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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
ὁ Φοῖνιξ (646 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 18.01.2019 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Die Sage vom Vogel Phönix meint man zu kennen: ein Vogel, der sich selber verbrennt und aus der Asche wiederaufersteht - ein Symbol für die Wiedergeburt.

Wenn man den antiken Quellen nachgeht, erlebt man eine Überraschung:

- Die älteste Erwähnung findet sich bei Hesiod, fr. 304 MW; dort ist jedoch nur von dem phantastischen Alter des Phönix die Rede.

- Herodot, II 73, berichtet, er habe den Vogel in Ägypten abgebildet gesehen, und gibt den Bericht wieder, nach dem der Phönix aus Arabien alle 500 Jahre mit der - kunstvoll verpackten - Leiche seines Vaters geflogen kommt, um diesen im Heiligtum des Helios (= Heliopolis) zu bestatten. Kein Wort also von Selbstverbrennung und Wiedergeburt.

- Ovid in den Metamorphosen (XV 392 ff.) schreibt zwar, der Vogel erzeuge und erneuere sich selbst, aber in der näheren Beschreibung erfährt man, daß er aus dem Leibe des Vaters (nach einer Lebensdauer von 500 Jahren) hervorwächst und dessen Leiche dann am Tor des Sonnentempels niederlegt.

- Martial in den Epigrammen (V 7) benutzt den 1000 Jahre lebenden Phönix als Metapher für das nach einem Brand wiederentstehende Rom.

- Plinius in seiner Naturgeschichte (X 2) gibt die Lebensdauer mit 540 Jahren an, beschreibt sein Aussehen und berichtet ebenfalls, daß er aus seinem Vater entstehe und diesen dann nach Heliopolis bringe, um ihn dort zu bestatten. Zur Zeit des Kaisers Claudius habe man in Rom sogar einen Phönix gezeigt, der aber wohl ein falscher gewesen sei. Überhaupt betont Plinius seinen Unglauben.

- Tacitus in den Annalen (VI 28) erwähnt ein Auftauchen des Phönix zur Zeit des Kaisers Tiberius, nennt unterschiedliche Angaben über die Lebensspanne (500 Jahre, 1461 Jahre), ordnet die Erscheinungen verschiedenen historischen Herrschern von Sesostris I. über Amasis und Ptolemaios III. bis Tiberius zu, bemerkt Ungereimtheiten in den Zeitabständen und gibt ebenfalls an, daß der sterbende Vater einen neuen Phönix erzeuge, der dann den Leichnam des Vaters in Heliopolis auf dem Altar des Sonnengottes verbrenne. Die Existenz des Phönix bezweifelt Tacitus nicht, wohl aber die Details der Berichte über ihn.

- Erst Lactanz in De ave Phoenice erzählt in einem längeren poetischen Werk die Geschichte so, wie man sie kennt, also daß es sich um ein und denselben Vogel handele, der sich und nicht nur den Vater verbrenne, um aus der Asche wiedergeboren zu werden; Lactanz schließt seine Darstellung mit Worten, in denen die Paradoxie des Vorgangs auf die Spitze getrieben wird:
mors illi venus est, sola est in morte voluptas:
ut possit nasci, appetit ante mori.
ipsa sibi proles, suus est pater et suus heres,
nutrix ipsa sui, semper alumna sibi –
ipsa quidem, sed non eadem quia et ipsa nec ipsa est,
aeternam vitam mortis adepta bono.

Daß Lactanz, der doch ein christlicher Autor war, hier einen heidnischen Mythos in ersichtlich gläubiger Weise wiedergibt, ist ein eigenes Problem.

- Bei Claudian als dem spätesten Bericht aus der Antike schließlich, und zwar in den Carmina minora (XXVII), ist der Phönix dann ebenfalls sein eigener Vater und Sohn.

Fazit: In der uns geläufigen Form ist die Geschichte vom Vogel Phönix erst spätantik.
Re: ὁ Φοῖνιξ
filix schrieb am 19.01.2019 um 22:47 Uhr (Zitieren)
Die Deutung des aus dem Leichnam seines Vorgängers sich entwickelnden Phönix (die Entstehung von Leben aus Kadavern ist ja ein Kapitel für sich in der Antike, man denke an die Bugonie) als Verheißung der Auferstehung frommer Christen findet sich schon im ersten Clemensbrief (c. 25 bzw. 26), also etwa 200 Jahre vor Laktanz. Dieser feuchte Moder als Ort der Erneuerung hat die Urchristen also wohl noch nicht gestört.

Die Selbsteinäscherung in De ave Phoenice könnte unter dem Einfluss der sich im zweiten und dritten Jahrhundert entwickelnden christlichen Auffassung von einem Reinigungsprozess nach dem Tode durch ein mehr oder minder spirituelles Feuer, aus der dann im Weiteren die Vorstellung eines Purgatoriums hervorgeht, entstanden sein.
Re: ὁ Φοῖνιξ
Γραικίσκος schrieb am 20.01.2019 um 00:10 Uhr (Zitieren)
Oh, der erste Klemensbrief, auf den war ich noch nicht gekommen. Die Darstellung entspricht der des Herodot, wie man sieht:
Kapitel 25 - Oder denken wir an das wundersame Geschehen, das sich im Orient, in der Provinz Arabien, zu ereignen pflegt. Da gibt es einen Vogel namens Phönix. Er ist der einzige seiner Art. Er lebt 500 Jahre, und wenn er dem Sterben nahe ist, baut er sich ein Nest aus Weihrauch, Myrrhe und anderen wohlriechenden Pflanzen. Wenn seine Zeit erfüllt ist, geht er in das Nest und stirbt. Dann verfault sein Fleisch, und es entsteht ein Wurm, der ernährt sich vom Fäulnissaft des verendeten Tieres und bekommt eines Tages Flügel. Wenn er dann kräftig genug ist, nimmt er das Nest mit den Gebeinen seines Vorgängers und fliegt damit von Arabien nach Ägypten in die Stadt Heliopolis. Und bei Tageslicht, wenn alle es sehen können, legt er seine Last am Altar des Sonnengottes nieder und fliegt zurück. Wenn die Priester in ihren Zeittafeln nachschauen, stellen sie fest, daß der Phönix genau nach 500 Jahren gekommen ist.

Kapitel 26 – Groß und staunenswert ist es, wenn der Schöpfer aller Dinge die auferstehen läßt, die ihm hingebungsvoll voll gläubigen Vertrauens gedient haben. Durch den Vogel Phönix weist er uns so auf die Größe der Verheißung hin. Denn an einer Stelle heißt es: „Du wirst mich auferstehen lassen, und ich werde dich loben.“ Und anderswo: „Ich bin eingeschlafen und schlief, nun bin ich erwacht, denn du bist bei mir.“ Und Hiob sagt: „Du wirst aufrichten meinen Körper, der all dies erduldet hat.“

Das Neue Testament und frühchristliche Schriften. Hrsg. v. Klaus Berger/Christiane Nord. Frankfurt am Main/Leipzig 1999, S. 701]

Der Hinweis auf eine Frühform des Glaubens an ein Purgatorium ist interessant.
Re: ὁ Φοῖνιξ
Γραικίσκος schrieb am 21.01.2019 um 18:30 Uhr (Zitieren)
Der Phönix-Mythos geht wohl auf den im Ägyptischen Totenbuch erwähnten Vogel benu (bnw) zurück, von dem es im Kapitel XVII heißt:
Ich weiß den geheimen Namen
Der großen Gottheit im Himmel,
Ich, der Phönix [= benu] von Heliopolis.
 
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