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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Styliten (458 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 12.08.2020 um 15:05 Uhr (Zitieren)
[...] In Konstantinopel traten diese „Einsamen“ [Eremiten] gewöhnlich gar nicht in Erscheinung, da ihr Dasein ja an Einöden und Wüsten gebunden war. In ihrer extremsten Form fanden sie sich allerdings auch in der Stadt, zumindest von Zeit zu Zeit. Es waren Asketen, deren Streben, die Sorgen der Welt hinter sich zu lassen und Gott so nahe wie möglich zu sein, sie dazu brachte, ihr Leben auf einer Säule zu verbringen. Man nannte sie Styliten, Säulenbewohner. Der erste von ihnen, der heilige Simeon der Stylit, lebte im 4. Jahrhundert bei Antiochia. Er wurde hochberühmt, und Tausende von Pilgern strömten herbei, um ihn von der Säule herab reden zu hören.

Im Laufe der Zeit muß es viele Hunderte dieser Styliten gegeben haben. Im 5. Jahrhundert lebte dicht vor den Mauern Konstantinopels der Stylit Daniel vom 47. Lebensjahr an bis zu seinem Tode mit 84 Jahren auf einer Säule. Er war eine in der Stadt gut bekannte und hochverehrte Persönlichkeit, der man erstaunliche Wunderheilungen zuschrieb.
Kaiser Theodosius II. fing an, sich wegen des gefährdeten Daseins des Styliten Sorgen zu machen, und nach jedem Sturm ließ er nachfragen, wie es ihm ginge. In einer Winternacht blies ein besonders heftiger Sturm die einzige Bedeckung des Säulenheiligen, ein Stück Fell, davon. Als er am nächsten Morgen auf Rufe von unten nicht antwortete, legte man Leitern an. Man fand ihn zwar am Leben, aber so steifgefroren, daß er weder stehen noch sprechen konnte. Nach diesem Zwischenfall erlaubte er es, daß der Kaiser ein kleines Schutzdach über der Plattform seiner Säule errichten ließ, um ihm wenigstens etwas Schutz gegen Regen und Schnee zu bieten. Bei einer anderen Gelegenheit ließ er sich überreden, von der Säule herabzusteigen, um einem Mitglied des Kaiserhauses wegen häretischer Ansichten persönlich ins Gewissen zu reden. Die Massen strömten hinter ihm her, so daß er durch die Mönche des Studios-Klosters abgeschirmt werden mußte.

Im gleichen 5. Jahrhundert lebte ein Stylit namens Johannes anscheinend auf einer Säule mitten im Regierungsviertel, am Hebdomon. Über einen Styliten des 10. Jahrhunderts wird berichtet, daß er die Gefährlichkeit seiner Lebensweise zu spüren bekam, als bei einem schweren Erdbeben seine Säule am Ufer des Marmarameeres im Eutropios-Bezirk umstürzte und ihn in die Wogen schleuderte. Selbst im Jahre 1204 gab es noch Styliten. Der abendländische Ritter Robert von Clari schreibt in seinem Bericht über den vierten Kreuzzug mit staunender Verwunderung, daß auf den zwei hohen Säulen, die in der Frühzeit der Stadt von den Kaisern Theodosios und Arkadios errichtet worden waren und die ursprünglich Statuen trugen, jetzt zwei Styliten lebten. „Auf jeder Säule“, schreibt er, „lebte ein Eremit in einer kleinen Hütte, die darauf stand, und am Fuße dieser Säulen sah man Türen, durch die man hinaufsteigen konnte.“

Es trifft zu, daß Säulen von so ausnehmender Größe wie die erwähnten mit einer Wendeltreppe im Inneren gebaut wurden, doch es gibt viele Zeugnisse sowohl in den Lebensbe-schreibungen der Styliten als auch in bildlichen Darstellungen wie Gemälden und Reliefs, daß es üblicher war, Leitern zu benutzen, um hinaufzukommen. Zumindest war das nötig, wenn ein Stylit starb und zur Beerdigung herabgebracht werden mußte.

Mit jemand, der auf einer Säule von 10 oder 15 Metern Höhe stand, konnte man nur mühsam ein Gespräch führen. Dabei ging es immerhin oft um die Beichte oder den Rat in ganz persönlichen Angelegenheiten. So erteilte der Stylit Basileios der Kleine im 10. Jahrhundert der Kaiserin Helena Lek-apena Ratschläge darüber, wie sie einen Sohn bekommen könnte. Es gibt auch Bilder von Styliten, wie sie an einem langen Seil einen Korb hinablassen. Er diente gewiß für den be-scheidenen Nachschub an Lebensmitteln und anderen notwendigen Dingen. Einige Styliten unterhielten sicher auch einen ziemlich ausgedehnten Briefwechsel.

Styliten waren zwar in Konstantinopel nur selten zu sehen, doch verkörperten sie – neben den Klöstern – in extremer Weise die Askese und Religiosität, die ein so charakteristisches byzantinisches Ideal waren. Diese Seite des Lebens der Stadt muß stets in scharfem Gegensatz zum weltlichen Treiben gestanden haben, dem pausenlosen Handeln und Feilschen, das sich in den Läden und Basaren und auf den Kais am Goldenen Horn abspielte.

(Paul Hetherington (Text) / Werner Forman (Fotos): Byzanz. Stadt des Goldes, Welt des Glaubens. Luzern 1982, S. 104-107)

Die müssen ihre Notdurft von da oben runter verrichtet haben! Seltsame Heilige.
 
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