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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Die Neutralität des Historikers (383 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 28.07.2021 um 15:12 Uhr (Zitieren)
Polybios I 14:
Nicht weniger aber als durch die genannten Gründe bin ich zu einem längeren Verweilen bei diesem Krieg (1) dadurch bewogen worden, daß die, welche am sachkundigsten von ihm zu berichten scheinen, Philinos (2) und Fabius (3), uns nicht, so wie es ihre Pflicht gewesen wäre, die Wahrheit berichtet haben.

Daß diese Männer absichtlich gelogen hätten, glaube ich nun zwar nicht, im Hinblick auf ihr ganzes Leben und ihre Gesinnung; es scheint ihnen jedoch fast so wie den Liebenden ergangen zu sein [δοκοῦσι δέ μοι πεπονθέναι τι παραπλήσιον τοῖς ἐρῶσι]. Denn infolge ihrer ganzen Einstellung, ihrer persönlichen Sympathien scheinen dem Philinos die Karthager in allem verständig, rühmlich und mannhaft, die Römer dagegen auf die entgegengesetzte Weise gehandelt zu haben, dem Fabius aber gerade umgekehrt.

Sonst im Leben wird man nun vielleicht eine solche Voreingenommenheit nicht verwerfen, denn ein braver Mann muß Liebe zum Freunde und Liebe zum Vaterlande hegen und mit den Freunden ihre Feinde hassen und ihre Freunde lieben. Wenn man jedoch die Aufgabe des Historikers übernimmt, dann muß man all dies vergessen und oft die Feinde rühmen und durch das höchste Lob auszeichnen, wenn ihre Taten dies erfordern, oft die nächsten Freunde tadeln und schonungslos verdammen, wenn die Fehler ihrer Handlungsweise dazu Anlaß geben. Denn wie ein lebendes Wesen, wenn es das Augenlicht verloren hat, zu nichts mehr zu brauchen ist, so wird, wenn der Geschichtsschreibung die Wahrheit hinweggenommen wird, das, was dann noch von ihr übrigbleibt, ein unnützes Gerede [ὅταν δὲ τὸ τῆς ἱστορίας ἦθος ἀναλαμβάνῃ τις, ἐπιλαθέσθαι χρὴ πάντων τῶν τοιούτων, καὶ πολλάκις μὲν εὐλογεῖν καὶ κοσμεῖν τοῖς μεγίστοις ἐπαίνοις τοὺς ἐχθρούς, ὅταν αἱ πράξεις ἀπαιτῶσι τοῦτο, πολλάκις δ‘ ἐλέγχειν καὶ ψέγειν ἐπονειδίστως τοὺς ἀναγκαιοτάτους, ὅταν αἱ τῶν ἐπιτηδευμάτων ἁμαρτίαι τοῦθ‘ ὑποδεικνύωσιν. ὥσπερ γὰρ ζῴ ου τῶν ὄψεων ἀφαιρεθεισῶν ἀχρειοῦται τὸ ὅλον, οὕτως ἐξ ἱστορίας ἀναιρεθείσης τῆς ἀληθείας τὸ καταλειπόμενον αὐτῆς ἀνωφελὲς γίνεται διήγημα].

Daher darf man nicht anstehen, die Freunde anzuklagen und die Feinde zu loben, noch Bedenken zu tragen, dieselben bald zu loben, bald zu tadeln, da es ebenso unmöglich ist, daß die Handelnden immer das Rechte treffen, wie wahrscheinlich, daß sie ununterbrochen Fehler begehen [ἐπειδὴ τοὺς ἐν πράγμασιν ἀναστρεφομένους οὔτ‘ εὐστοχεῖν αἰεὶ δυνατὸν οὔθ‘ ἁμαρτάνειν συνεχῶς εἰκός]. Man muß also in einem Geschichtswerk von den handelnden Personen absehen und vielmehr ihren Handlungen die ihnen zukommende Beurteilung und Würdigung zuteil werden lassen.

(1) der 1. Punische Krieg
(2) Philinos von Akragas, griechischer Historiker des 3. Jhdts. v.u.Z.
(3) Fabius Pictor, römischer Politiker und
Historiker des ausgehenden 3. Jhdts. v.u.Z.

Fast möchte ich es Wladimir Putin schicken, der ja gerade im Begriff ist, in Rußland die Geschichtsschreibung auf patriotische Linie zu trimmen.
 
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