Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia (686 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 04.07.2020 um 15:13 Uhr (Zitieren)
Epistola 10:
(Joseph Voigt: Begegnung mit Synesios, dem Philosophen, Priester und Feldherrn. Gesammelte Beiträge. Darmstadt 1985, S. 86-88)
Warum Hypatia die Briefe des Synesios nicht mehr beantwortet hat, ist unbekannt. Möglicherweise hängt es mit seiner Konversion zum Christentum – Hypatia blieb Heidin – zusammen und mit seiner Wahl zum Bischof von Ptolemaïs im Jahre 411. Die Philosophin Hypatia ist 415 von Christen ermordet worden, als Synesios bereits tot war.
Seine drei Söhne waren dem Synesios zuvor schon in jugendlichen Jahren gestorben.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Aurora schrieb am 05.07.2020 um 06:38 Uhr (Zitieren)
Aus den einst Verfolgten wurde grausame Verfolger.
Der Vorfall wird auch hier erwähnt:
Catherine Nixey, Heiliger Zorn,2019
Der Wiki-Artikel behandelt detailliert und, wie mir scheint, sehr fundiert die unglaublichen systematischen Buchvernichtungen in der Spätantike.
Die üblichen Verdächtigen? Wohl die Christen.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Marcella schrieb am 05.07.2020 um 11:42 Uhr (Zitieren)
Andere Christen taten ihr Möglichstes, um Bestände zu retten, so Cassiodor.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Γραικύλος schrieb am 05.07.2020 um 13:24 Uhr (Zitieren)
Seit ich vor vielen Jahren mal in Trier eine von Christen gesteinigte Venus-Statue gesehen habe, habe ich eine Ahnung davon, mit welchem Furor Christen die heidnische Kultur verfolgt haben.
Doch was ich in letzter Zeit aus dem Buch von Manfred Clauss zur Geschichte Alexandrias erfahren habe, die blutigen Auseinandersetzungen, die christliche Schlägertruppe der "Krankenpfleger", der Haß selbst unter Christen der verschiedenen Glaubensrichtungen, das hat mich doch überrascht.
Bis dahin hatte ich angenommen, es habe doch wenigstens ein kurzes Jahrhundert der Toleranz vom Toleranzedikt des Galerius bis zum Verbot heidnischer Kulte durch Theodosius gegeben.
Das war ein Irrtum.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Marcella schrieb am 05.07.2020 um 15:42 Uhr (Zitieren)
Die ersten Christenverfolgungen durch Christen fanden bereits unmittelbar nach jenem Toleranzerlass statt, gegen die Donatisten in Nordafrika.
In Antalya sah ich eine vielleicht vier Meter große herrliche hellenistische Marmorstatue einer Göttin, die mit Hammerschlägen in handliche Stücke zerlegt war. Man hat sie, so gut es ging, wieder zusammengefügt.
Die meisten bedeutenden Bildwerke der Antike, die so gut wie unbeschädigt auf uns gekommen sind, sind vor der christlichen Vernichtungswut meines Wissens von Zeitgenossen gerettet worden, die sie in tiefe Gruben versenkten und dann mit Sand auffüllten. So der Laokoon, so der Bronze-Faustkämpfer.
Wir kennen solche religiösen Orgien von den Taliban, vom IS, in Deutschland und den Niederlanden von den Bilderstürmern, in Byzanz als Ikonoklasmus.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Γραικύλος schrieb am 06.07.2020 um 13:32 Uhr (Zitieren)
Ikonoklasmus: Ich bin gespannt, was mit den Mosaiken in der Istanbuler Hagia Sophia geschehen wird, wenn diese wieder in eine Moschee umgewandelt wird, in der es keine bildlichen Darstellungen von Menschen oder gar Gott geben darf.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Marcella schrieb am 10.07.2020 um 18:09 Uhr (Zitieren)
Das mit der Restitution der Hagia Sophia als Moschee, so höre ich gerade, ist wohl durch. Aber kann Erdogan es wagen bzw. sich leisten, eines der großartigsten Beispiele des Weltkulturerbes zu
beschädigen?
Ich vermute mal, sein Glaube ist ziemlich gut mit Machtkalkül zu vereinbaren. Die Türkei steht momentan nicht gut da. Sie braucht dringend Touristen, da käme eine solche Aktion mit den Mosaiken nicht gut.
Re: Ein trauriger Brief des Synesios an seine Lehrerin Hypatia
Γραικύλος schrieb am 13.07.2020 um 14:40 Uhr (Zitieren)
Letzter Stand: Es wird erwogen, die Mosaike während der Gottesdienste zu verhüllen.