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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Ein Jesus der Heiden? (542 Aufrufe)
Γραικίσκος schrieb am 19.10.2019 um 16:39 Uhr (Zitieren)
Apollonios von Tyana war ein charismatischer Wundermann, Theurg, Philosoph und vielleicht auch Zauberer der Antike, der schon damals mit Jesus verglichen wurde; gestorben ist er unter Kaiser Nerva (96-98 u.Z.).
Philostratos berichtet über ihn die folgende Episode:
Als sich in Rom eine Epidemie ausbreitete, welche die Ärzte Katarrh nennen und die sich durch Husten und Heiserkeit äußerte, da strömte alles in die Tempel, um zu beten, dies um so mehr, als auch dem Kaiser [sc. Nero] der Hals anschwoll und seine Stimme heiser wurde.

Apollonios geriet außer sich angesichts der Unvernunft des Volkes, tadelte aber niemanden und warnte auch Menippos, der über die Ereignisse empört war, und hielt ihn zurück, indem er ihm riet, es den Göttern nachzusehen, wenn sie an solchen Possen Gefallen fänden.

Diese Äußerung wurde dem Tigellinus hinterbracht, der den Apollonios sofort vor Gericht führen ließ, um ihn wegen Majestätsbeleidigung zur Verantwortung zu ziehen (ὡς ἀπολογήσαιτο μὴ ἀσεβεῖν ἐς Νέρωνα). Man hatte sich gegen ihn einen Ankläger verschafft, der schon vielen zum Verderben geworden war und zahlreiche olympische Siege dieser Art vorzuweisen hatte (καὶ τοιούτων Ὀλυμπιάδων μεστός). Dieser Mann hielt eine Anklageschrift in der Hand, die er wie ein Schwert gegen Apollonios schwang, mit den Worten, sie sei ganz scharf gewetzt und werde ihn dem Verderben preisgeben.

Als nun Tigellinus dieses Schriftstück auseinanderrollte, fand er darin nicht die geringste Spur einer Schrift vor, sondern sah nur ein unbeschriebenes Buch vor sich. Er kam deshalb auf den Gedanken, daß hier ein Dämon (δαίμων) im Spiel sei. Ein ganz gleicher Vorfall soll sich später auch unter Domitian ereignet haben.

Tigellinus ließ daraufhin Apollonios vor das Geheimtribunal (τὸ ἀπόρρητον δικαστήριον) führen, wo über die wichtigsten Dinge fern von der Öffentlichkeit Gericht gesprochen wurde. Als sich nun alle auf sein Geheiß entfernt hatten, fragte er den Apollonios in befehlendem Tone, wer er sei. Apollonios nannte seinen Vater und sein Vaterland und legte dar, daß seine Weisheit ihm dazu verhelfe, die Götter zu erkennen und die Menschen zu verstehen (καί ἐφ‘ ὅ τι τῇ σοφίᾳ χρῷτο, ἔφασκέ τε αὐτῇ χρῆσθαι ἐπί τε τὸ θεοὺς γιγνώσκειν ἐπί τε τὸ ἀνθρώπων ξυνιέναι). Selbsterkenntnis sei nämlich leichter als Menschenkenntnis (τοῦ γὰρ ἑαυτὸν γνῶναι χαλεπώτερον εἶναι τὸ ἅλλον γνῶναι).

„Wie prüfst du denn Dämonen und Gespenstererscheinungen, mein lieber Apollonios?“ wollte Tigellinus wissen. „Genau gleich wie Mörder und gottlose Menschen“, erwiderte Apollonios. Dies aber sagte er mit einer ironischen Anspielung auf Tigellinus selbst, der ja Nero zu allen Ausschweifungen und Grausamkeiten anstachelte und ermutigte.
„Würdest du mir weissagen“, wollte jener weiter wissen, „wenn ich dich darum bäte?“
„Wie könnte ich dies“, antwortete Apollonios, „da ich ja kein Prophet (μάντις) bin.“
„Man sagt sich aber doch“, sprach der Mann, „du habest prophezeit, es werde etwas Großes geschehen und doch nicht geschehen (φασὶν εἶναι τὸν εἰπόντα ἔσεσθαι τι μέγα καὶ οὐκ ἔσεσθαι).“
„Das hast du ganz recht vernommen“, erklärte Apollonios, „aber schreibe dies nicht der Seherkunst, sondern der Weisheit (σοφία) zu, die Gott weisen Männern verleiht.“
„Weshalb aber furchtest du Nero nicht?“ wollte nun Tigellinus wissen.
„Weil Gott, der Nero furchterregend erscheinen läßt, mir Furchtlosigkeit (ἄφοβος εἶναι) verliehen hat“, gab Apollonios zur Antwort.
„Wie denkst du überhaupt über Nero?“ war die nächste Frage.
„Besser als ihr“, behauptete Apollonios, „denn ihr findet, es sei seiner würdig, Sänger zu sein, ich aber bin der Ansicht, Schweigen stünde ihm besser an.“
Diese Worte machten Tigellinus so betroffen, daß er sagte: „Geh, aber stelle Bürgen für deine Person!“
Da sprach Apollonios: „Wer aber wird denn Bürge für einen Menschen sein, den niemand fesseln kann?“

Diese Worte klangen nun dem Tigellinus so dämonisch und übermenschlich (πρόσω ἀνθρόπου), daß er, wie wenn er sich fürchtete, gegen die Götter zu kämpfen, ausrief: „Geh, wohin du willst! Du bist zu stark, um unter Kontrolle gehalten zu werden (σὺ γὰρ κρείττων ἢ ὑπ‘ ἐμοῦ ἄρχεσθαι).“

(Philostratos: Das Leben des Apollonios von Tyana. Hrsg. v. Vroni Mumprecht. München/Zürich 1983, S. 452-457)

- Menippos: ein Schüler des Apollonios
- Ofonius Tigellinus: Prätorianerpräfekt und „böser Geist“ Neros

Die Herausgeberin vergleicht diese Szene mit dem Verhör Jesu durch Pilatus.

Apollonios ist eine bemerkenswerte Mischung aus Jesus und einem Philosophen.
Re: Ein Jesus der Heiden?
Gast schrieb am 19.10.2019 um 17:51 Uhr (Zitieren)
Gibt es außerhalb des NT Hinweise oder Berichte
über die Wundertaten Jesu?
Gemeinhin gilt der historische Jesus als Wanderprediger und Wundertäter (theios aner).
Re: Ein Jesus der Heiden?
Γραικίσκος schrieb am 19.10.2019 um 22:24 Uhr (Zitieren)
Es gibt kurze Erwähnungen Jesu bei Flavius Josephus, Tacitus & Sueton. Nichts über seine Wundertaten, nein.

Und dann existiert noch diese Satire von Lukian:
[...] Noch heute verehren sie jenen großen Mann, den in Palästina gekreuzigten Menschen, weil er diese neuen Mysterien in die Welt eingeführt hat. [...]
Denn diese armen Leute haben sich in den Kopf gesetzt, daß sie mit Leib und Seele unsterblich werden und in alle Ewigkeit leben würden: daher kommt es auch, daß sie den Tod verachten, und daß viele von ihnen ihm sogar freiwillig in die Hände laufen. Überdies hat ihnen ihr erster Gesetzgeber beigebracht, daß sie alle untereinander Brüder würden, sobald sie den großen Schritt getan hätten, die griechischen Götter zu verleugnen und ihre Knie vor jenem gekreuzigten Sophisten zu beugen und nach seinen Gesetzen zu leben. [...]

[Das Leben des Peregrinos 11; 13]
Re: Ein Jesus der Heiden?
Γραικίσκος schrieb am 19.10.2019 um 22:26 Uhr (Zitieren)
ἀνθρόπου --> ἀνθρώπου
Re: Ein Jesus der Heiden?
Gast schrieb am 20.10.2019 um 09:59 Uhr (Zitieren)
Nichts über seine Wundertaten, nein.

Sehr seltsam, oder? Es wirft viele Fragen auf.
Hat er überhaupt Wunder gewirkt? Wenn ja, welche?
Die Exegese hat ziemlich aufgeräumt mit den
Wundern und sie in den Bereich des Mythos oder der literarischen Fiktion verbannt
und als Metaphern für bestimmte theologische Aussagen erkannt.

Hier findet sich viel Interessantes zum Thema:
https://de.wikipedia.org/wiki/Wunder_Jesu
 
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