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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Heidentum und Sünde (747 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 30.09.2019 um 14:41 Uhr (Zitieren)
Konnte ein griechischer Heide den christlichen Begriff der Sünde verstehen? Es gibt auch im außerbiblischen Gebrauch die Wörter ἁμαρτία, ἀσέβημα, ἀσέβεια, ἀδίκημα und ἀδικία. Wenn man absieht von der allgemeinen Bedeutung des Fehlers, des Verfehlens irgendeiner Norm und sich beschränkt auf den Verstoß gegen göttliche Gebote, dann fällt auf, daß die griechischen Götter zwar gegenüber Menschen kultische Verehrung forderten und im Idealfall belohnten, Verfehlungen hingegen bestraften, jedoch selber nicht als moralische Instanzen fungierten. Sie logen, betrogen, töteten, brachen die Ehe usw.

Wenn also unter „Sünde“ verstanden sein soll, daß ein Mensch schuldhaft gegen die Gebote einer von Gott gesetzten Moral verstößt, dann gibt es dafür anscheinend im heidnischen Glauben keine rechte Entsprechung.

Allenfalls vereinzelt tritt Zeus als Garant der Gerechtigkeit auf (was sich angesichts der Details seines eigenen Verhaltens schon seltsam ausnimmt), wogegen dann die ἀδικία ein Verstoß wäre.

Kann man die Befürchtung der Antigone, den eigenen Bruder unbestattet zu lassen, als Angst vor einer Sünde auffassen? Wer ist der Urheber des Rechtes, das dann gebrochen würde?

Unvergeßlich ist mir die Schilderung Dantes bei seiner Begegnung mit Odysseus und Diomedes im „Inferno“: Sie haben ganz offensichtlich keine Ahnung, warum sie dort sind. Denn eines verstehen sie ganz gewiß nicht: den Begriff der Erbsünde, von der sie als Heiden nicht erlöst sind.
Re: Heidentum und Sünde
Platon schrieb am 30.09.2019 um 15:08 Uhr (Zitieren)
Begriff der Erbsünde,

Ein Begriff, der nicht zuletzt durch einen Übersetzungsfehler von Augustinus schlimme Folgen hatte.
Augustinus hat "eph ho"(=weil) mit "in quo"(=Adam) übersetzt.
Interessant wäre, wie Theologen diesen Begriff im Kontext der Evolutionstheorie bzw. des modernen Weltbildes sehen ("non peccare non posse" auch ein Preis der Evolution?).
https://de.wikipedia.org/wiki/Erbs%C3%BCnde
https://www.welt-der-bibel.de/bibliographie.1.5.roemerbrief.150.html
Re: Heidentum und Sünde
Γραικίσκος schrieb am 30.09.2019 um 15:32 Uhr (Zitieren)
Wen, wie ich da lese, die Strafe der "Erbsünde" der Tod ist, den es ja vorher - im Paradies - nicht gab, dann müßte eigentlich die gesamte Schöpfung diesen Preis zahlen, denn es sterben ja auch die Tiere, Pflanzen und Pilze.

Biologisch:
- Einzeller sterben nicht, jedenfalls nicht zwangsweise; sie teilen sich vielmehr.
- Von der Evolutionstheorie her müßte die Sündenstrafe, der Tod, schon vor der Sünde, die ja erst vom Menschen begangen worden ist, eingetreten sein, da es den Tod schon vor dem Menschen gab.

Theologen haben's schwer.
Re: Heidentum und Sünde
Γραικίσκος schrieb am 30.09.2019 um 15:34 Uhr (Zitieren)
Wen --> Wenn
Re: Heidentum und Sünde
Platon schrieb am 30.09.2019 um 17:49 Uhr (Zitieren)
Vor dem Hintergrund der Evolution erscheinen diese theologischen Konstrukte mehr als seltsam.
Sie sind nur noch interessant für eine psychoanalytische Betrachtung, wie sie z.B. Drewermann versucht hat. Der ist mittlerweile aus der Kirche ausgetreten und hat ganze Wälzer zum
Thema Evolution, Gott und Religion verfasst.
Re: Heidentum und Sünde
Γραικίσκος schrieb am 30.09.2019 um 18:46 Uhr (Zitieren)
Ich habe auch meine Zweifel daran, ob die Theologie schon auf die Abschaffung des geozentrischen Weltbildes reagiert hat. Die Erde, auf welcher der Erlöser uns erlöst hat, steht nicht mehr im Mittelpunkt des Universums.
Hat etwa jeder mit intelligentem Leben ausgestattete Exoplanet in jedem Universum unseres Multiversums einen Gottessohn als Erlöser?
In der Oktober-Ausgabe von "Spektrum der Wissenschaft" hat ein bekannter Quantenphysiker bzw. Stringtheoretiker die Zahl der Universen (!) mit 10^500 bis 10^300000 beziffert.Da hülfe es auch nichts, wenn Jesus ständig unterwegs sein sollte.
Re: Heidentum und Sünde
Γραικίσκος schrieb am 30.09.2019 um 18:47 Uhr (Zitieren)
beziffter.Da --> beziffert. Da
Re: Heidentum und Sünde
Platon schrieb am 01.10.2019 um 07:37 Uhr (Zitieren)
Dazu wäre zunächst der Begriff der Erlösung zu klären.
Es gibt zu diesem Thema ein eigenen Traktat in der kath. Theologie.

https://de.wikipedia.org/wiki/Soteriologie

Bezeichnend ist, was Nietzsche sagte:
"Die Christen müßten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte."

https://www.bibelwissenschaft.de/wirelex/das-wissenschaftlich-religionspaedagogische-lexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/erloesung/ch/10638fd8cc9fcb2f8b19490b9396abd1/

Besonders problematisch ist die Erlösung durch den Kreuzestod.
Dieses Thema wurde und wird sehr kontrovers diskutiert bis hin zu der Behauptung, dass Jesus die Menschheit auch durch einen natürlichen Tod "erlöst" hätte.
Das Solidarisierungmodell scheint mehr Sinn zu machen, auch wenn es viele kritische Fragen aufwirft. ("Gott war in Ausschwitz.")

PS:
Was meinte wohl Heidegger mit "Nur ein Gott kann uns noch retten?"
Re: Heidentum und Sünde
Scipio Africanus schrieb am 04.10.2019 um 23:36 Uhr (Zitieren)
Der Begriff παράπτωμα wird im Römerbrief 5 von Paulus quasi als Synonym für ἁμαρτία benutzt.

"Bezeichnend ist, was Nietzsche sagte:
'Die Christen müßten erlöster aussehen, wenn ich an ihren Erlöser glauben sollte.' "

Den verstehe ich nicht.
...glauben sollte? ...erlöster?
Re: Heidentum und Sünde
Platon schrieb am 05.10.2019 um 11:58 Uhr (Zitieren)
Kennst du nicht die typischen Kirchgänger v.a. auf dem Lande und deren Weltsicht?
Ich kenne einige davon mit einem sehr negativen
Weltbild. Sie schimpfen über Gott und die böse Welt, die doch angeblich erlöst ist.
Oft sind es (Sexual-)Moralapostel oder grundfrustrierte Pessimisten und Nörgler, die am allem etwas auszusetzen haben.
Für sie steht die Drohbotschaft und Angst im Mittelpunkt, die sie mit religiösen Praktiken erfolglos zu beschwichtigen versuchen.
Re: Heidentum und Sünde
filix schrieb am 05.10.2019 um 13:11 Uhr (Zitieren)
Das ungenaue Zitat (nicht aber der befremdliche Konjunktiv in der Protasis) hat seinen Ursprung in Also sprach Zarathustra, wo es, wie die Kapitelüberschrift Von den Priestern schon verrät, zunächst um die religiösen Funktionseliten geht, die selbst in Banden falscher Werte und Wahn-Worte geschlagen, in ihren süßduftenden Höhlen hausen, und in deren Reden er noch die üble Würze von Totenkammern wittert. Ihrem freudlosen, todesbesessenen, falschen Tiefsinn verbreitenden Unkendasein gilt das Wort: Bessere Lieder müßten sie mir singen, daß ich an ihren Erlöser glauben lerne: erlöster müßten mir seine Jünger aussehen! In travestierende Anspielung auf Parsifal wünscht er ihnen Erlösung vom Erlöser.
Re: Heidentum und Sünde
filix schrieb am 05.10.2019 um 13:12 Uhr (Zitieren)
travestierender ...
 
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