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Altgriechisch Wörterbuch - Forum
Sind Demokratien friedfertiger? (353 Aufrufe)
Γραικύλος schrieb am 11.01.2022 um 17:01 Uhr (Zitieren)
Daß Demokratien friedfertiger seien als andere politische Systeme, ist eine Annahme, welche vor allem die US-Politik seit Woodrow Wilson beeinflußt und das oft weltweite Engagement der USA zur Verbreitung der Demokratie legitimieren soll.

Explizit ausgesprochen wird dieser Gedanke, bezogen auf Republiken, meines Wissens erstmals in Immanuel Kants Schrift „Zum ewigen Frieden“. Das Argument besteht darin, daß bei einer Entscheidung des Volkes (oder der Volksvertretung) über Krieg und Frieden diejenigen entscheiden, die die Lasten des Krieges, insbesondere das Risiko, in ihm zu Tode zu kommen, auch tatsächlich tragen müssen, wozu sie nicht so leicht bereit seien wie andere Systeme, in denen der Krieg von den einen befohlen, von den anderen ertragen wird.

In der Antike hat schon der attische Politiker Perikles die Bedeutung des Umstandes hervorgehoben, daß die Beschließenden eigene Kinder hatten, die sie gegebenenfalls in den Krieg schicken mußten. Nun, dies wird vermutlich die Frauen noch ein wenig mehr betroffen haben, obgleich sie weder in der attischen Demokratie noch zu Kants Zeiten in der Politik ein entscheidendes Wörtchen mitzureden hatten. Das mindert den grundsätzlichen Wert des Argumentes freilich nicht.

Auffallend ist aber, daß speziell die attische Demokratie sich keineswegs als sonderlich friedfertig erwiesen, sondern in ihrem Attischen Seebund und vor allem im Peloponnesischen Krieg als ausgesprochen macht- und kriegsfreudig gezeigt hat, und zwar in einer sehr brutalen Weise, wie es vor allem der von Thukydides überlieferte Melier-Dialog belegt, in dem die attischen Gesandten den Meliern knallhart vor Augen führen, daß Macht vor Recht geht.

Das hängt wohl damit zusammen, daß das attische Volk von der Unterdrückung und Ausbeutung anderer Städte in hohem Maße profitierte, sich davon sogar die Wohltaten der eigenen Demokratie finanzieren ließ. Demokratisches Engagement erfordert Zeitaufwand, und Zeitaufwand hält von Erwerbstätigkeit ab. Dazu sind breitgestreute Diäten erforderlich, die mit Einnahmen bezahlt werden müssen. Wie angenehm, wenn andere dafür bezahlen müssen!

In den „Schutzflehenden“ (Ἱκέτιδες) des Euripides, aufgeführt 421 v.u.Z. während des Peloponnesischen Krieges, den das demokratische Athen mit dem Ziel seines eigenen Vorteils gegen große Teile Griechenlands führte, heißt es zudem:
ἐλπὶς γάρ ἐστ‘ ἄπιστον, ἣ πολλὰς πόλεις
συνῆψ‘, ἄγουσα θυμὸν εἰς ὑπερβολάς.
ὅταν γὰρ ἔλθῃ πόλεμος ἐς ψῆφον λεώ,
οὐδεὶς ἔθ‘ αὑτοῦ θάνατον ἐκλογίζεται,
τὸ δυστυχὲς δὲ τοῦτ' ἐς ἄλλον ἐκτρέπει.

Die Hoffnung hat schon manche Stadt in Krieg
Verwickelt, die Gemüter überspannt.
Wird über Krieg und Frieden abgestimmt,
Berechnet keiner seinen eignen Tod
Und meint, solch Ende sei für andre.

(V. 479-483)

Daher ist es wohl ein Trugschluß, Demokratien grundsätzlich eine größere Friedfertigkeit zuzusprechen. Diese Idee ist wohl gut gemeint, aber nicht gut.
 
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