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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Religionskritik in der Antike #1 (379 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 13.09.2021 um 16:10 Uhr (Zitieren)
. Kritias (ca. 460 - 403 v.u.Z.): Fragment über den Ursprung der Religion

(Kritias war ein Onkel Platons.)

Es gab eine Zeit, da war der Menschen Leben ungeordnet und tierhaft und der Stärke untertan, da gab es keinen Preis für die Edlen noch auch ward Züchtigung den Schlechten zuteil. Und dann scheinen mir die Menschen Gesetze aufgestellt zu haben als Züchtiger, auf daß das Recht Herrscherin sei [zugleich von allen?] und die Frevelei zur Sklavin habe. Und bestraft wurde jeder, der sich nur verging. Dann als zwar die Gesetze sie hinderten, offen Gewalttaten zu begehen, sie aber im Verborgenen solche begingen, da, scheint mir, hat (zuerst) ein schlauer und gedankenkluger Mann die [Götter]furcht den Sterblichen erfunden, auf daß ein Schreckmittel da sei für die Schlechten, auch wenn sie im Verborgenen etwas täten oder sprächen oder dächten.

Von dieser Überlegung also aus führte er das Überirdische ein: „Es ist ein Daimon, in unvergänglichem Leben prangend, mit dem Geiste hörend und sehend, denkend im Übermaß, sich selbst gehörend (?), göttlich Wesen in sich tragend, der alles unter Sterblichen Gesprochene hören, alles Getane schauen kann. Wenn du aber mit Schweigen etwas Schlechtes planst, so wird das nicht verborgen sein den Göttern; denn dafür ist die Vernunft [zu stark] in ihnen.“

Mit diesen Reden führte er die lockendste der Lehren ein, mit lügnerischem Wort die Wahrheit verhüllend. Es wohnten aber, sagte er, die Götter an einem Ort, dessen Benennung die Menschen am meisten erschrecken mußte, woher, wie er erkannte, die Ängste den Sterblichen kommen und Hilfen für ihr mühselig Leben, aus dem sich drehenden Gewölbe dort oben, wo er die Blitze wahrnahm und das furchtbare Donnergetöse und den sternäugigen Himmelsbau, der Zeit, der weisen Baumeisters, schönes Buntwerk, wo die strahlende Masse des Sonnengestirns wandelt und von wo der feuchte Regen zur Erde herabkommt.

Und rings um die Menschen stellt er solche Schrecken, durch die er in seiner Rede der Gottheit eine schöne Wohnung gab und an einem geziemenden Ort, und er löschte die Gesetzlosigkeit durch die Satzung (?). [...] So denke ich, hat zuerst einer die Sterblichen dazu bestimmt, zu glauben, es gebe das Geschlecht der Götter.

(Hermann Diels, Die Fragmente der Vorsokratiker, Band 2; herausgegeben von W. Kranz. Dublin/Zürich 161972, 88 B 25)
Re: Religionskritik in der Antike #1
Γραικύλος schrieb am 13.09.2021 um 16:11 Uhr (Zitieren)
1. Kritias
Re: Religionskritik in der Antike #1
Marcella schrieb am 14.09.2021 um 00:00 Uhr (Zitieren)
Ein schonungsloser Text. Man stelle sich vor, dies würde - in aller Radikalität in unsere Verhältnisse übertragen - vom Gott der Christen gesagt (evangelische und katholische Version). Das gäbe immer noch Aufruhr. Oder?
Wie mag dies Dokument der Asebie wohl in seiner Zeit angekommen sein? Kritias tut gut daran, den Urheber der Götterphantasien an den Anfang der Kukturentwicklung zu stellen.
Re: Religionskritik in der Antike #1
Γραικύλος schrieb am 14.09.2021 um 14:16 Uhr (Zitieren)
Ob man sich darüber nach L. Feuerbach, Marx, Schopenhauer, Nietzsche und Freud noch aufregen würde? Nach Abschaffung des Gotteslästerungs-Paragraphen im StGB?
Meine Einschätzung: Ich fürchte, ja. Die Zeiten sind wieder so. Selbst Mohammed-Karikaturen sind gefährlich.
Re: Religionskritik in der Antike #1
Marcella schrieb am 14.09.2021 um 18:17 Uhr (Zitieren)
Alles Fake mit dem Christentum? Ich kenne genug Leute, die auf soch eine Botschaft seltsam reagieren würden...
Re: Religionskritik in der Antike #1
Wanda schrieb am 29.02.2024 um 01:38 Uhr (Zitieren)
Deutlicher geht es nicht: ein kluger Mensch erfindet die Götter, weil die Unzulänglichkeit menschlicher Gesetze deren Allgegenwart und drohende Strafe als gefürchtetes Regulativ erfordert. Der Gottesglaube wird somit als Erfindung aus dem menschlichen Verlangen nach einer allgemeinen Garantie ethisch gerechtfertigter Gesellschaftsordnung erklärt.
Re: Religionskritik in der Antike #1
Wanda schrieb am 29.02.2024 um 01:38 Uhr (Zitieren)
Deutlicher geht es nicht: ein kluger Mensch erfindet die Götter, weil die Unzulänglichkeit menschlicher Gesetze deren Allgegenwart und drohende Strafe als gefürchtetes Regulativ erfordert. Der Gottesglaube wird somit als Erfindung aus dem menschlichen Verlangen nach einer allgemeinen Garantie ethisch gerechtfertigter Gesellschaftsordnung erklärt.
Re: Religionskritik in der Antike #1
Wanda schrieb am 29.02.2024 um 01:38 Uhr (Zitieren)
Deutlicher geht es nicht: ein kluger Mensch erfindet die Götter, weil die Unzulänglichkeit menschlicher Gesetze deren Allgegenwart und drohende Strafe als gefürchtetes Regulativ erfordert. Der Gottesglaube wird somit als Erfindung aus dem menschlichen Verlangen nach einer allgemeinen Garantie ethisch gerechtfertigter Gesellschaftsordnung erklärt.
Re: Religionskritik in der Antike #1
Holger Fischer schrieb am 29.02.2024 um 13:55 Uhr (Zitieren)
Zitat von Marcella am 14.9.21, 18:17Alles Fake mit dem Christentum? Ich kenne genug Leute, die auf soch eine Botschaft seltsam reagieren würden...


Weiß der Geier, worum es da WIRKLICH geht. Ausgesprochen mysteriös ist der Morgenstern / Abendstern, der überall auftaucht ->

https://www.mythologie-antike.com/t23-gott-eosphoros-phosphoros-lichttrager-lichtbringer-morgenstern
 
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