Das Neue Testament wimmelt nicht gerade von philosophischen An- und Einsichten, und wenn in dieser Hinsicht mal etwas zu lesen ist, dann stammt es von Pilatus: „τί ἐστιν ἀλήθεια;“.

Es gibt aber noch eine zweite Stelle.

Während meines Philosophie-Studiums besuchte ich 1968 die Vorlesung eines Priesters und Neo-Augustinianers namens Johannes Hessen. Von den Unruhen an der Universität ließ der fast achtzigjährige Greis sich nicht beeindrucken; er lehrte sein System und verkaufte im Anschluß an die Vorlesungen sein dreibändiges Opus magnum, dessen Einzeltitel meiner Erinnerung nach lauteten: Wissenschaftslehre, Wertlehre, Wirklichkeitslehre.

Seine Vorlesungen beendete er häufiger durch das mit zitternd erhobenem Zeigefinger gesprochene paulinische Wort: „ἐκ μέρους γὰρ γινώσκομεν“. Zumindest beim ersten Mal blickte er in verrätselte Gesichter und fügte deshalb hinzu: „Für diejenigen unter Ihnen, die des Griechischen nicht mächtig sind – es werden ja immer mehr: Ex parte enim cognoscimus.“

Da merkt man, daß dies in einem anderen Jahrtausend stattgefunden hat.

Die drei Bände habe ich gekauft, doch sind sie mir im Laufe meines Lebens bei irgendeiner Gelegenheit abhanden gekommen.