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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt (731 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 04.02.2019 um 16:09 Uhr (Zitieren)
Der Archäologe Klaus Schmidt, der sich um die Ausgrabung von Göbekli Tepe verdient gemacht hat, ist durch dieses älteste religiöse Großbauwerk der Welt (9000 - 10000 v.u.Z.), entstanden zu einer Zeit, in der es noch keine Städte gab, zu der These gelangt,
dass ein gemeinsames Glaubenssystem weithin verstreute Menschen nicht nur dazu brachte, sich hier zu versammeln, sondern es ihnen auch ermöglichte, übergreifender zusammenzuarbeiten als je zuvor. Er argumentierte, dass Jäger und Sammler später in der Lage waren, gemeinsam in Städten zu leben und zu arbeiten, weil sie sich ähnliche Formen der Kooperation zunächst bei der Schaffung eines solchen Ortes für religiöse Zeremonien angeeignet hatten. Die Planung und Errichtung eines bedeutenden Sakralraums war der nötige Probelauf für die urbane Zivilisation - oder wie er es schlagend formulierte, indem er die klassische Abfolge umkehrte: "Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt". Mit anderen Worten: Wir lebten mit den Göttern, bevor wir eng beieinander zusammen lebten.

Das habe ich zitiert aus: Neil MacGregor, Leben mit den Göttern. München 2018. S. 184 f.
(Neil MacGregor war langjähriger Direktor der National Gallery in London und des British Museums.)

Was haltet Ihr von Schmidts These?

Mir fällt auf, daß die ersten Städte nicht dort entstanden sind, wo zuvor die ältesten religiösen Großbauten standen (man kann da die Megalith-Bauten hinzunehmen) - und auch erst tausende Jahre später, also mit einer zeitlichen Lücke.
Das ist mir zu weit auseinander für eine kausale Beziehung.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Γραικίσκος schrieb am 08.02.2019 um 15:08 Uhr (Zitieren)
Zu noch größerer Verdeutlichung: Bei Göbekli Tepe hat man keinerlei Zeugnisse städtischen Lebens gefunden, sondern nur große Tempelbauten.
Die älteste Stadt dürfte wohl Jericho sein, aber die liegt ziemlich weit weg und ist 2000 Jahre jünger.
Welcher Lerneffekt sollte da wie transportiert worden sein?
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Marcella schrieb am 08.02.2019 um 15:58 Uhr (Zitieren)
Einwand: Die frühen Indus-Kulturen (Harappa, Mohendjo Dar) weisne zwar eine ausgefeilte städtische Infrastruktur auf, jedoch leider weder Tempel noch Palast.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Marcella schrieb am 08.02.2019 um 15:58 Uhr (Zitieren)
Einwand: Die frühen Indus-Kulturen (Harappa, Mohendjo Dar) weisne zwar eine ausgefeilte städtische Infrastruktur auf, jedoch leider weder Tempel noch Palast.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Φιλομαθής schrieb am 08.02.2019 um 19:28 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικίσκος am 8.2.19, 15:08Welcher Lerneffekt sollte da wie transportiert worden sein?

Ich vermute, hinter Schmidts These steht die Annahme, dass große Tempelbauten das Zusammenleben von zahlreichen Menschen während der Bauzeit des Tempels notwendig machten. Hierfür mussten Kenntnisse erworben werden, die das Leben in kleineren Verbänden nicht bereitstellte (Beschaffung und Lagerung großer Lebensmittelvorräte, Organisation der Beseitigung des Unrats, Aufstellen von Regeln und Rechtsnormen für das Zusammenleben von einander Fremden usw.). Auch wenn die Lager der Tempelbauer nach Vollendung ihres Zwecks wieder abgebrochen wurden, blieb das Wissen erhalten, das die Errichtung von Großsiedlungen andernorts ermöglichte.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Γραικίσκος schrieb am 09.02.2019 um 13:31 Uhr (Zitieren)
So lautet Schmidts Gedanke. Mein Problem ist: Wie sollte ein nicht mehr angewendetes Wissen über mehr als 2000 Jahre hinweg erhalten bleiben, um dann in doch beträchtlicher räumlicher Entfernung (Jericho, Mesopotamien) wieder zum Zuge zu kommen?
Zwischen Göbekli Tepe und Jericho sind ja keine weiteren religiösen Großbauten vor der Gründung von Städten bekannt.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Γραικίσκος schrieb am 09.02.2019 um 13:34 Uhr (Zitieren)
Die Indus-Kultur ist ja noch weiter weg und paßt, wie Marcella schreibt, auch aus anderen Gründen nicht recht.

Es handelt sich ja nicht um ein theoretisches Wissen, das in mündlicher Form hätte tradiert werden können, sondern um eine praktische Fähigkeit.
Re: Zuerst kam der Tempel, dann die Stadt
Φιλομαθής schrieb am 10.02.2019 um 15:14 Uhr (Zitieren)
Wenn man mit Bestimmtheit sagen kann, dass in den nächsten 2000 Jahren nach Errichtung jener Tempel weit und breit keine Stadt oder stadtähnliche Siedlung, nicht einmal eine aus Lehmhütten oder Zelten gebildete, enstand, dann erscheint die Schmidtsche These in der Tat unwahrscheinlich, selbst wenn die mit dem Tempelbau gewonnenen zivilisatorischen Errungenschaften in Form von Erzählungen und Mythen über einen gewissen Zeitraum hinweg hätten weitergegeben werden können.
 
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