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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften (637 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 19.05.2019 um 18:08 Uhr (Zitieren)
In "Spektrum der Wissenschaft" 6.19 berichtet Michael Springer über eine auf Daten von 414 Gesellschaften aus den vergangenen 10000 Jahren beruhende Untersuchung der University of Oxford; der zufolge "wächst die Kengröße 'soziale Komplexität' vor dem Auftreten strafender Götter mehr als fünfmal so schnell wie danach."

Überhaupt traten moralisierende Götter erstmals um 2800 v.u.Z. in Ägypten auf, also recht spät.

Dessenungeachtet tragen solche Vorstellungen von Götttern, die über unser Verhalten wachen und Übeltäter bestrafen, dann zur Stabilisierung von Gesellschaften bei; eine notwendige Voraussetzung für deren Entstehung sind sie nicht.

Die einzige urbane Großgesellschaft, die gar keine individuell sanktionierenden Götter kannte, war übrigens die der Inka.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
HB schrieb am 21.05.2019 um 07:11 Uhr (Zitieren)
vgl:
Ernst Topitsch,Erkenntnis und Illusion: Grundstrukturen unserer Weltauffassung
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
Γραικίσκος schrieb am 26.05.2019 um 23:23 Uhr (Zitieren)
Danke für den Hinweis. Den Autor kenne ich, doch das Buch besitze ich nicht.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
Γραικίσκος schrieb am 30.05.2019 um 18:33 Uhr (Zitieren)
Es ist interessant - ich habe mir das Buch jetzt bestellt.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
mitleser schrieb am 10.06.2019 um 09:17 Uhr (Zitieren)
Interessant ist die Frage, inwiefern und wie nachhaltig Beobachtung moralisches Verhalten prägt. Menschen verhalten sich moralischer, wenn sie beobachtet/das Gefühl haben beobachtet zu werden.
Kennt ihr Studien dazu?
Die extremen Ausmaße sieht man ja an dem Sozialpunktesystem in China.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
Γραικίσκος schrieb am 10.06.2019 um 16:21 Uhr (Zitieren)
In Stammesgesellschaften spielt die Beobachtung durch andere eine kontrollierende, verhaltenssteuernde Rolle; so kommen sie ohne staatliche Instanzen aus.
Selbst Elstern und andere Rabenvögel verhalten sich anders, wenn sie wissen, daß sie von ihresgleichen beobachtet werden. Hunde bei Menschen sowieso.
Interessant fand ich ein Experiment, das von Ratten berichtet wurde und mit dem man ihre Fähigkeit zu zählen testen wollte. Sie bekamen eine Reihe von zehn Futterstücken vorgelegt, wurden aber von einem anwesenden Menschen immer dann unterbrochen, wenn sie mehr als vier Stücke fressen wollten. Irgendwann hörten sie dann nach dem vierten Stück auf. In der nächsten Phase war kein Mensch mehr im Raum, und von einer Beobachtung durch eine Spiegelscheibe wußten die Ratten nicht. Sie schauten, beim fünften Stück angekommen, vorsichtig nach allen Seiten ... und fraßen dann weiter.

Dieses neue System in China grenzt an einen Alptraum - der aber anscheinend von den meisten Chinesen gar nicht so empfunden wird.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
mitleser schrieb am 10.06.2019 um 16:59 Uhr (Zitieren)
Dann dürften manche - mich ausgenommen! - schnell sagen, gemäß dem Motto "Wer nichts falsch macht, hat nichts zu befürchten", dass die Moral der Gesamtheit höher wiegt als die Privatsphäre des einzelnen. Wenn alle dann besser und moralischer handeln, wäre doch viel erreicht. Im Endeffekt ist es ja die philosophische Frage, weshalb man moralisch handeln sollte. Pragmatikern ist es egal, warum man etwas tut, wenn das Ergebnis stimmt. Und die Moralität von Handlungen nach Kant überzeugt ja auch eher Freigeister.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
Γραικίσκος schrieb am 13.06.2019 um 13:05 Uhr (Zitieren)
Pragmatisch ist es in der Tat schnurz, ob gesellschaftlicher Druck unmittelbar oder durch Inokulierung religiöser Dogmen vermittelt für soziales Wohlverhalten sorgt.
Mit Moral - da bin ich ganz Kantianer - hat beides nichts zu tun.

Das Forschungsergebnis besagt anscheinend, daß religiöser Druck (aufapssende Götter) ergänzend hinzutritt. Weder der aufmerksame Nachbar noch das Gericht können alles wissen - Götter schon.
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
mitleser schrieb am 23.06.2019 um 18:28 Uhr (Zitieren)
Die Geschichte des Hirten Gyges aus Platons Staat passt in dieses Themenfeld. Gyges findet einen Ring, der ihn unsichtbar macht, folglich fühlt er sich auch nicht mehr an die Normen und Moral gebunden -> Der Mensch braucht anscheinend für moralisches Verhalten Zuschauer/Kontrolle?!
Re: Götter als Aufpasser sind keine Voraussetzung für die Entstehung komplexer Gesellschaften
Γραικίσκος schrieb am 24.06.2019 um 14:24 Uhr (Zitieren)
Das denke auch ich. Dieser Fall paßt.

(Interessanterweise müßte übrigens ein Unsichtbarer aus physikalischen Gründen zugleich blind sein, weil die Lichtstrahlen durch ihn hindurchgehen. Auch desalb also ist das kein erstrebenswerter Zustand.)

Vgl. den (von James Whale verfilmten) Roman "Der Unsichtbare" von H. G. Wells.
 
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