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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Bedeutung des Vorsätzlichen in einem Prozeß (508 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 25.01.2021 um 14:45 Uhr (Zitieren)
Aristoteles, Magna Moralia I 16/1188b:
Da sich aber das Willentliche in keinem (irrationalen) Impulse findet, verbleibt die Bestimmung als „das was aus Überlegung [ἐκ διανοίας] geschieht“. Das Unwillentliche nämlich ist das was infolge von Zwang und Gewalt geschieht. Das ist klar aus dem was (im Leben) geschieht [ἐκ τῶν γιγνομένων]. Wer nämlich einen anderen schlägt oder tötet oder sonst derartiges tut ohne vorhergegangene Überlegung [προδιανοηθείς], von dem sagen wir, er habe es unwillentlich getan – in der Überzeugung, daß das Willentliche im Vollzug der Überlegung beruhe.

So habe z.B., sagt man, eine Frau einmal jemandem einen Liebestrank gegeben; der Mann sei an dem Liebestrank gestorben, die Frau aber (bei der Verhandlung) vor dem Areopag freigekommen [ἀποφυγεῖν]. Als sie vor Gericht stand, wurde sie aus keinem anderen Grunde freigesprochen als weil der Tatbestand des „mit Vorsatz“ nicht gegeben war: sie hatte den Trank aus Liebe [φιλίᾳ] gegeben, aber den Zweck ver-fehlt. Deshalb wurde dies als „nicht-freiwillig“ bewertet, weil das Geben des Tranks nicht mit der Überlegung ihn zu töten erfolgt war.

(Aristoteles: Magna Moralia. Hrsg. v. Franz Dirlmeier. Berlin ²1966, S. 22)

Dieser Prozeß ist auch durch die erhaltene Anklagerede des Antiphon dokumentiert. Hinter der Anklage gegen die Stiefmutter standen anscheinend Erbinteressen.
Vgl.:
Antiphon: Gegen die Stiefmutter und Apollodoros: Gegen Neaira (Demosthenes 59). Frauen vor Gericht. Hrsg. v. Kai Brodersen. Darmstadt 2004, S. 26 ff.
Re: Die Bedeutung des Vorsätzlichen in einem Prozeß
arbiter schrieb am 25.01.2021 um 17:59 Uhr (Zitieren)
vgl. § 227 StGB
Re: Die Bedeutung des Vorsätzlichen in einem Prozeß
Γραικύλος schrieb am 26.01.2021 um 15:01 Uhr (Zitieren)
Körperverletzung mit Todesfolge hatte der Areopag nicht im Programm. Freigesprochen worden wäre die Stiefmutter heute nicht: Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren.
Re: Die Bedeutung des Vorsätzlichen in einem Prozeß
filix schrieb am 26.01.2021 um 22:46 Uhr (Zitieren)
Nun ist die Nähe von Liebestrank und Gift in der Antike unbestritten ein geläufiges Thema, ihre Gleichsetzung aber im röm. Recht wenigstens Gegenstand der Diskussion („The evidence of Quintilian suggests that in his day debates over whether or not an amatorium counted as a venenum were not at all unusual), welche bisweilen argumentativ fragwürdig entschieden wird: Vis scire, venenum esse amatorium ? Viveret homo , nisi illud bibisset. (Inst. 8.5.31)

Was m.E. zur Frage führt, ob in dem Fall aus heutiger Sicht zwingend angenommen werden muss, dass die kognitive Seite des Vorsatzes erfüllt war, also die Angeklagte wusste, dass der Liebestrank prinzipiell gesundheitsschädlich (nicht aber tödlich) ist, und dieses Risiko im Sinne eines Eventualvorsatzes wenigstens als Bedingung für strafrechtliche Relevanz (z.B. gem. § 227) in Kauf genommen hat, wenn es schon nicht ihre erklärte Absicht war, durch die Verabreichung den Mann gesundheitlich zu schädigen?
 
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