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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Abenteuer einer Seefahrt #6 (305 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 09.04.2021 um 00:00 Uhr (Zitieren)
Hiermit kommen wir zum grotesken Ende dieser Brief-Erzählung. Und zu einem brüderlichen Ratschlag.
Die einheimischen Frauen bringen die Geschenke auf das Schiff, die unseren teilen, was sie empfangen, mit allen. Nun schenken uns auch die Männer von ihrem Fischfang, einer kommt nach dem andern, ein Junge nach dem Mann, ein Mann nach dem Jungen, um mir ein Gastgeschenk zu bringen: der eine ein mit der Angel gefangenes Fischlein, der andere etwas anderes, jedenfalls etwas Leckeres von dem Ertrag der Felsen. Denn ich möchte nicht gern Geschenke von den Frauen annehmen, auch dies nur deinetwegen, damit ich nicht in ein Vertragsverhältnis mit ihnen komme und danach, wenn man dies abschwören muß, in Schwierigkeiten gerate mit dem Leugnen. Im übrigen, was sollte uns hindern, in Nahrungsmitteln zu schwelgen? Es kommt so viel von vielen Seiten zusammen.

Nun wirst du dieses Wohlwollen der Eingeborenen, das sie gegenüber den als Gäste bei ihnen weilenden Frauen zeigen, als reine Tugend ansprechen. Aber es verhält sich anders und verdient, dargelegt zu werden, zumal in der Muße, die ich nun habe.

Der Zorn der Aphrodite, so möchte man vermuten, liegt auf dem Land. Diese Frauen haben Unglück wie die Frauen von Lemnos (1). Sie haben übermäßig große Brüste und einen übermäßig breiten Rumpf, so daß die kleinen Kinder die Mutterbrust nicht auf dem Arm der Mutter, sondern über die Schultern zu saugen bekommen. Man könnte sagen, Ammon und das Land des Ammon nähren ebensogut Kinder wie Schafe, und so spende die Natur den Menschen ebenso wie den Tieren üppigere und reichere Quellen der Milch, und deshalb seien starke Brüste und Gefäße notwendig.

Wenn die Frauen nun von den Männern, die mit dem Ausland in Verbindung stehen, erfahren, daß nicht alle weiblichen Wesen so beschaffen sind, so glauben sie es nicht, und wenn sie eine fremde Frau antreffen, behandeln sie sie freundlich und tun alles, bis sie den Busen untersuchen dürfen. Eine, die es gesehen hat, sagt es der andern, und sie rufen einander, wie die Kikonen (2). Dann kommen sie in großer Zahl, um es zu sehen, und zu diesem Zweck bringen sie Geschenke.

Wir hatten bei uns eine kleine Sklavin aus dem Pontos, die durch Kunst und Natur noch mehr eingeschnitten war als die Ameisen. Ihr galt das große Interesse, und sie konnte von den Frauen am meisten einnehmen. Die wohlhabenden Frauen bestellten sie, eine von der andern in die Nachbarschaft, drei Tage im voraus zu sich, und diese ist so keck, daß sie sich entkleidet.

Dieses Drama hat uns der gute Geist aus einem tragischen zu einem komischen gefügt, und ich gebe es dir brieflich wieder. Ich weiß, daß ich den Brief weit über das Maß hinaus ausgedehnt habe. Aber wie ich nicht genug bekomme, mit dir persönlich zusammen zu sein, so auch nicht beim Schreiben. Da ich überdies nicht hoffen kann, mit dir sprechen zu können, nehme ich mir jetzt, wo es geht, das Vergnügen zu schreiben. Und wenn ich den Brief den Tagebüchern eingliedere, die ich mit Eifer führe, habe ich Aufzeichnungen von mehreren Tagen.

Leb wohl und grüße den Sohn Dioskoros mit der Mutter und Großmutter, die ich liebe und als meine Schwestern betrachte. Meinen Gruß der ehrwürdigen, gottgefälligen Philosophin (3) und dem glücklichen Chor, der ihre wunderbare Stimme hören darf. Am meisten von allen aber dem heiligen Vater Theoteknos und meinem Freund Athanasios. Den uns aufs engste verbundenen Gaios zählst du, das weiß ich, in derselben Gesinnung wie ich zu unseren Verwandten. Mit diesem sei gegrüßt auch der ausgezeichnete Grammatiker Theodosios, der ein Seher ist, auch wenn er es uns verborgen hat. Da er vorauswußte, was mir bevorstand, gab er die Bereitschaft auf, mit uns abzureisen, aber ich liebe und grüße ihn trotzdem.

Du aber fahre nie zur See. Wenn es aber einmal unbedingt sein muß, dann nicht am Ende eines Monats.

(Joseph Vogt: Begegnung mit Synesios, dem Philosophen, Priester und Feldherrn. Gesammelte Beiträge. Darmstadt 1985, S. 34-43)

(1) Diese Frauen hatten den Kult der Aphrodite vernachlässigt und wurden von der Göttin durch unangenehmen Geruch der Achselhöhlen bestraft.
(2) Die thrakischen Kikonen alarmierten einander gegen den an ihrer Küste gelandeten Odysseus (Odyssee IX 47 ff.).
(3) Synesios verehrte die Neuplatonikerin Hypatia.
Re: Die Abenteuer einer Seefahrt #6
Γραικύλος schrieb am 09.04.2021 um 22:34 Uhr (Zitieren)
Eine Seereise unter einem suizidalen Kapitän, das könnte ein Einfall von Mark Twain sein.

Übrigens hat auch Mark Twain den Bericht einer Seereise übers Mittelmeer geschrieben: "Unterwegs mit den Arglosen", jetzt erstmals vollständig ins deutsche übersetzt.
Re: Die Abenteuer einer Seefahrt #6
Γραικύλος schrieb am 09.04.2021 um 23:45 Uhr (Zitieren)
ins deutsche --> ins Deutsche

Sinnigerweise im Mare-Verlag.
 
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