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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Mann und Mensch (529 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 12.04.2021 um 23:28 Uhr (Zitieren)
Bekanntlich gibt es Sprachen, die zwischen "Mann" und "Mensch" unterscheiden, und solche, die das nicht tun (wie das Lateinische, das Englische und das Französische).

Das Griechische mit ἀνήρ und ἄνθρωπος hatte ich zur ersten Art gerechnet. Nun lese ich bei Georg Curtius("Grundzüge der griechischen Etymologie", 422), daß beide Wörter etymologisch eng verwandt sind - ebenso wie im Deutschen "Mann" und "Mensch".

Es ist schon - so Curtius - im Sanskrit so: nar, nara-s.

In einer nicht-indoeuropäischen Sprache wie dem Türkischen scheint es anders zu sein: erkek, koca (Ehemann, Mann) vs. insan, adam (Mensch).

Aber mit Adam, da war doch was?
Re: Mann und Mensch
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 13.04.2021 um 02:14 Uhr (Zitieren)
insan, adam sind Wörter aus dem Semitischen und als Lehnwörter ins Türkische eingegliedert, wohingegen erkek und koca wohl*) genuin türkische Wörter sind.

*) Zum Türkischen kann ich nichts fundiertes sagen. weil ich es - im Gegensatz zum Arabischen - nicht beherrsche. Deswegen kann ich auch nichts darüber sagen, ob eine Unterscheidung von 'Mann' und 'Mensch' im Türkischen tatsächlich auf der Grenzlinie zwischen den den beiden Sprachfamilien liegt.
Re: Mann und Mensch
Aurora schrieb am 13.04.2021 um 06:26 Uhr (Zitieren)
Bekanntlich gibt es Sprachen, die zwischen "Mann" und "Mensch" unterscheiden, und solche, die das nicht tun (wie das Lateinische, das Englische und das Französische).

Im Lateinischen gibt es vir (Mann), homo (Mensch, Mann), maritus (Ehemann) u.a.
Adam:
Adam ist das hebräische Wort für „Erstling“ und „der von roter Erde genommene Mensch“ und bezeichnet im Tanach den ersten Menschen. In Gen 2,7 wird dieser Name in Bezug gebracht zum hebräischen Wort adamah für den Erdboden, aus dessen „Staub“ (hebr. afar) der Mensch von Gott gebildet wurde. Wahrscheinlich kann man adam und adama zurückführen auf die Grundbedeutung „Haut, Oberfläche“.[1]
Re: Mann und Mensch
Marcella schrieb am 13.04.2021 um 09:56 Uhr (Zitieren)
Männer und/oder Menschen: Die Feministin rät also mit Genugtuung, dass sich Bias´Devise hauptsächlich auf Männer bezieht?

https://www.livius.org/pictures/a/greek-art/hoi-pleistoi-kakoi/

Das würde bestätigt durch die relativ konstante Quote von 5% Frauenanteil in der BRD bei Strafgefangenen.
Re: Mann und Mensch
Γραικύλος schrieb am 13.04.2021 um 12:42 Uhr (Zitieren)
Das ist die Frage, ob bestimmte? Griechen immer? in bestimmten Kontexten? bei ἄνθρωποι primär an Männer gedacht oder auch Frauen mitgemeint haben.

Mehr noch aber ist die Frage, ob in der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung mit "all men" und in der Französischen Menschenrechtserklärung mit "toutes les hommes" die Frauen (und die Sklaven) mitgedacht waren.
Erwägt man, daß es in beiden Fällen um Rechtsgleichheit ging und keiner der Verfasser im Ernst daran dachte, diese auch auf Frauen auszudehnen, kann man das nur verneinen.

Und zählte man bei den Griechen auch die Sklaven zu den ἄνθρωποι?
Re: Mann und Mensch
Γραικύλος schrieb am 13.04.2021 um 12:47 Uhr (Zitieren)
An Aurora:
Natürlich konnte man im Lateinischen auch speziell einen Mann oder eine Frau bezeichnen, und so auch im Griechischen.
Mir geht es darum, ob das, was wir als Oberbegriff für beide zu verstehen neigen, auch so gemeint war.

Bei "man" und "l'homme" ist das m.E. eben historisch nicht der Fall gewesen, und deshalb werde ich im Griechischen stutzig, wenn ich erfahre, daß ἄνθρωπος mit ἀνήρ verwandt ist.
Re: Mann und Mensch
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 13.04.2021 um 12:53 Uhr (Zitieren)
Ein paar Ergänzungen:
Zu den beiden von Γραικύλος genannten arabischen Wörtern tritt mit 'ragul' ein weiteres, das eindeutig den "Mann" bezeichnet.

Eine weitere Wurzel, nämlich m-r-', bildet mit mar'un, imra'un und imru'un Formen, die in ihrer Bedeutung nicht zwischen 'Mann' und 'Mensch' unterscheiden, die Grundbedeutung (ma-ru'-a) ist 'männlich sein'. Das zeigt sich auch in der definiten Form al-mar'u = "der Mann; jedermann".
Interessanterweise ist mit 'imra'a' (mit Feminin-Suffix), in der bestimmten Form al-mar'a(tun) - mit welchem Suffix grundsätzlich auch eine Individualisierung konnotiert ist -, (deswegen) immer nur die Frau als weibliche Ausprägung der Spezies 'Mensch', nicht aber diese selbst bezeichnet.

ins/nâs/insân sind Kollektiva ("Menschen, Leute"), dazu gibt es das feminine Konkretum (s. o.) insâna = Frau/Weib, sowie die Ableitung ânisa = Fräulein, junge Dame. Die Grundbedeutung der Wurzel '-n-s ist bemerkenswerterweise "nett, gesellig, freundlich sein", was nicht zuletzt zu dem Abstraktum insânîya = Menschlichkeit, Humanität führt (=> Menschlich ist der Mensch immer nur als soziales Wesen).

Verwandt mit dieser Wurzel (besser sichtbar in den Pluralformen anâschîm / nâschîm = Männer/Frauen) ist übrigens das hebr. 'îsch = Mann, dessen feminine Form 'îschâ Luther bei der Übersetzung von Gen 2,23 zu der Wiedergabe 'Männin' brachte.
Re: Mann und Mensch
Johannes schrieb am 13.04.2021 um 13:07 Uhr (Zitieren)
Vom Genitiv andros (Stamm also andr-) ist nicht
so weit zu anthropos.

vgl.
https://www.gutefrage.net/frage/etymologie-zu-nthropos---steckt-da-altgr-an--v--trepein---drin-
Re: Mann und Mensch
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 13.04.2021 um 13:21 Uhr (Zitieren)
Ist nicht Marcella in den altorientalischen Sprachen bewandert? Wie sieht es denn dort aus?

Äußert sich eine möglicher Übergang von matriarchalischem zu patriarchalischem Denken und Handeln, der sich nach Fr. Gange (Avant les dieux: La Mêre Universelle) in den Mythen und Mythologemen des Zweistromlandes aufweisen läßt, auch - im Hinblick auf unsere Fragestellung - auf der terminologischen / etymologischen Ebene?
Re: Mann und Mensch
Marcella schrieb am 13.04.2021 um 14:58 Uhr (Zitieren)
Es gibt im Akkadischen den awilu(m), das ist der Mensch, aber eher im Sinne des (freien) Mannes.
Frauen und Sklaven sind es allenfalls mitgedacht. Ist speziell eine Frau gemeint, steht das Wort sinnischtu(m) zur Verfügung. Sollte es nur um das Sexualobjekt Weib gehen: marhitu(m).

Γραικύλος erinnert zu Recht daran, dass zum Beispiel in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ("All men are created equal ..usw.) schwerlich Frauen und Sklaven mitgemeint sein können. Die Praxis zeigt´s.
Der Verfasser Thomas Jefferson war selber Sklavenhalter und verweigerte diesen Individuen bestimmt "liberty and the pursuit of happiness".
Re: Mann und Mensch
στρουθίον οἰκιακόν schrieb am 13.04.2021 um 15:40 Uhr (Zitieren)
Danke, Marcella.

Auffällig erscheint mir die Nähe der Wurzeln, die dem sinnischtu, anâschîm, insân zugrundeliegen; im initialen Alif/Hamza der hebr. und arab. Vokabeln ein reduziertes Sin der akkadischen zu sehen, halte ich für durchaus möglich.
Über die Entwicklung der Bedeutungen ließe sich nun trefflich spekulieren ...
Re: Mann und Mensch
Γραικύλος schrieb am 13.04.2021 um 17:01 Uhr (Zitieren)
Γραικύλος erinnert zu Recht daran, dass zum Beispiel in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ("All men are created equal ..usw.) schwerlich Frauen und Sklaven mitgemeint sein können.

Ich habe lange Zeit damit zugebracht, diese Einstellung - vor allem bezogen auf Frauen - wenigstens zu verstehen.
Schließlich hatte man es da nicht mit irgendwelchen Fremden zu tun, die auf den Plantagen schufteten, sondern mit der eigenen Mutter, der eigenen Schwester!
Frauen das Menschsein abzusprechen, hieße ja einzugestehen, daß man selbst von einem Nicht-Menschen abstamme.

Mir ist nie eine bessere Erklärung eingefallen als die, daß man damals eine Einstellung zu Frauen hatte wie wir noch heute zu Kindern: Alle Menschen sind gleich an Rechten, Kinder sind Menschen, aber natürlich haben Kinder nicht die gleichen Rechte wie die anderen Menschen. Ist doch irgendwie klar und selbstverständlich, oder? Wir denken heute in aller Regel gar nicht darüber nach, daß und warum Kinder nicht die gleichen Rechte haben wie wir, sondern sehen es als selbstverständlich an, und genauso hat man es, meine ich, damals mit Frauen gehalten.

Daß in etlichen Texten des 19. Jhdts. Frauen als geistige Kinder angesehen wurden, bestätigt meine Annahme.

Und dennoch: man sprach damit - nolens volens - auch über die eigene Mutter!

Aristophanes war da doch schon erheblich weiter.
Re: Mann und Mensch
Γραικύλος schrieb am 13.04.2021 um 17:18 Uhr (Zitieren)
In der Antike war die Sache mit den Sklaven eigentlich noch merkwürdiger: keine Menschen, und doch war jeder Mensch sich bewußt, daß er jederzeit (eine beinahe alltägliche Unannehmlichkeit vorausgesetzt: Krieg, Seeräuber, Schulden) zum Sklaven werden konnte.
Re: Mann und Mensch
Minoides schrieb am 15.04.2021 um 13:43 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 12.4.21, 23:28Nun lese ich bei Georg Curtius

Abgesehen davon, dass Etymologie nur sehr bedingt geeignet ist, zu einer Vorstellung von der synchronen Struktur einer Sprache zu gelangen, ist im Bereich der indoeuropäischen Sprachen die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, mit dem Rückgriff auf Literatur, die vor der Laryngaltheorie, vor der Entdeckung des Hethitischen, vor der Entzifferung von Linear B etc. pp. entstanden ist, den derzeit anerkannten Forschungsstand zu verfehlen. Im Fall von ἄνθρωπος nimmt Beekes (Etymological Dictionary of Greek) trotz des klanglich und inhaltlich ähnlichen heth. antuu̯aḫḫaš- einen Ursprung in vorgriechischem (sprich nicht-indoeur.) Substrat an.
 
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