α β γ δ ε ζ η θ ι κ λ μ ν ξ ο π ρ ς σ τ υ φ χ ψ ω Α Β Γ Δ Ε Ζ Η Θ Ι Κ Λ Μ Ν Ξ Ο Π Ρ C Σ Τ Υ Φ Χ Ψ Ω Ἷ Schließen Bewegen ?
Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Γνῶθι σεαυτόν (543 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 27.02.2020 um 19:01 Uhr (Zitieren)
Γνῶθι σεαυτόν – was soll da eigentlich erkannt werden?

Ich neige zu:
• Erkenne das Potential, das in dir liegt – das, worin du wirklich gut werden kannst (Pindar: Werde der, der du bist).
• Erkenne deine Grenzen, also das, was du nicht bist und was dir nicht gegeben ist, um Hybris zu vermeiden (Patroklos, der im Überschwang wähnt, Troja erobern zu können).
• Erkenne die dich belastende Schuld, die Folgen für dein jetziges Leben hat (Ödipus).

Das klingt alles nach einem längerfristigen Prozeß; aber γνῶθι σεαυτόν ist ein Imperativ Aorist, d.h. es handelt sich um eine Aufforderung, „die sich auf einen bestimmten eben vorliegenden Einzelfall bezieht, wenn die Handlung als eine abgeschlossene mit einem Blick überschaut wird“ (Kühner-Gerth S. 189).

Muß man das daher anders deuten?
Re: Γνῶθι σεαυτόν
Γραικύλος schrieb am 27.02.2020 um 19:04 Uhr (Zitieren)
Einzig Patroklos hätte sich seines Fehlers in einem Augenblick bewußt werden können.
Re: Γνῶθι σεαυτόν
Gast schrieb am 27.02.2020 um 19:20 Uhr (Zitieren)
Der Aorist hat auch den ingressiven Aspekt.
--> Fange an, dich selbst zu erkennen!

Das würde Sinn machen, oder?
Re: Γνῶθι σεαυτόν
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 27.02.2020 um 19:21 Uhr (Zitieren)
Den Aorist verstehe ich hier als die unmittelbare Aufforderung an den/die in den delphischen Tempel Eintretenden, nicht als lebenslange Aufgabe: "Erforsche dich (scil. um zu erkennen), warum bzw. weswegen du hier bist!"
Das heißt, gib nicht ungeprüft anderen die Schuld oder Verantwortung für deine Lage, sondern nimm dich selbst in den Blick, und zwar hier und jetzt!

Sicherlich kann das auch zur Persönlichkeitsbetrachtung (im Sinne Deiner 1.) hinführen, aber als zwingend erachte ich das nicht.

Re: Γνῶθι σεαυτόν
Γραικύλος schrieb am 27.02.2020 um 23:00 Uhr (Zitieren)
Verstehe. Das sind zwei weitere nachvollziehbare Möglichkeiten. Der Sinn der Maxime bzw. des Imperativs ist also keineswegs klar, keineswegs eindeutig.
Ich hatte meine Hypothese aus mir bekannten Fällen bezogen, in denen die Frage der Selbsterkenntnis eine Rolle spielt.
Re: Γνῶθι σεαυτόν
filix schrieb am 28.02.2020 um 00:04 Uhr (Zitieren)
Könnte die Formenwahl hier nicht auch von der möglichen resultativen Dimension des Verbalaspekts beeinflusst sein? Vgl. „The Greek verb γιγνώσκω like the Latin nosco signifies the acquiring of knowledge: to express therefore the present possession of knowledge, the past tense ἔγνων, like novi, is employed.“ Im Modus des Imperativs also quasi „Habe dich selbst kennengelernt“ = „Wisse, wer du bist.“
Re: Γνῶθι σεαυτόν
Γραικύλος schrieb am 28.02.2020 um 00:09 Uhr (Zitieren)
Läge dann nicht der Imperativ Perfekt näher, den es ja auch im Griechischen gibt?
Re: Γνῶθι σεαυτόν
filix schrieb am 28.02.2020 um 02:31 Uhr (Zitieren)
Gewiss würde man zunächst das Perfekt als erste Wahl für abgeschlossene, resultativ fortbestehende Handlungen erwarten, aber das Zitat oben (siehe überdies http://www.perseus.tufts.edu/hopper/text?doc=Perseus:text:1999.04.0007:smythp=1926) suggeriert, dass auch der Aorist eine resultative Seite haben kann, die dann beim Wechsel in den Modus des Imperativs, das war meine vage Vermutung, rein als Verbalaspekt zur Geltung käme.
Re: Γνῶθι σεαυτόν
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 28.02.2020 um 12:24 Uhr (Zitieren)
The same verb may be a resultative aorist or an ingressive aorist. Thus, ἔβαλον I let fly a missile (ingressive), and I hit (resultative)

aus der von filix angezogenen grammatikalischen Erläuterung

Es kann gut sein, daß ich zu kurz greife, aber mir scheint - so wenig ich den resultativen Aspekt des Aorist verkenne - dieser nicht so zwanglos mit dem Imperativ vereinbar zu sein; βαλόν müßte nach obigem dann sowohl "schleudere (jetzt sofort)!" als auch "habe getroffen!" bedeuten, welches letztere mir nicht so recht logisch vorkommt.

Im Falle der durch den - gemäß der Aufforderung - ins Werk gesetzten Verstand erzielten Erkenntnis ist die von mir empfundene Unvereinbarkeit allerdings deutlich schwächer.

Also wie gesagt: Irrtum vorbehalten :-)
Re: Γνῶθι σεαυτόν
filix schrieb am 28.02.2020 um 14:30 Uhr (Zitieren)
In den 147 Maximen von Delphi - https://en.wikipedia.org/wiki/Delphic_maxims -, die Stobaios überliefert hat, heißt es es jedenfalls Γνῶθι μαθών, Καιρὸν γνῶθι, Κριτὴν γνῶθι ... sonst jedoch Θεοὺς σέβου, Νόμῳ πείθου, Φίλοις βοήθει, Θυμοῦ κράτει ...
 
Antwort
Titel:
Name:
E-Mail:
Eintrag:
Spamschutz - klicken Sie auf folgendes Bild: Sonnenuntergang

Aktivieren Sie JavaScript, falls Sie kein Bild auswählen können.