Latein Wörterbuch - Forum
Nennform — 4466 Aufrufe
Vanni am 9.4.12 um 17:28 Uhr (Zitieren) I
Es hat sich ja im Lateinischen als Nennform die erste Person Singular Aktiv eingebürgert - mich würde mal interessieren, ob jemand zufällig weiß, wieso. Denn wenn ich ein Wort nachschlage, kann ich es ja mit dieser Information garnicht der richtigen Konjugationsklasse zuordnen. Da fragt sich, ob es nicht sinnvoller wäre die 3.Person zu zitieren, wie das in anderen Sprachen der Fall ist, weil die immerhin mit -at, -et oder -it mehr Informationen bergen würde als die erste.
Weiß jemand, woher das kommt oder welchen Nutzen das bringt? Noch gescheiter wäre ja wohl der Infinitiv, dann wüsste ich gleich noch, ob „audit“ zu audire oder *audere gehört...
Re: Nennform
arbiter am 9.4.12 um 17:38 Uhr (Zitieren) III
das liegt doch an der capio-Gruppe (auch gemischte oder kurzvokalische i-Konjugation genannt);
weder capio/capit noch audio/audit ist ohne den Infinitiv zu klassifizieren
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 17:40 Uhr (Zitieren) III
an der Form 1.Person Singular Präsens Aktiv Indikativ kann man sehr wohl die Konjugation erkennen, für die allemeisten Verben jedenfalls.
a-Konj. -> porto (ursprünglich „portao“
e-Konj. -> moneo
i-Konj. -> audio
gemischte Konj. -> capio (diese Gruppe der Verben verwenden verschiedene Formen)
kons. Konj. -> rego (weil der Stamm mit einem Konsonant endet)
Re: Nennform
Arborius am 9.4.12 um 18:32 Uhr (Zitieren) III
Ihr seht, dass weder die 1.Sg. noch der Inf. in jedem Fall eine Zuordnung eindeutig macht.

Wenn ich an Ciceros grammatische Betrachtungen denke (leider vergessen, wo), fällt mir ein, dass er Wörter nie in einer „neutralen“ Form zitiert, sondern in den Satz einfügt. Wenn also ein Genitiv von „infelix“ gefordert ist, nimmt er den Genitiv des Wortes „infelicis“, auch wenn es nicht um die Endung geht. Dasselbe tut auch Plutarch, soweit ich mich erinnern kann.

Es gibt wohl also keine „neutrale“ Form.
Man muss auch bedenken, dass der Infinitiv nicht eine neutrale Form ist, sondern eine syntaktische Funktion hat. Vielleicht sogar haben muss. Den Inf. als Nennform zu wählen, ist also genauso willkürlich wie das Partizip.

Oder die 1.Sg. Nicht umsonst heißt es „erste Person“. Wenn man also Wörter zitieren will, kann man einfach den kürzesten Satz bilden, an den man gerade denkt. „Meinst du das Wort wie in >ich singe<?“
Ich nehme an, dass die 1.Sg. einfach die erste Form, an die man denkt
wenn man nicht die Gewohnheit einer Zitierform hat.

Dass man im Hebräischen die 3.Sg.Perf. nimmt, hat hingegen ganz andere Gründe ... sie ist die grundlegendste Form.

Wusstet Ihr übrigens, dass die Infinitive der deutschen Modalwerben von der 3.Pl. abgeleitet sind? Die hatten wohl ursprünglich gar keinen Infinitiv.
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 19:14 Uhr (Zitieren) I
Es gibt Sprachen, die haben keinen Infinitiv mehr, z.B. das Neu-Griechische.


Im Lateinischen gibt es dann noch die Grupe der Deponentien, der Infinitiv-Form sich ja von den „normalen“ Verben unterscheidet.

Durch 1.Person Sing. erkennt man im WB sofort ein Deponens.
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 19:15 Uhr (Zitieren) I
noch die Gruppe der Deponentien, deren Infinitiv-Form
Re: Nennform
arbiter am 9.4.12 um 19:25 Uhr (Zitieren) I
Man muss auch bedenken, dass der Infinitiv nicht eine neutrale Form ist, sondern eine syntaktische Funktion hat

hä? (Setzen, fünf!)
Wenn ich diese Aussage überdenke (freiwillig, ohne es zu müssen), kommen mir (zwanglose) Bedenken.
Einige Wörter/Wortarten haben per se eine syntaktische Funktion, andere nicht, sondern bekommen diese bei der Verwendung im Satz. Der Infinitiv (was bedeutet das denn eigentlich, in Dt. übersetzt??) kann - im Dt. wie im Lat. - unterschiedliche Funktionen zugewiesen bekommen.
Ob der bloße Infinitiv neutral ist? Hmm, vielleicht eine Frage für den Biologen. Jedenfalls ist er unbestimmt hinsichtlich der üblichen Flexionskategorien, wie Person, Numerus, Tempus, Modus, Genus, Kasus, Komparationsstufe, Genus verbi.
Re: Nennform
Vanni am 9.4.12 um 21:08 Uhr (Zitieren) I
Also mehreres:

(I) Im Lateinischen gibt es dann noch die Grupe der Deponentien, der Infinitiv-Form sich ja von den „normalen“ Verben unterscheidet.

Durch 1.Person Sing. erkennt man im WB sofort ein Deponens

=> Ich sehe nicht wo hier das Argument ist, die Deponentien ließen sich ja auch an der 3. Person erkennen

(II) Ich hatte jetzt nicht ans hebräische, eher ans Altindische gedacht, da ist es auch nicht „Grundform“ wie bei den semitischen Sprachen

(III) @ Arborius:
Die deutschen Modalverben sind, außerdem das Wort „wissen“ Praeteritopresentien. Das bedeutet, ihre Konjugation entspricht der des Präteritums (vgl: 1. und 3. Person enden gleich: ich sang - er sang => ich kann - er kann, nicht ich *kanne - er *kannt), ihre Bedeutung ist aber die eines Präsens: Wendest du alle Lautgesetze an, so entspricht die Form (ich) weiß dem lat. vidi (das dt. kommt so viel ich weiß vom urgerm. *woyda her). Der Infinitiv war also der des Verbs „sehen“ und der Satz ich habe gesehen bekam irgendwann die Bedeutung seiner „Folge“: Ich weiß es jetzt (da ich es sah). Das ist quasi mit allen Modalverben so, allerdings ist der Gedankengang manchmal schwerer nachvollziebar. Gerade bildet sich wieder so etwas aus: Ich mag hat ja den Konjunktiv „ich möchte“. Trotzdem nimmt man „ich möchte“ nichtmehr als Konjunktiv wahr, und es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis der Infinitiv „möchten“ sich herausbilden wird.

(IV) @Bibulus: „an der Form 1.Person Singular Präsens Aktiv Indikativ kann man sehr wohl die Konjugation erkennen, für die allemeisten Verben jedenfalls.“ Und dann zitierst du „porto“ und „rego“. Das ist irgendwie widersprüchlich, kann ich es ja eben nicht erkennen. Dass ich die i-Konjugation erkennen kann, ist zwar toll, aber der konsonantischen gehören doch eben viel mehr Verben an, oder? Ich kann aus „porto“ nicht schließen, ob es „portat“ oder *„portit“ heißt...
Re: Nennform
Vanni am 9.4.12 um 21:10 Uhr (Zitieren) I
Mein Ziel ist ja nicht eine „berechtigtere“ Form für die Nennform zu finden, wenn sie aber ohnehin Willkür ist, das ist ja von vornherein klar, dann könnte man ja wenigstens eine SINNVOLLE gewählt haben... :O
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 21:14 Uhr (Zitieren) I
@Vanni,
ich bin kein Philologe, nur Hobby-Lateiner.

Hast Du schon mal ein chinesisches WB in der Hand gehabt?
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 21:16 Uhr (Zitieren) I
Und dann zitierst du „porto“ und „rego“.


ja, weil „porto“ eben ursprünglich „portao“ (also a-Konj.) war

Der Wortstamm von „portare“ ist „porta“, der von „regere“ -> „reg“ (Konsonantisch)
Re: Nennform
Vanni am 9.4.12 um 21:33 Uhr (Zitieren) I
Das ist ja schön und gut, aber das erkennst Du ja nicht, weil eben im WB „porto“ und nicht „portao“ steht... Es ist natürlich schon sinnvoll, bzw. die einzige Möglichkeit, dass es „portao“ geheißen haben muss, aber ich gehe doch stark davon aus, dass diese „Nennform-Konvention“ vereinbart wurde, als es schon „porto“ hieß.
Es freut mich im übrigen, dass sich auch nicht-philologen für Latein interessieren =)
Ich bin auch keiner, will aber im nächsten Semester anfangen Indogermanistik zu studieren, deshalb meine etwas ungeduldigen Lateinselbstlernbemühungen...
Re: Nennform
Bibulus am 9.4.12 um 22:52 Uhr (Zitieren) I
Indogermanistik?

auch Sanskrit?

Dann hast Du Dir aber einiges vorgenommen.

Sanskrit ist noch formenreicher als Latein oder Griechisch
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 0:22 Uhr (Zitieren) I
Klar, wenn man sowas vorhat studiert man ja hoffentlich nicht ins Blaue hinein, sondern hat sich vorher schonmal damit beschäftigt ;)
Re: Nennform
Arborius am 10.4.12 um 11:55 Uhr (Zitieren) I
Nana, arbiter! Setzen, fünf minus!
Der Inf. hat Tempus und Genus verbi! Jedenfalls der lateinische. Und der griechische.
Man könnte jede Form als Nennform wählen, wieso muss sie denn gerade in der Person „unbestimmt“ sein? Und bei den Nomina macht sich auch nicht aus dem Kasus, dem Numerus und dem Genus und der Komparation. So toll kann das Argument für Verben also nicht sein.
Dass also gerade der Infinitiv unterschiedliche Funktionen haben kann, zeigt, dass er welche hat. Wenn man jetzt über seinen Tellerrand schaut, sieht man, dass irgendjemand eine Form gewählt hat, die nicht für sich alleine stehen könnte ... und sie zur Nennform erkoren hat. Ohne irgendeine Notwendigkeit.

Das mit den Präteritopräsentien ist übrigens eine spannende Sache. Irgendjemand muss sich mal die Frage gestellt haben, wie man aus einem Präteritum einen Infinitiv macht.
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 13:48 Uhr (Zitieren) I
Naja, ohne das „jemand“ sich die Frage stellt, benutzen halt die Sprecher einen eine Form, die ihnen als sinvoller Infinitiv scheint und so entstehen z.B. Infinitive mit Umlaut, wie sie so nie entstanden wären. So wie ich im Schwäbischen zwei Däg sag, weil „Täge“ ein Plural von „Tag“ scheint. :D

Das der Infinitiv eine syntaktische Funktion hat scheint mir auch sinnvoll so zu sagen, weil ja auch Unbestimmtheit eine bestimmte Funktion erfüllt, an seiner Stelle könnte man keine andere Form benutzen. Dann muss er ja auch nicht Nennform sein. Trotzdem ist es doch aber komisch in einem WB zu behaupten „canto“ hieße „singen“. Heißt es ja nicht, es schiene mir irgendwie „korrekter“, hier dann wenigstens eine kongruente Form anzugeben.

Idee:
Wäre nicht die 3. PERS. PLURAL eine Form, die alle Zweideutigkeiten beseitigen würde?
Man könnte dann nach

-ant
-ent
-unt
-iunt

unterscheiden, während der Infinitiv genau wie die 1.Ps.Sg. jeweils Informationslücken lassen...
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 13:48 Uhr (Zitieren) I
ohne das => ohne, dass
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 13:49 Uhr (Zitieren) I
Das der Infinitiv => Dass der Infinitiv
Re: Nennform
arbiter am 10.4.12 um 14:48 Uhr (Zitieren) I
@arborius
ja, Genus verbi ist - zumindest für das Lat. - zu streichen.
Die Auffassung, der Infinitiv habe ein Tempus, stammt wohl aus den irreführenden Bezeichnungen in den Schulgrammatiken.
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 14:51 Uhr (Zitieren) I
Warum hat der Infinitiv kein Genus Verbi?
Loqui beispielsweise ist doch eindeutig und es gibt kein *loquere :O
Re: Nennform
Arborius am 10.4.12 um 16:41 Uhr (Zitieren) I
Ja? Wieso hat der lateinische Infinitiv kein Genus verbi? Gibt es denn keinen Unterschied zwischen laudari und laudare?
Mit dem Tempus stimme ich mit Dir überein, arbiter, dass die Grammatiken da unterschiedlicher Meinung sind.

Wusstet Ihr, dass in manchen Theorien der Infinitiv als Modus gilt? Ich empfehle den Wikipedia-Artikel „Infinitiv“, wenn Ihr staunen wollt, dass es Sprachen gibt, deren Infinitive z.B. eine Person haben. Es gibt noch einiges zu entdecken!
Re: Nennform
filix am 10.4.12 um 17:51 Uhr (Zitieren) I
arbiter hat doch nur die Streichung von Genus verbi aus der Liste der Flexionskategorien bestätigt, von denen der Infinitiv frei ist.
Zur Sache:
Meines Erachtens sollte man in der Erkundung der Frage, warum diese Form der Lemmatisierung bei lateinischen Verben sich herausgebildet hat, nicht allein die in der historischen Froschperspektive eines lernwilligen Wörterbuchnutzers der Gegenwart (nebenbei bemerkt:es gibt mehr als einen Modellfall der Nutzung) durchaus vernünftig erscheinende Idee eines flexionsmorphologischen Optimums, das möglichst schnelle Identifizierung, Eindeutigkeit und maximale Ableitbarkeit verbindet, als Leitkriterium der Konzeption in Betracht ziehen: es haben sehr wahrscheinlich Sprachvorstellungen und grammatische Ordnungsprinzipien eine Rolle gespielt, die mit dieser pragmatischen Idee nicht unbedingt etwas zu tun haben und schon Jahrhunderte in Umlauf waren, ehe Wörterbücher überhaupt mit der Absicht, sie als Vermittlungsinstrument zwischen verschiedenen Sprachen zu gebrauchen, geschaffen wurden. Schon das Konzept der grammatischen Person und die damit verbundene Zählung ist ein auf das 2.Jhdt. v.u.Z. zurückgehendes Erbe der griechischer Sprachbeschreibung (cf. Dionysos Thrax: Technē grammatikē). Dass solche grundlegenden Ordnungskonzepte die Matrix einer Entscheidung über die Zitierform in späterer Zeit bilden, erscheint mir in historischer Rücksicht deshalb nicht unerklärlich.
Re: Nennform
Vanni am 10.4.12 um 18:04 Uhr (Zitieren) I
Das klingt allerdings plausibel... =)
Re: Nennform
Arborius am 10.4.12 um 19:05 Uhr (Zitieren) I
arbiter hat doch nur die Streichung von Genus verbi aus der Liste der Flexionskategorien bestätigt, von denen der Infinitiv frei ist.
Ach so.

Ich stimme Dir zu, filix, aber
und schon Jahrhunderte in Umlauf waren, ehe Wörterbücher überhaupt mit der Absicht, sie als Vermittlungsinstrument zwischen verschiedenen Sprachen zu gebrauchen, geschaffen wurden.
Ist das eine Vermutung, oder hast Du Anhaltspunkte, das zu glauben? Wie gesagt, zitieren Cicero und Varro eben nicht im Infinitiv. Das Gerundium ist z.B. bei Varro Mittel der Wahl. Die 1.Sg. hat sich neben anderen Formen in anderen Sprachen durchgesetzt ... wie hätte der jahrhundertelange Gebrauch denn dann ausgesehen?
Re: Nennform
filix am 10.4.12 um 21:10 Uhr (Zitieren) I
Ich habe nie behauptet, dass der Infinitiv eine uralte Zitierform ist(nota bene: Zitierform ist nicht jede Erwähnung eines Wortes als eines solchen in welchem Zusammenhang auch immer sondern der lexikographische Fachausdruck , um den es in Vannis Frage ging)
Ich habe die grammatische Person und die Reihung durch Ordinalzahlen als Beispiel für eine solchen pragmatischen Überlegungen, die
ein flexionsmorphologischen Optimum als Zitierform für sinnvoller erachten und die sich durch den faktischen Aufbau noch zeitgenössischer lat. Wörterbücher irritiert fühlen, vorangehende Strukturierung des Formenreichtums als Beispiel genannt, das den Fokus auf eine historische Betrachtung der Frage verschiebt. Wenn du schon Varro erwähnst, ist dir sicher geläufig, dass er in De Lingua Latina X,2 schreibt: „Secundum genus quae verba tempora habent neque casus, sed habent personas. Eorum declinatuum species sunt sex: una quae dicitur temporalis, ut legebam gemebam, lego, gemo; altera personarum, ut sero meto, seris metis; tertia rogandi, ut scribone legone, scribisne legisne. Quarta respondendi, ut fingo pingo, fingis pingis; quinta optandi, ut dicerem facerem, dicam faciam...“ - „Die zweite Gattung bilden Wörter die Zeiten (tempora) haben und nicht Fälle (casus), dafür aber Personen (personas). Deren Abwandlungen (declinatuum!) bestehen in sechs Grundformen (sex species): eine die Tempus (temporalis) genannt wird: wie “legebam„ (ich las) “gemebam„ (ich gähnte), “lego„ (ich lese), “gemo„ (ich gähne), die andere ist die Grundform der Person: wie “sero„ (ich säe), “meto„ (ich ernte), “seris„ (“du säst„), “metis„ (“du erntest„), die dritte ....“
Das ist zwar noch lange kein konsequent lemmatisiertes Wörterbuch (und einiges erscheint uns aus heutiger Sichtweise auf grammatische Strukturen seltsam), aber es fällt sofort auf, dass Varro alles, was er über das Verb in diesem Zusammenhang zu sagen hat, an der ersten Person Singular durchspielt (von der Kategorie der Person natürlich abgesehen, wobei er aber auch hier mit der ersten anhebt). In welcher Epoche der Infinitiv (nicht als solcher aber) als Grundform entdeckt wird, ist eine gute Frage - Isidor von Sevilla schreibt ein paar Jahrhunderte später in seinen Etymologiae I, IX de verbo: „Infinitus [modus] dicitur eo, quod tempora definiens personam verbi non definit, ut “clamare„ “clamasse„ Cui si adiungas personam: “clamare debeo, debes, debet„ fit quasi finitum“ „Der Infintiv hat seinen Namen daher, dass er, obwohl er die Zeiten bezeichnet, die Person des Verbs nicht näher bestimmt: wie in “clamare„ (“rufen„) und “clama(vi)sse„ (“gerufen haben„). Wenn du ihn mit der Person verbindest: “clamare debeo, debes, debet„ (“ich soll/muss rufen, du sollst/musst rufen, er/sie/es soll/muss rufen„) wird er gleichsam begrenzt (finitum fit)“. Auch hier erkennt man wieder an „debeo, debes...“ dass die ordinale Reihung der gramamtischen Personen die fundamentale Matrix in der Präsentation der Formen ist: Man mag einwenden, dass dies auf die Funktion des Beispiels im Kontext zurückgeführt werden kann, jedoch auch sonst dominiert in den Etymologiae die erste Pers. Sing. , sofern es um die Beschreibung einer Verbform geht (e.g. „Participium de nomine et verbo, ut ‚lego, legens‘ oder “In persona verbi agentis et patientis significatio est. Nam ‚scribo‘ personae factum est. Item ‚scribor‘ personae factum indicat, sed eius a quo patitur.) Von dort ist es noch ein weiter Weg zu Wörterbüchern, wie wir sie kennen, zumal, wie ich schrieb, als Vermittlungsinstrument zwischen verschiedenen Sprachen. Aus dieser Perspektive sehe ich vorerst keinen Grund, meinen Hinweis auf die historische Dimension der Frage zu korrigieren. Der Infinitiv scheint noch ein paar Jahrhunderte gebraucht zu haben, ehe er bei jedem Eintrag eines Verbs als unverzichtbares Element der Lemmatisierung aufgefasst wurde: im „Catholicon“ (summa grammaticalis quae vocatur Catholicon), einem um eine Grammatik ergänzten Wörterbuch des Johannes Balbus aus dem XIII.Jhdt., das bis ins XVI.Jhdt. aufgelegt wurde und als Hilfmittel der Bibelauslegung gedacht war , lautet der Eintrag zu „monere“ etwa: „moneo. nes. nui.nitu[m]“ der zu „capere“ hingegen: „capio.pis.cepi cap[er]e [ca]ptu[m]“. Zuletzt möchte ich noch eine Behauptung hinsichtlich einer außereuropäischen Parallelentwicklung zitieren, die ich nicht überprüfen kann: sie besagt, dass in der Tradition der Grammatiken des Sanskrit es ebenfalls das Konzept der grammatischen Person gibt, wobei hier allerdings die erstgenannte „prathamapurusa“ unserer dritten Person, i.e. über die gesprochen wird in der Rede, entspricht: auch hier soll sich die Zitierform von dieser ordinalen Struktur ableiten.
.
Re: Nennform
filix am 10.4.12 um 21:10 Uhr (Zitieren) I
....flexionsmorphologisches Optimum....
Re: Nennform
filix am 10.4.12 um 21:13 Uhr (Zitieren) I
...grammatischen Personen ...
Re: Nennform
Vanni am 11.4.12 um 14:35 Uhr (Zitieren) I
Nun denn herzlichen Dank für die Ausführungen =)
 
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