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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Πολυξένη #5 (301 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 11.04.2021 um 17:58 Uhr (Zitieren)
6. Quintus Smyrnaeus (4. Jhdt. u.Z.): Posthomerica

Neoptolemos spricht:

„Hört von mir, ihr lieben Söhne der im Kampf standhaften Argeier,
meines Vaters Befehl, des ruhmvollen, den er mir auftrug,
als ich gestern im Bett während der Dunkelheit schlief!
Er sagte nämlich, dass er bei den immerseienden Unsterblichen sei.
Er befahl euch und dem Atreussohn, dem König,
dass ihr ihm aus dem Krieg als ein Ehrengeschenk, ein überaus schönes,
zum riesigen Grab führen sollt Polyxeine, die schöngewandete.
Und er sagte, ihr sollt sie opfern und in einiger Entfernung bestatten.
Wenn ihr aber, ohne euch um ihn zu kümmern, auf das Meer hinausfahren solltet,
so hat er gedroht, auf dem Meer feindliche Wolken aufzutürmen
und das Kriegsvolk zugleich mit den Schiffen lange Zeit hier zurückzuhalten.“
Als er so sprach, gehorchten sie und beteten wie zu einem Gott.
Denn es erhoben sich schon über der Tiefe die Wogen durch Sturm
breiter und dichter als zuvor,
da der Wind tobte, groß schwoll das Meer an
unter den Händen Poseidons. Der nämlich erwies dem starken Achilleus
einen Gefallen. Alle Stürme erhoben sich schnell
zur See hin. Die Danaer aber beteten eifrig zu Achilleus
und sagten alle zugleich solches zueinander:
„Untrüglich war Achilleus ein Nachkomme des großen Zeus;
und so ist er auch jetzt ein Gott, auch wenn er zuvor bei uns war.
Es kann nämlich nicht die unvergängliche Zeit der glückseligen Götter Geschlecht vernichten.“
So sprachen sie und gingen fort zum Grab des Achilleus.
Die aber führten sie, wie Hirten eine junge Kuh zum Opfer für einen Gott,
nachdem sie sie von der Mutter fortrissen im Gehölz,
die aber brüllt laut und klagt mit Leid im Herzen:
so jammerte damals des Priamos Kind
in der Feinde Händen; reichlich flossen ihr die Tränen herab;
wie wenn unter einem wuchtigen Feldstein die Olivenfrucht,
die noch nicht durch winterlichen Sprühregen schwarz wurde,
viel Öl abgibt, und die Holzpflöcke knarren ringsum laut
unter den Tauen, da die Männer Gewalt anwenden:
so also wurde auch des vielduldenden Priamos Tochter
geschleppt zum Grab des mitleidlosen Achilleus,
und unter Schluchzen flossen schrecklich die Tränen aus den Augen.
Und es füllte sich von oben der Gewandbausch; benetzt aber wurde die Haut,
die wahrhaftig vergleichbar war dem teuren Elfenbein.
Und damals fiel zu ihrem schrecklichen Leid schlimmerer Schmerz
in das Herz der unglücklichen Hekabe. In ihrem Inneren erinnerte sich
ihr Gemüt an einen jammervollen und schmerzbringenden Traum,
den sie sah, als sie schlief in der vergangenen Nacht.
Sie glaubte nämlich, jammernd beim Grabmal des gottgleichen Achilleus
zu stehen, die Haare aber flossen ihr bis auf den Boden
vom Haupte, und von beiden Brüsten
floss rotes Blut auf die Erde und benetzte das Grab.
Deshalb aber war sie voller Furcht und ahnte großes Leid voraus
und jammerte bitterlich, und in ihrer Klage schrie sie laut auf.
Wie eine Hündin, die vor dem Haus winselt,
laut aufbellt. Neuerlich strotzend von Milch,
von der die Herren die kleinen Jungen, bevor sie das Licht sehen konnten,
fortwarfen als Beute für die Vögel;
die aber winselt bald unter Gebell, bald wiederum unter
Geheul, schrecklich hallt ihre Stimme durch die Luft:
so schrie Hekabe im Jammer um ihre Tochter laut auf:
„Weh mir, was soll ich nun zuerst, was zuletzt voll Leid im Herzen
bejammern, ganz erfüllt von vielem Unglück,
die Söhne oder den Gatten, die Schreckliches und Unerwartetes erlitten,
oder die Stadt oder die Töchter, die schmählich behandelten, oder meinen eigenen Schicksalstag
oder den Tag der Versklavung? Denn die Keren
die schrecklichen, haben mich in viel Unheil verstrickt.
Mein Kind, dir auch selbst aber haben sie schändliche und unerwartete
Leiden zugesponnen; weit von deiner Hochzeit haben sie den Hymenaios
vertrieben, der nahe war, und haben ein unerträgliches,
leidvolles und unsagbares Verderben in Erfüllung gehen lassen. Denn wahrlich erfreut sich
Achilleus auch als Leichnam noch in seinem Herzen an unserem Blut
[ἦ γὰρ Ἀχιλλεὺς
καὶ νέκυς ἡμετέρῳ ἔτ‘ ἰαίνεται αἵματι θυμόν].
Ach wenn mich doch mit dir, mein Kind, an diesem Tage
die Erde verschlänge und bedeckte, bevor ich deinen Tod sehen muss!“
Als sie so sprach, flossen ihr unaufhörlich aus den Augen
die Tränen. Elendes Leid nämlich hatte sie über Leid.
Als die aber gingen zum Grab des göttlichen Achilleus,
da zog nun sein Sohn das schnelle Schwert
und hielt mit der Linken das Mädchen zurück, mit der Rechten aber
berührte er das Grab und sprach Folgendes:
„Höre, Vater [Κλῦθι, πάτερ], deinen Sohn in seinem Gebet und die anderen
Argeier und grolle uns nicht mehr schrecklich!
Gleich nämlich werden wir dir alles erfüllen, worauf du sinnst
in deinem Herzen. Du sei uns gnädig und verschaffe uns,
die wir darum beten, schnell eine herzerfreuende Heimkehr!“
So sprach er und zog das heillose Schwert durch die Kehle
des Mädchens; die aber verließ sofort das vielgeliebte Leben,
als sie jämmerlich aufgeschrien hatte im letzten Augenblick ihres Lebens.
Und die fiel nun vornüber zu Boden. Ihr Hals aber
färbte sich ringsum rot wie Schnee, der in den Bergen,
wenn ein Wildschwein oder ein Bär von einem Speer verletzt ist,
durch das rote Blut schnell sich oben rötet.
Die Argeier aber gewährten, sie sogleich vor die Stadt zu bringen
zum Haus des gottgleichen Antenor, weil jener
sie unter den Troer zuvor seinem göttlichen Sohne,
dem Eurymachos, in seinen Häusern aufgezogen hatte als Gemahlin.
Als der nun die berühmte Tochter des Priamos bestattet hatte
in der Nähe seines Hauses bei des Ganymedes heiligen
Bauten und gegenüber dem Tempel der Atrytone,
da ließ die Woge nach, und der schreckliche Wirbelwind
legte sich, und Windstille besänftigte die Flut.

(XIV 235-328)

Re: Πολυξένη #5
Marcella schrieb am 12.04.2021 um 12:02 Uhr (Zitieren)
Das hier scheint ein Gegenstück zur Opferung der Iphigenie in Aulis, dort, um einen wahnsinnigen Krieg zu ermöglichen (so die Kritik Senecas), hier,um die Rückkehr von einem solchen zu ermöglichen.
Diese Mythen haben wahrlich Tiefsinn.
Der vergöttlichte Achilles kann auch als Vampyr erscheinen.
Re: Πολυξένη #5
Γραικύλος schrieb am 12.04.2021 um 22:32 Uhr (Zitieren)
Ein Vampyr, ja - so klingt es noch mehr, wenn man Senecas Schlußsatz hinzuzieht: "obduxit statim saevusque totum sanguinem tumulus bibit".
Ein gierig das Blut aufsaugendes, wildes Grab ... das ist schon ein sehr ungewöhnlicher Einfall, an dem H. P. Lovecraft seine Freude hätte.
 
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