halbmenschhalbtier am 6.11.09 um 13:57 Uhr (Zitieren) III
hey ihr!
ich brauch dringend hilfe beim realis und beim irrealis. ich sag euch mal meine erklärung und bitte euch sie zu bestätigen wenn sie richtig is und wenn sie falsch is bitte die richtige erklärung schreiben!
also bei realis: der indikativ gibt an dass aussagen wirklich /echt sind: realis ; diesen übersetzt man im deutschen auch als indikativ außer bei folgenden sachen, da muss man im deutschen einen konjunktiv schreiben: ausdrücken des könnens, sollens...
stimmt des?
dann eine frage warum hat der lateiner eigentlich nich selsbt konjunktiv geschrieben?
lg
Es gibt im Deutschen den „phraseologischen Konjunktiv“, der gesetzt wird, obwohl kein irrealer oder potentialer Gedanke vorliegt.
Wenn man sagt: „Ich hätte gekonnt“ müsste der irreale Gedanke sein, dass die Möglichkeit nicht bestand, also: „Ich konnte nicht“. Gemeint ist aber, dass die Möglichkeit bestand: „Ich konnte, habe aber nicht.“
„Ich hätte den Bus kriegen können“, heißt ja „Ich konnte den Bus kriegen, hab ich aber nicht.“
halbmenschhalbtier am 6.11.09 um 17:27 Uhr (Zitieren) III
is zwar eine sehr gute erklärung aber meine frage war ob meine „definition“ stimmt!?
Re: realis und irrealis?!
halbmenschhalbtier am 6.11.09 um 17:44 Uhr (Zitieren) IV
bzw. stimmt es dass der realis der ganz normale indikativ ist? und nur bei bestimmten ausnahmen konjunktivisch übersetzt wird?!
was ist die definition für realis?
contra Arborius` Beispiel: „Ich konnte den Bus kriegen, hab ich aber nicht“...
und warum nicht? Hier fehlt doch etwas, und zwar die negative Bedingung, die das theoretisch Mögliche verhindert hat. Und so was ist ein irreales Bedingungsgefüge.
Auch das erste Beispiel würde man doch automatisch ergänzen:...„wenn ich gewollt hätte“ - jeder würde das so (als irrealen Bedingungssatz) verstehen, auch wenn dies qua Ellipse/Aposiopese fehlte.
zur Frage: das Problem besteht darin, dass der Ausdruck Indikativ für eine bestimmte grammatische Form verwendet wird,während realis einen Aspekt der Aussage definieren will - das Begriffspaar realis-irrealis wird in der Syntax für Bedingungssatzgefüge verwendet
realis nennt man die, die als realisierbar vorgestellt werden - irrealis die, deren Realisierung als unmöglich hingestellt wird. letztere werden (im Dt.wie im Lat.) mit dem coniunctivus irrealis gebildet (im Lat. Konj. Imp. u. Plusqu., im Dt. Konj. II), erstere im Indikativ - der Umkehrschluss ist aber nicht erlaubt !
Das Problem liegt an dem System der lateinischen Ausdrucksweise, die so im Deutschen nicht vorhanden ist:
Die deustche Sprache hat nur zwei Konjunktive:
den Konjunktiv I und II
Das Lateinische dagegen hat vier Konjunktive
Konj. Präsens
Konj. Imperfekt
Konj. Perfekt
Konj. Plusquamperfekt
Lateinische Konditionalsätze drücken drei Aspekte aus:
1. als Tatsache (der sogenannte Realis)
2. als Möglichkeit (Potentialis)
3. als der Wirklichkeit widersprechend (Irrealis)
Im Deutschen haben wir dieses System nicht, wir müssen bei Übersetzungen zu Hilfskonstruktionen greifen
(sollte, möchte, könnte usw..)
Einige Beispiele:
1. der reale Fall
„si hoc dicis, erras“ -> „Wenn du dies sagst, irrst du“ -> Präsens Indikativ
(eine einfache, objektive Feststellung,
es ist eben falsch, was der Vorredner gesagt hat)
2. der potentiale Fall
„si hoc dicas, erres“ -> „wenn du das sagen solltest, dann würdest du dich irren“ -> Präsens Konjunktiv
(der Vorredner könnte sich möglicherweise irren)
3. der irreale Fall
„si hoc diceres, errares“ -> „wenn du das sagen solltest (du sagst es aber sicherlich nicht), dann hättest du dich geirrt“ -> Imperfekt Konjunktiv
Das ähnelt dem Englischem, da gibt es auch 3 Conditionals, wobei es in der Verwendung etwas unterschiedlich ist...trotzdem finde ich es gut zum lernen...
Das ist nicht nicht ganz korrekt. Du denkst wahrscheinlich so:
- Konj. I: ich sei
- Konj. II: ich wäre
Aber damit bekommt man auf Deutsch eine vollsändige Äquivalenz zum Latein:
Konj. Präsens -> ich sei
Konj. Imperfekt -> ich wäre
Konj. Perfekt -> ich sei gewesen
Konj. Plusquamperfekt -> ich wäre gewesen
Das gilt natürlich nicht für die Bedeutung, vor allem Konj.Perf. und auch Präs. kann man so selten wiedergeben.
Der Irrealis ist aber so wörtlich übersetzbar.
nein,
die deutsche Sprache hat eben nur ZWEI Konjunktive.
Was du da als weitere Formen anführst,
sind eben diese zwei Formen
Nein, das sind nur Hilfskonstruktionen
Konjunktiv I & II + Partizip („gewesen“),
um in etwa der Lateinischen Form nahezukommen.
Schau dir die Lateinischen Formen an!
„ich sei“ -> „sim“ -> Präsens Konjunktiv (aber auch in der Bedeutung: „ich möge sein“)
„ich wäre“ -> „essem“ -> Imperfekt Konjunktiv(aber auch „ich würde“)
„ich sei gewesen“ ->„fuerim“-> Perfekt Konjunktiv (ich möge gewesen sein)
„ich wäre gewesen“ -> „fuissem“ -> Plusq. Konjunktiv („ich würde gewesen sein“)
Das Deutsche muß ein Hilfsverb benutzen, um die
Bedeutung auszudrücken, während das Lateinische
eigene Formen des Verbums dafür hat!
@physicus,
das deutsche Verbum hat NUR zwei Zeiten:
Präsens und Präteritum.
Alle anderen Zeiten, die wir aus dem Lateinischen
kennen (die von den antiken Grammatikern so
klassifiziert und benannt worden sind)
müssen unter Zuhilfenahme von „Hilfsverben“
& Partizip konstruiert werden.
@physicus
Genaugenommen hat die deutsche Sprache kein
z.B. „Plusquamperfekt“ bzw. „Perfekt“
Beispiel:
Das Verb „tragen“
Präsens -> „Ich trage“
Präteritum - >„Ich trug“
Partizip von „tragen“ ist „getragen“
also Infinitiv plus dem Präfix „ge-“
(das zeigt auch schon, daß das Partizip
eigentlich auch nur eine „Hilfskonstruktion“ ist)
Alle anderen „Zeiten“,
wie Futur, Perfekt, Plusquamperfekt usw.
sind eigentlich nicht vorhanden.
Als sich die deutsche Sprache entwickelte,
hat man die Bezeichnungen für die Konjugationen
aus dem lateinischen übernommen und eben
versucht, die Bedeutung dieser lateinischen Zeiten
mit Hilfe von Hilfsverben im Deutschen darzustellen.
Lese mal altdeutsche Texte!
da wird das ganz deutlich!!!
hier,
eines der ältesten Zeugnisse der deutschen Sprache
Der Anfang des Hildebrand-Liedes
(9. Jahrhundert)
Ik gihorta dat seggen,
dat sih urhettun ænon muotin,
Hiltibrant enti Hadubrant untar heriun tuem.
sunufatarungo iro saro rihtun.
garutun se iro gudhamun, gurtun sih iro suert ana,
helidos, ubar hringa, do sie to dero hiltiu ritun
Der Autor hat sich bemüht, die zeitlichen Verhältnisse richtig darzustellen
und hat aus dichterischer Freiheit heraus
einfach „neue“ oder „neukonstruierte“
Wörter eingeführt
Deutsch müsste man können - Bibulus: lies (!) mal die deutsche Grammatik!
„ich sei“ -> „sim“ -> Präsens Konjunktiv (aber auch in der Bedeutung: „ich möge sein“)
„ich wäre“ -> „essem“ -> Imperfekt Konjunktiv(aber auch „ich würde“)
„ich sei gewesen“ ->„fuerim“-> Perfekt Konjunktiv (ich möge gewesen sein)
„ich wäre gewesen“ -> „fuissem“ -> Plusq. Konjunktiv („ich würde gewesen sein“)
sim ist (fast?) nie mit ich sei zu übersetzen - ich würde sein ist genauso falsches Deutsch wie ich würde gewesen sein - ich möge gewesen sein ist sprachlogischer Nonsens; diese Sprachpest ist von gewissen lat.-dt. Schulbüchern verschuldet, die den Eindruck verbreiten, ein Sprache bestünde aus einzelnen Wörtern (die man 1 : 1 übersetzen könne) und nicht aus Sätzen, die mit durchaus verschiedenen Mitteln eine Aussage transportieren wollen...
im Deutschen gibt es keinen Konjunktiv Präsens - es gibt den Konj I (indirekte Rede) und den Konjumktiv der Aufforderung. Es gibt schon gar nich den Konjunktiv Imperfekt (das heißt korrekt im Dt. Präteritum), sondern den Konjunktiv II
Entschuldigung,bibule, mea culpa - aber Ironie ist in diesem Forum ja sonst unbekannt
Re: realis und irrealis?!
halbmenschhalbtier am 8.11.09 um 15:42 Uhr (Zitieren) III
ok ihr habt mir wirklich sehr geholfen!
kann mir vllt. noch jemand bespiele aus texten geben, wo in der anmerkung zu einem verb „realis“ steht? beispiele?!
lg
Re: realis und irrealis?!
halbmenschhalbtier am 8.11.09 um 16:35 Uhr (Zitieren) V
und ich hab noch ne frage:
warum kommt der irralis in unabhägigen sätzen eher selten vor?
Weil die Aspekte
1. Tatsache (der sogenannte Realis)
2. Möglichkeit (Potentialis)
3. der Wirklichkeit widersprechend (Irrealis)
eben in Konditionalsätzen vorkommen:
Der Sprechende stellt im bedingenden Nebensatz
eine Behauptung auf und zieht daraus im bedingten
Hauptsatz die Folgerung.
Diese feine sprachliche Ausdrucksweise ist natürlich ein Zeichen des klassischen Lateins.
Die einfachen Römer mögen vielleicht im Alltag
anders gesprochen haben.
Re: realis und irrealis?!
halbmenschhalbtier am 8.11.09 um 18:09 Uhr (Zitieren) III
ok danke das hat mir sehr geholfen!
wie kann man den realis nennen? gibts einen lateinischen namen so wie casus für nominativ und genitiv oder so etwas?
schau dir doch noch mal meine Beispiele an:
1. der reale Fall
„si hoc dicis, erras“ Präsens Indikativ
2. der potentiale Fall
„si hoc dicas, erres“ Präsens Konjunktiv
3. der irreale Fall
a)„si hoc diceres, errares“ Imperfekt Konjunktiv
b)„si hoc dixisses, erravisses“ Plusquamperfekt Konjunktiv
Jetzt haben wir das Problem, diese Sätze richtig
(sowohl grammatikalisch als auch inhaltlich) ins
Deutsche zu übersetzen
Das Deutsche hat nicht dieses System der Konjunktive.
Also muß man sich behelfen.