Seneca schreibt in dem ersten der Briefe über die Ethik an
Lucilius:
Ich kann die Verwendung des Indikativs im Nebensatz „cum interim
hoc unum est” nicht nachvollziehen: handelt es sich dabei nicht
um einen konzessiven, bei dem cum üblicherweise mit einem
Verb im Konjunktiv steht?
Für eure Hilfe Dank im voraus.
Re: Indikativ in „cum interim hoc unum est” (Seneca)
Als konzessiv kann man den Nebensatz nicht bezeichnen, es wird ja eigentlich nichts der Hauptsatzhandlung Entgegenstehendes ausgedrückt - „Niemand, der (unsere) Zeit beansprucht hat, wird denken, er sei etwas schuldig, *obwohl sie das einzige ist, das man nicht einmal aus Dankbarkeit zurückgeben könnte“ ergibt keinen rechten Sinn. Warum sollte die Unmöglichkeit, Zeit, die man beansprucht hat, zurückzuerstatten, die Erwartung erzeugen, sich als Schuldner zu sehen?
Es ist vielmehr so, dass das interimistische cum („cum interim“), das gewöhnlich mit dem Indikativ steht, hier einen nicht leicht zu fassenden Nebensinn annimmt und mit „wobei doch/aber“ übersetzt werden könnte. (vgl. MBS § 585, 3 für adversativen Nebensinn).
Re: Indikativ in „cum interim hoc unum est” (Seneca)
Was Du dort geschrieben hast verwirrt mich: steht ein adversativer Sinn nicht für etwas Gegensätzliches, wie ja auch der konzessive, der aber mit ausdrückt, dass etwas trotz des sich widersprechenden Gegensatzes, wider des eigentlich daraus zu Erwartenden eintritt?
Re: Indikativ in „cum interim hoc unum est” (Seneca)
filix am 17.2.18 um 14:56 Uhr, überarbeitet am 17.2.18 um 17:03 Uhr (Zitieren)
Dass es hier keinen Eintritt (oder Nicht-Eintritt) wider Erwarten gibt, habe ich ja im Folgenden an der ungeeigneten Übersetzung des „cum interim“ durch „obwohl“ dargelegt. Adversativsätze drücken zwar gegensätzliche Handlungen aus, aber bloß kontrastierend, ein Widerspruch, der erwarten ließe, dass die Hauptsatzhandlung nicht eintritt, wird dadurch nicht aufgebaut. („Während Jules schläft, tanzt Jim die Nacht durch.“ -> Dass Jules schläft, erzeugt nicht die Erwartung, dass Jim nicht tanzen könnte oder sollte, steht also der Hauptsatzhandlung in diesem Sinne nicht entgegen.) Es ist indes, wie ich schrieb, nicht leicht, den Nebensinn bei Seneca genau zu fassen - eine Übersetzung durch „wobei aber“ setzt auf ein relativisch gebrauchtes Pronominaladverb und ergänzt es durch „aber“, dessen Sinnrichtung m.E. zwischen adversativ und limitierend liegt.