in I,6 darum geht, seine Kritik an Octavian (den er ja schon in I,5 erwähnt) zu exemplifizieren bzw. zu belegen, als Detail nur die Zulassung des Pantomimentanzes erwähnt, irritiert mich weiterhin.
Immerhin gibt er zu, daß Vespasian und Titus Ausnahmen waren, wiederum ohne Details.
Wenn ich eine These begründen sollte, ging ich so nicht vor.
 
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