Laëtitia schrieb am 11.04.2019 um 17:31 Uhr (Zitieren)
Chairete,
kennt jemand von euch mittelalterliche altgriechische Texte aus Westeuropa? Oder war Griechisch in der Zeit wirklich schon zu 100% vom Lateinischen verdrängt?
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Γραικίσκος schrieb am 11.04.2019 um 18:49 Uhr (Zitieren)
Ich kenne keine "alt"griechischenTexte des Mittelalters aus Westeuropa.
1. Das in Osteuropa verbreitete byzantinische Griechisch unterschied sich ja bereits merklich vom Altgriechischen.
2. Schon in der Antike, etwa in der Zeit des Römischen Reiches, gab es ja eine Differenz zwischen dem eher Latein sprechenden Westen und derm Griechisch sprechenden Osten.
Was man eventuell für das mittelalterliche Westeuropa hätte erwarten können, wäre ein Austausch von Personen der einen oder anderen Herkunft, wobei auch Byzantiner in den Westen gelangen konnten. Nun waren aber die Beziehungen oft von Gegensätzen geprägt (das kirchliche Schisma, der Handelsgegensatz Venedig - Byzanz, die Eroberung Konstantinopels durch "Kreuzritter" mit der Gründung des lateinischen Kaiserreichs usw.), was der Sprachübernahme nicht günstig ist.
Die einzige Ausnahme, die mir einfällt, ist die Heirat zwischen Kaiser Otto II. und der byzantinischen Prinzessin Theophanou. Zu einer Verbreitung der griechisch-byzantinischen Sprache im Westen hat aber auch sie m.W. nicht geführt.
Da man hin uns wieder miteinander verhandelt hat, müßte es Diplomaten bzw. Dolmetscher gegeben haben, die zwei Sprachen beherrschten. Aber auch sie haben weder Literatur in griechischer Sprache im Westen produziert noch dort popularisiert.
Was es aber gibt, sind byzantinische Beschreibungen des Abendlandes. In den Westen sind sie damals nicht gelangt.
Die mittelalterlichen Philosophen des Westens konnten die antiken Klassiker nicht im Original lesen.
Ich hänge mal einen Bericht des Georgios Sphrantzes (1401-1477/79) aus seinem "Chronicon Maius" an, dem man entnehmen kann, wie desolat die Beziehungen in der Phase der drohenden Eroberung Konstantinopels waren:
[Quelle: Byzantinische Geschichtsschreiber; herausgegeben von Endre von Ivánka, Band I: Die letzten Tage von Konstantinopel. Graz/Wien/Köln 31965, S. 92-96]
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Γραικίσκος schrieb am 11.04.2019 um 18:53 Uhr (Zitieren)
Eine spätmittelalterliche byzantinische Beschreibung Westeuropas ist die des Laonikos Chalkokondyles (ca. 1423-1490). Darin heißt es:
[Quelle: Byzantinische Geschichtsschreiber; herausgegeben von Endre von Ivánka, Band II: Europa im XV. Jahrhundert von Byzantinern gesehen. Graz/Wien/Köln 21965, S. 16-18]
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Γραικίσκος schrieb am 11.04.2019 um 19:02 Uhr (Zitieren)
Graz/Wien/Köln ³1965
Graz/Wien/Köln ²1965
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Laëtitia schrieb am 12.04.2019 um 14:26 Uhr (Zitieren)
Danke Γραικίσκε, auch wenn die Antwort etwas ernüchternd ist. Ist es nicht trotz den nicht gerade freundschaftlichen Beziehungen erstaunlich, wie das Griechische völlig von der Bildfläche verschwindet?
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Γραικίσκος schrieb am 12.04.2019 um 15:26 Uhr (Zitieren)
Bei "es gibt nicht" kann man ja nie so ganz sicher sein. Vielleicht hat Theophanou in griechischer Sprache Briefe an ihre Verwandten in der Heimat geschickt? Aber abgesehen davon, daß sowas nicht erhalten ist, ist es ja auch nicht das, was Du eigentlich meinst.
Da Griechisch im MA in Westeuropa nicht gelehrt wurde, müßte es sich jedenfalls um einen Exilanten aus Byzanz handeln.
Re: Altgriechisch im Mittelalter
Γραικίσκος schrieb am 20.04.2019 um 23:40 Uhr (Zitieren)
Man kann die Frage auch umgekehrt stellen: Was ist eigentlich im Oströmischen Reich aus dem Lateinischen geworden?
Hier eine Antwort:
[Hans-Wilhelm Haussig: Kulturgeschichte von Byzanz. Stuttgart ²1966, S. 241 f.]