Die idyllische Bukolik hat einen ganz und gar nicht idyllischen Hintergrund: das Räubervolk der Bukolen am Mareotis-See in der Nähe von Alexandria. Heliodor berichtet in seiner "Aithiopika" (I 6 f.) davon:

[...] Diese ganze Gegend heißt bei den Ägyptern das Hirtenland. Eine Talmulde nimmt bei den Überschwemmungen das steigende Nilwasser auf und bildet einen See, der in der Mitte außerordentlich tief ist, aber am Rande in eine sumpfige Aue übergeht. Denn den Küsten am Meer entsprechen an den Seen die Sümpfe.
Sämtliches Räubervolk der Ägypter ist dort zu Hause. Der eine hat sich auf einem Fleckchen Erde, das aus dem Wasser ragt, eine Hütte gebaut, ein andrer lebt auf einem Schiff, das Fahrzeug und Wohnung zugleich ist. Auf ihm wirtschaften die Frauen, auf ihm gebären sie. Wenn ein Kind zur Welt kommt, ziehen sie es erst mit der Muttermilch, dann mit an der Sonne gedörrten Fischen auf, und wenn es anfängt zu kriechen, bindet man es mit einem Riemen um die Knöchel fest, so daß es nur bis an den Rand des Schiffs oder den Eingang der Hütte gelangen kann; eine neue Art, das Kind vor Gefahren zu behüten.

Gar mancher Hirt wurde auf dem See geboren, der ihn ernährte und ihm als Heimat galt. Für Räuber ist er ein hinreichend starkes Bollwerk. So strömt denn dort alles zusammen, was sich diesem Handwerk ergeben hat. Das Wasser schützt sie wie eine Mauer, das viele Röhricht wie eine Palisade. Sie haben vielfach gewundene Schlängelwege hindurchgeschlagen und Durchfahrten angelegt, die sie gut kennen, ihre Gegner aber nicht. So haben sie sich eine mächtige Burg gegen jeden Angriff geschaffen. Das sind die Besonderheiten des Sees und seiner Bewohner.
[...]

(Heliodor: Die äthiopischen Abenteuer von Theagenes und Chariklea. Hrsg. v. Horst Gasse. Leipzig 1957, S. 11 f.)