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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Komplexitätsentwicklung der Sprachen (497 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 06.05.2021 um 18:29 Uhr (Zitieren)
Ich habe verstanden, daß der Georg Curtius nicht mehr dem Stand der Forschung entspricht, aber ich nehme ihn zum Ausgangspunkt einer Frage:
Alle Etymologie muss von der Erkenntniss ausgehen, dass die Sprache schon in einer frühen Periode reich und mannichfaltig entwickelt war. Es ist daher ebenso thöricht ein knappes Maass von Urlauten, als eine gewisse Anzahl von Urbegriffen oder einen kleinen Kreis von Ursuffixen anzunehmen.

(Grundzüge der griechischen Etymologie, S. 666)

Daß Sprachen, soweit ich sie überblicke, seit der Zeit des Griechischen grammatisch und syntaktisch simpler werden, hat sich mir als Verdacht schon länger aufgedrängt. Man vergleiche mit dem Griechischen das Englische, als Deutsche können wir dem Genitiv, der indirekten Rede usw. bei Sterben zusehen, gerne kürzen wir Wörter ab usw.

Das ist, falls der Eindruck zutrifft, ein erklärungsbedürftiges Phänomen. Hypothetisch: eine Tendenz zur Einfachheit und Bequemlichkeit, zum leichteren Erlernen.

Aber der zweite Aspekt ist ja noch befremdlicher: Wie kommt es, daß Sprachen ursrpünglich so komplex sind? Und Curtius geht sogar bis zu der Behauptung, sie seien nicht aus einfachen Anfängen (Urlauten etc.) hervorgegangen.
Ja, sind denn die Menschen eines Morgens aufgewacht und haben in Optativ, Aorist, irrealem Konjunktiv und Medium gesprochen?
Das ist doch völlig unplausibel!

Was weiß man heute über diese Sprachentwicklung: simple Anfänge (?) --> hohes Maß an Komplexität --> Simplifizierung?

Ich hoffe, mein Problem verständlich artikuliert zu haben, und gestehe meine Unkenntnis.
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Minoides schrieb am 07.05.2021 um 11:46 Uhr (Zitieren)
Zitat von Γραικύλος am 6.5.21, 18:29Wie kommt es, daß Sprachen ursrpünglich so komplex sind?

Es gibt die Vorstellung (ich glaube Meillet war ihr Urheber), dass das, was irgendwann in grammatischen Morphemen (wie Flexionsendungen) erstarrt ist, ursprünglich als selbständige lexikalische Einheiten existierte. Man kann diese Grammatikalisierung z. B. im Französischen beobachten, wo die Präpositionen de und a feste Kasusfunktionen übernommen haben. Ob mit dem Verschwinden von Flexionsendungen überhaupt ein Komplexitätsschwund von Sprache einhergeht, wenn andere sprachliche Elemente ihre Funktion übernehmen, würde ich infrage stellen.
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Γραικύλος schrieb am 07.05.2021 um 15:25 Uhr (Zitieren)
Das Verschwinden von Flexionsendungen, wenn andere sprachliche Elemente ihre Funktion übernehmen, zeigt nicht zwingend einen Komplexitätsschwund an.
Doch wie steht es mit Kasus und Modi?

Und die grammatischen Morpheme mögen ursprünglich als lexikalische Einheiten existeirt haben, aber Curtius geht es anscheinend um etwas anderes: Wortreichtum, Grammatik, Syntax. Denn er wendet sich ja gegen die Annahme von (wenigen) Urlauten resp. Urbegriffen, also dagegen, daß die Sprache sich aus einem Dutzend simplen Zurufen wie Warnungen oder Befehlen entwickelt habe. Etwa so, wie die Erdmännchen einander vor Gefahren warnen.
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Γραικύλος schrieb am 07.05.2021 um 15:28 Uhr (Zitieren)
Wir wissen natürlich vieles nicht, und selbst vom Indogermanischen kennen wir, falls ich nicht irre, weder Grammatik noch Syntax.
Aber das Prinzip der Evolution ist doch, daß Eigenschaften bzw. Fähigkeiten (Auge, Fuß, Hand) sich aus einfachsten Anfängen entwickeln.
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Marcella schrieb am 07.05.2021 um 15:58 Uhr (Zitieren)
Für die indooeuropäischen Sprachen scheint es zu gelten, dass Formenreichtum in der Flexion besonders den Sprachen eigen ist, die einen älteren Stand zeigen: Sanskrit, Griechisch, Latein, Litauisch. Vom Persischen, das ja auch schon lange dokumentiert ist, weiß ich es nicht.

Ansonsten flektieren, so weit mir bekannt ist hauptsächlich nur die semitischen Sprachen. Die Fülle von Verbformen im Arabischen steht meines Wissens jedoch hinter der der alten Sprachen nicht zurück.
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Marcella schrieb am 07.05.2021 um 21:37 Uhr (Zitieren)
Es geht auch andersherum. Das Tocharische entwickelte vertrackte grammatische Innovationen - sagt uns der Wiki-Artikel über die Indoeuropäische Ursprache:

"Die tocharische Sprachgruppe ist offenbar sehr früh nach Osten abgerückt. Tocharisch besitzt vielfältige, einschneidende und sonst nicht vorkommende Neuerungen, z. B. ein System von sieben Sekundärkasus, die Gruppenflexion, einen eigenen Numerus Paral zur Bezeichnung natürlicher Paare (im Gegensatz zum Dual, der die zahlenmäßige Zweiheit bezeichnet), eine fundamentale Verbalstamm-Opposition Normalverb : Kausativ, und eine Thematisierung, die von der Endung *-o (der 3.Sg. der Stativendungen) ausgeht."

Ich finde das übertrieben. Braucht man das?
Re: Komplexitätsentwicklung der Sprachen
Γραικύλος schrieb am 08.05.2021 um 13:27 Uhr (Zitieren)
Dann befand sich auch das Indoeuropäisch-Tocharische bereits auf einem (hyper-)komplexen Stand.

Hypothese: Soweit wir die Sprachen überhaupt zurückverfolgen können, und sei es in rekonsturierter Form, waren sie komplex.
Freilich hatten selbst diese sehr frühen Sprachen schon eine Sprachgeschichte von 100000 Jahren hinter sich, über die wir nicht mehr wissen, als daß sowohl der Homo neandertalensis als auch der frühe Homo sapiens gesprochen haben - irgendwie. Die Anatomie des Rachenraums und die Hirnstruktur, soweit bekannt, verraten uns nichts über Wortreichtum, Grammatik und Syntxax.
 
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